19.01.2006, 18:40 Uhr

Telefonieren ohne lokale Infrastruktur

Dank eines Voip-Services, der alle Funktionalitäten auf einer zentralen Carrier-Plattform bereitstellt, können auch Geschäftskunden bald die Telefonie ausschliesslich über das IP-Netz betreiben. Die Anforderungen der Geschäftskunden unterscheiden sich wesentlich von dem, was Privatkunden heute unter dem Etikett Voip bekommen. Von Reto Fäs und Dr. Andrej Radovic*
Seit mehreren Jahren ist Voice over IP (Voip) auch für Geschäftskunden ein Thema. Kundenindividuelle Lösungen für TVA (Teilnehmervermittlungsanlagen), die auch im Outsourcing angeboten werden, sind heute mit Zehntausenden von Voip-Anschlüssen bei Geschäftskunden in Betrieb. Mit einer Voip-Service-Plattform, welche die Telefonie-Funktionalitäten mittels einer zentralen Carrier-Plattform bereitstellt, wird es möglich sein, das Telefon-Endgerät über eine IP-Verbindung direkt anzuschliessen, ohne dass vor Ort beim Kunden eine Telefonie-Infrastruktur vorhanden sein muss. Das Endgerät kann ein IP-Telefon oder ein PC mit Headset sein. Das Prinzip ist also das gleiche wie eine Voip-Lösung für Private, welche auf dem Heim-Internetanschluss, dem eigenen PC und einem kostenlosen Stück Software basiert. Doch ansonsten sind kaum Gemeinsamkeiten vorhanden zwischen einer Voip-Lösung für Private zum Beispiel von Skype, und einer solchen für Geschäftskunden.

Billig-Image

Die für Private verfügbaren Lösungen haben ein klassisches Billig-Image - nämlich teils kostenlose Software, welche kaum eine klassische Telefonielösung ersetzen kann. Eine Voip-Lösung für Geschäftskunden muss sich am anderen Ende der Skala positionieren, und zwar vor allem in drei Merkmalsbereichen: Sicherheit, Verfügbarkeit und Konvergenz mit der übrigen Unternehmens-IT und -kommunikation. In dieser Differenzierung ist eine der zentralen Herausforderungen für Business-Voip-Services zu sehen. Denn nur mit einer entsprechenden Qualität werden Voip-Services im Geschäftskundensegment rasch Fuss fassen. Die Sicherheit von Voip-Lösungen über das öffentliche Internet ist umstritten. Folglich ist im Geschäftskundenumfeld ein sicheres IP-Netz ein Muss. Unternehmensintern kann man sich weitgehend auf das bereits bestehende LAN abstützen, aber auch die Verbindung zwischen dem Kundenstandort und dem Provider sollte unbedingt über eine sichere Verbindung erfolgen.
* Reto Fäs arbeitet als Projektleiter bei Service Development & Consulting von Swisscom Solutions, Andrej Radovic ist Head of Company & Market Analysis bei Strategy & Business Development von Swisscom.

Telefonieren ohne lokale Infrastruktur

Verfügbarkeit

Hinsichtlich der Verfügbarkeit von Voip-Lösungen sind gerade Geschäftskunden sehr skeptisch. Dies bezieht sich vor allem auf die IP-Accessleitung. Ein Ausfall dieser Verbindung würde nicht nur den Wegfall von E-Mail und Internet bedeuten, sondern auch der Telefonie. Zweifellos muss sich die Verfügbarkeit von IP-Verbindungen in Zukunft weiter erhöhen. Hingegen erhöht sich beim eigentlichen Voip-Service die Verfügbarkeit massiv, da es sich um einen mehrfach redundanten Carrier-Switch handelt, welcher auch entsprechend überwacht wird - im Gegensatz zur klassischen dezent-ral eingesetzten TVA. Auf jeden Fall werden Service Level Agreements - eine Leistungsvereinbarung, die den zu erbringenden Dienst beschreibt und die Verfügbarkeit garantiert - von den Geschäftskunden bei einem Voip-Service gefordert, während dies in der traditionellen Telefonie eher der Ausnahmefall war. Mit ein Grund ist, dass die traditionelle Telefonie zwar teuer und träge ist, aber stets sehr stabil und hoch verfügbar war.

Konvergenz-Anforderungen

Konvergenz hat für Geschäftskunden längerfristig eine sehr grosse Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf die Integration von Voice-Diensten mit diversen Applikationen. Kurzfristig wird jedoch im Firmenkundenbereich von einem Voip-Service vor allem eines gewünscht: Eine einfache Be-dienbarkeit für den Benutzer respektive ein einfacher Betrieb für die Telefonie-Verantwortlichen des Unternehmens. Dies soll einerseits erreicht werden, indem die traditionell sehr heterogene Telefonie standardisiert wird. Der Support wird vereinfacht, unter anderem, indem die Prozesse jenen der IT angeglichen werden.

Telefonieren ohne lokale Infrastruktur

Dazu gehört, dass möglichst viele Funktionen durch den Benutzer selber oder durch einen dezentralen Superuser innerhalb der eigenen Organisation eingerichtet werden können. Beispielsweise können Teamschaltungen, Weiterleitungen, Simultanrufe sowie Anrufbeantworter auf mehreren Endgeräten durch den Benutzer selbst via Web-Browser konfiguriert werden. Damit wird auf Seiten des Kunden die Komplexität massiv reduziert. Andererseits muss diese Komplexität nun vom Service Provider beherrscht und mittels einer bedienerfreundlichen Schnittstelle abgeschirmt werden. Denn ein Voip-Service, der auf einer Plattform zentral für Tausende von Kunden produziert wird, kann nur mittels Methoden der Mass Customization so ausgestaltet werden, dass er alle individuellen Telefonie-Bedürfnisse erfüllt.
Sehr interessant wird die Konvergenz auf der Stufe der Applikationen. Gerade für Geschäftskunden ist es nötig, dass Funktionen wie Anrufe per Mausklick oder ein Anruf-Logbuch (Liste der Anrufe in Abwesenheit) so intuitiv wie möglich sind.

Telefonieren ohne lokale Infrastruktur

In den nächsten Jahren werden sich im Geschäftskundenbereich weitere Funktionen durchsetzen, welche heute im Privatkundenbereich als «Instant Messaging» bekannt sind. Die Vorteile sind offensichtlich, wenn der Status von Geschäftskollegen jederzeit bekannt ist (z.B. online, besetzt in Meeting, kurzfristig abwesend, Ferien), ohne dass dies zuerst mit einem Anruf geklärt werden muss. Doch wie werden solche Funktionen in die Unternehmenswelt integriert? Auch hier stellen sich wieder die gleichen Fragen, nämlich hinsichtlich Sicherheit, Verfügbarkeit - und Konvergenz mit der Telefonie und der IT. Das Ziel der Business-Voip-Services ist, möglichst viele dieser Funktionen im Rahmen zukünftiger Service-Releases für die Kunden bereitzustellen. Auf diesem Weg können die Geschäftskunden von der laufenden Weiterentwicklung eines Voip-Dienstes profitieren, ohne dass sie die Risiken für Investitionen, Entwicklung und Integration solcher neuen Funktionen tragen müssen.



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