29.10.2008, 10:20 Uhr

Computer zeigt Gletscherschwund

Forscher der ETH Lausanne und Zürich veranschaulichen mit Hilfe einer Computersimulation das tragische künftige Schicksal unserer Gletscher.
Der Rhonegletscher heute...
Wo einst Eisströme flossen, werden in gut 100 Jahren nur noch bescheidene Gletscherreste übrig sein. Diese tragische Schicksal zeigen Forscher der ETH Lausanne und Zürich anhand einer Computersimulation des Rhonegletschers. Diese präsentiert den Eisstrom im Jahre 1874 in seiner ganzen Stattlichkeit und zeigt wie gross er voraussichtlich 2100 sein wird.
Nach Angaben der beiden Hochschulen wurde noch nie ein so langer Zeitraum simuliert, und noch nie wurden dabei so viele komplexe Daten und Modelle berücksichtigt. Für die Analyse wurden Informationen der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie der ETH Zürich über Temperatur, Niederschläge und Rückzug des Rhonegletschers seit dem 19. Jahrhundert beigezogen. So konnte die Massenbilanz des Gletschers aufgestellt werden. Dabei wird der Unterschied zwischen dem im Winter akkumulierten und dem im Sommer abgeschmolzenen Eis errechnet. Die Mathematiker des Lehrstuhls für Analyse und Computersimulation der ETH Lausanne fütterten sodann ihre Computermodelle mit diesen Daten. Das Ergebnis ist eine Computersimulation des Gletschers über 226 Jahre von 1874 bis 2100.
Die Forscher haben drei mögliche Zukunftsszenarien entwickelt. "Wir haben uns für den goldenen Mittelweg entschieden, weder zu optimistisch noch zu pessimistisch", erklärt Doktorand Guillaume Jouvet. Das sich über 100 Jahre erstreckende Szenario sieht in der Region einen Temperaturanstieg um 3,8 Grad sowie einen Niederschlagsrückgang um 6 Prozent vor. Diese Klimaveränderungen würden die aktuelle Gleichgewichtslinie, die Grenze zwischen Akkumulations- und Ablationszone, die derzeit noch bei 3000 Metern liegt, deutlich anheben. Steigt diese Linie, geht der Gletscher weiter zurück. Bei diesem Szenario ergibt die Simulation, dass der Rhonegletscher bis 2060 50 Prozent seines Volumens verliert und bis etwa 2100 komplett verschwindet. "Es ist das erste Mal, dass eine Computersimulation für einen so langen Zeitraum erstellt wird und extrem komplexe Daten berücksichtigt", bemerkt der Lehr- und Forschungsbeauftragte Marco Picasso.
Obwohl der Mensch schon lange Messungen an den Alpengletschern vornimmt, verfügt er erst seit Kurzem über die Möglichkeit digitaler Simulationen. Die Mathematiker arbeiten an der Nachbildung eines verschwundenen Gletschers in Graubünden, um diese Methode zu bestätigen. Dort ermöglichen 10'000 Jahre alte Moränenreste die Bestimmung der damaligen Gleichgewichtslinie. Diese Forschungsarbeiten werden für alle am Zustand der Gletscher interessierten Gruppen von grossem Nutzen sein: vom Tourismus über die Stromerzeuger bis zur Landwirtschaft. Die Simulationsmodelle der ETH könnten übrigens auch für die Polarkappen verwendet werden.

Link zu diesem Artikel




Das könnte Sie auch interessieren