01.12.2008, 14:18 Uhr

Moleküle lernen rechnen

Langsam aber sicher können die Strukturen auf herkömmlichen Prozessoren nicht weiter verkleinert werden. Wissenschaftler am IBM-Forschungslabor in Rüschlikon arbeiten mit Hochdruck an Alternativen zur klassischen Chip-Bauweise. Eine davon ist das Kalkulieren mit Molekülen.
Heike Riel vom IBM-Forschungslabor in Rüschlikon bringt Molekülen das Schalten und Rechnen bei.
Der Blick durchs Rastertunnelmikroskop auf die derzeit kleinsten Elektronikbauteile im klassischen CMOS-Verfahren (Complementary Metal Oxide Semiconductor) -- sie weisen eine Gatelänge von nurmehr sechs Nanometer auf -- bringt es an den Tag: Weil sie langsam aber sicher molekulare Dimensionen erreichen sind ihre Einzelteile "krumm" und "schief". Die sogenannte Linienrauhigkeit wird zu gross. Die Folge ist laut Heike Riel, Leiterin der Abteilung "Nanoscale Electronics" am IBM-Forschungslabor in Rüschlikon bei Zürich, verheerend: "Jeder Transistor funktioniert anders, weil er nicht mehr baugleich ist". Und das ist nun einmal in der strikten Welt der Nullen und Einsen nicht mehr brauchbar. Auf einem Prozessor müssen sich vielmehr Milliarden von Transistoren absolut identisch verhalten.
Was also tun? Riel und ihre Forschungsgruppe ist daran, die Grundlagen für eine von vielen Alternativen erarbeiten. Sie beschäftigt sich mit molekularer Elektronik. "Die Idee dahinter ist, dass man die Funktionalität eines einzelnen Bauelements in ein einzelnes Molekül integrieren kann", erklärt die Wissenschaftlerin.
Ein Vorteil liegt dabei auf der Hand: Moleküle sind bereits sehr klein. Sie messen zwischen 0,5 und 5 Nanometer, sie sind somit bis zu 50'000 Mal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Zudem sind Moleküle immer baugleich. Man erhält also identische Grundbausteine. Schliesslich erlauben sie wegen ihrer Winzigkeit schnelle Schaltfrequenzen, und sie sind, was den Leistungsverbrauch angeht, sehr genügsam.
"Die geringe Grösse der Moleküle ist einerseits ein Riesenvorteil. Andererseits ist sie auch die grösste Schwierigkeit", relativiert Riel. Daneben müssen auch noch die Wechselwirkungen zwischen den Molekülen und ihrem Kontaktmaterial, das ein Metall oder Halbleiter ist, beachtet werden. Die Forscherin rechnet daher damit, dass erst in 10 bis 15 Jahren ihre Arbeit Früchte tragen und in vermarktbare Produkte einfliessen wird. "Ich verspreche Ihnen daher nicht, dass wir in den nächsten zehn Jahren den molekularen Computer liefern werden", warnt Riel.

Das Molekül als Schalter

Erste Erfolge auf dem Weg zum Molkular-Rechner haben die Wissenschaftler dennoch schon verzeichnen können. So ist es ihnen gelungen, einen Schalter auf Molekülbasis zu bauen, der theoretisch als Grundstein eines nicht-flüchtigen Informationsspeichers dienen könnte. "Wir konnten zeigen, dass das Molekül schalten, also als Diode funktionieren kann", erklärt Riel.
Und so funktioniert das molkulare Speicherelement: Zwischen zwei nur jeweils ein Atom grosse Goldspitzen, wird das Molekül wie in einen Schraubstock gespannt. Bei dem Molekül handelt es sich um einen Winzling mit dem sperrigen Namen "Biprydyl-Dinitro Oligophenylen-Ethynylen Dithiol".
Dieses ist so gebaut, dass Elektronen, die durch das Molekül geschickt werden, eine innere Barriere überwinden müssen. Um die Diode anzuschalten muss an dem Gold-Molekül-Gold-System eine Spannung angelegt und erhöht werden, bis ein gewisser Widerstand überwunden ist. Fliesst einmal Strom ist der Schalter an. Der Clou dabei: Wird die Spannung reduziert, fliesst weiterhin Strom und der Schalter bleibt im "On"-Zustand. "Erst wenn eine negative Spannung angelegt wird, kippt das System in den 'Off'-Zustand", sagt Riel.
Damit haben die Forscher gezeigt, dass es möglich ist, ein Molekül als Informationsspeicherelement zu nutzen. Die Herausforderung besteht nun darin, dieses molekulare Element in grössere Schaltkreise zu integrieren. "Unser Ziel ist dabei längerfristig, vom Gold als Trägermaterial wegzukommen und Silizium zu verwenden", meint Riel. Doch Silizium habe wieder ganz andere Eigenschaften als Gold, da ersteres ein Halbleiter ist. Laut Riel könnte man möglicherweises hochdotiertes Silizium nehmen oder auf das Halbleitermaterial eine hauchdünne Metallschicht aufbringen.
Doch bis es einmal soweit ist, müssen noch andere Probleme bewältigt werden: So besteht beim heutigen Gold-Molekül-Gold-Schraubstock noch ein zu grosser Widerstand zwischen dem Molekül und dem Goldatom. An dieser Stelle bilden derzeit Schwefelgruppen das Scharnier und binden das Molekül an die Goldatome. Wie Riel berichtet, habe man diese durch Kohlenstoffverbindungen, namentlich C60, ersetzt. Mit Erfolg: "Wir haben festgestellt, dass dadurch der Widerstand extrem reduziert werden kann", sagt die Forscherin. Allerdings könne sie derzeit noch nicht viel mehr zu diesem Thema sagen.



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