31.05.2007, 08:39 Uhr

Brennpunkt Bioinformatik

«Vital-IT» heisst das Schweizer Hochleistungs-Rechencenter für die Life Sciences - ein Gemeinschafts-unternehmen von Industriefirmen und universitären Einrichtungen. Der Hardwarepark umfasst drei Rechnercluster, deren Leistungsspitze mehr als zwei Teraflops beträgt. Ein Besuch.
Victor Jongeneel setzt höchste Rechenleistung am Vital-IT voraus.
Dem schlichten Betonbau auf dem Campusgelände der Universität von Lausanne ist kaum anzusehen, dass sein Inneres vor Hightech nur so strotzt. Und doch befindet sich hier, direkt am Ufer des Genfer Sees, das schweizerische El Dorado der Bioinformatik: Vital-IT, ein Joint-Venture der drei IT-Firmen Hewlett-Packard (HP), Intel und Oracle sowie der Universitäten Genf, Lausanne und Basel, der EPFL (Ecole Polytechnique Federale de Lausanne) und des Ludwig-Instituts für Krebsforschung.
«Vital-IT ist das Hochleistungs-Rechencenter für die Life Sciences der Schweiz», erläutert Victor Jongeneel, Direktor von Vital-IT. «Wir befassen uns hier mit Software-Entwicklung und -Optimierung, stellen Hochleistungs-Rechenkapazität für Biologie und Medizin zur Verfügung und beraten Institute, Organisationen sowie Industriefirmen aus dem Bereich der Life Sciences».

Beeindruckende Hardware

Der Hardwarepark von Vital-IT ist entsprechend eindrucksvoll: Er besteht aus drei Rechnerclustern, deren Leistungsspitze mehr als zwei Teraflops erreicht. Der erste Cluster besteht aus 12 Itanium-2-Prozessoren für Entwicklung und Tests. Der zweite Cluster ist aus 64 Itanium-2-, der dritte aus 64 Xeon-Doppelkern-Prozessoren aufgebaut. Die interne Verbindung zwischen den Clustern erfolgt über ein Voltaire-Infiniband-Hochgeschwindigkeits-Netzwerk mit hoher Bandbreite und tiefer Latenz. Dazu kommt ein Storage Area Network (SAN) mit mehr als 25 TByte Festplattenkapazität und zahlreichen Bandkassetten-Laufwerken für die Archivierung.
Das Rechencenter von Vital-IT ist insofern neuartig, als in der Serverinfrastruktur vermehrt auf Blades anstelle traditioneller Serverformate gesetzt wird. Grund: Blades nehmen weniger Platz im Rechenzentrum ein und erlauben zentrales Management.

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«Bladeserver sind sehr kosteneffizient, ermöglichen eine kompakte Verkabelung und sind viel überschaubarer in ihrer Verwaltung», erklärt Jongeneel seinen Entscheid für diesen Hardwaretyp.
Die ausgeklügelte IT-Infrastruktur von Vital-IT ermöglicht die Unterstützung höchst rechenintensiver Anwendungen der Bioinformatik und steht den dem Joint Venture angeschlossenen Pharmaunternehmen wie auch den Universitätsspitälern bei Forschungsarbeiten zur Seite. Allesamt Nutzer, die enorme Ansprüche an In- und Output - beispielsweise beim Screening von potenziellen Wirkstoffmolekülen sowie klinischen Erprobungen neuer Medikamente - stellen.

Höchste Ansprüche

Für die im Joint Venture engagierten IT-Firmen Hewlett-Packard (HP), Intel und Oracle bietet sich dabei die Möglichkeit, ihre Produkte in eine Life-Science-Computing-Umgebung einzubringen, die zur Welt-spitze zählt. Für die Vital-IT-Teilhaber aus dem akademischen Umfeld und den Life-Science-Industrien bedeutet Vital-IT, dass sie für ihren anspruchsvollen Anwendungsbereich jederzeit auf fortschrittlichste Hochleistungssysteme zugreifen können.
Der enorme Bedarf an Rechenleistung ergibt sich aus der Methodik der modernen Bioinformatik. Ziel der sogenannten Systembiologie ist die Simulation biologischer Systeme. Diese beginnt auf der atomaren Ebene und steigt über organische Moleküle zu ganzen Zellen und vollständigen Organismen auf. All diesen Simulationsverfahren ist gemein, dass sie extrem rechenintensiv sind.
Die Bioinformatik hat vor allem durch ihre Sequenzierung von Genen öffentliche Beachtung gefunden. Vor wenigen Jahren galt beispielsweise die Entschlüsselung des menschlichen Genoms noch als wissenschaftliche Höchstleistung. Heute sind solche Untersuchungen Routine.
Zur Simulation eines einzelnen Moleküls, beispielsweise der DNA oder eines Proteins, müssen Hunderte atomarer Bausteine anhand ihrer quantenmechanischen Eigenschaften einzeln simuliert werden. Aus der Wechselwirkung dieser atomaren Kräfte ergeben sich unter anderem die DNA-Spiralstruktur sowie die komplexe, vielfach gefaltete Bandform der Proteinmoleküle. Die erfolgreiche Simulation selbst einzelner organischer Moleküle war bis vor kurzem nur mit Supercomputern möglich.

Brennpunkt Bioinformatik

Vielfältige Aufgabenstellung

Die Cluster von Vital-IT indes ermöglichen sogar die Untersuchung des Zusammenwirkens mehrerer organischer Moleküle, wie sie unter anderem für die Wirkungsweise verschiedener Arzneien typisch sind.
Eine der Hauptaufgaben von Vital-IT ist zudem die Anpassung bestehender Bioinformatik-Software an moderne Prozessoren sowie die Neuentwicklung ganzer Programmpakete. Heute verfügt Vital-IT über eine wohl weltweit einzigartige Kompetenz in der Entwicklung und Optimierung von Bioinformatik-Anwendungen. Damit kann das Höchstmass an Rechenleistung der Vital -IT-Infrastruktur vollumfänglich genutzt werden.

Internationale Beachtung

Das Rechencenter arbeitet in erster Linie als Bioinformatik-Kompetenzzentrum seiner Trägerinstitutionen. Administrativ untersteht Vital-IT dem Schweizerischen Institut für Bioinformatik, das seinerseits der Universität Lausanne angeschlossen ist. Im Umfeld des sechsten Rahmenprogramms für Forschung der Europäischen Union bietet es kostenlosen Zugang zur integrierten «Computational Genomics Resource» für ausgewählte Projekte einzelner Forscher, Institute und Unternehmen aus der EU und assoziierten Ländern wie der Schweiz. Bis heute hat Vital-IT in mehr als 40 auch international beachteten Forschungsprojekten mitgewirkt.
Zur Person

Victor Jongeneel

Als Direktor von Vital-IT tätig, gehört Victor Jongeneel auch der Leitung des Schweizerischen Instituts für Bioinformatik an. Er studierte an der Universität Lausanne (UNIL) und an der Uni-versity of North Carolina. Er ist Professor für Medizin an der Universität Lausanne und Dozent an der EPFL und arbeitet seit 1986 auch in leitender Stellung am Ludwig Institut für Krebsforschung der UNIL.
Gregor Henger



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