Wilhelm Petersmann von Fujitsu: «Jetzt geht es an die Umsetzung»

Entwicklung der Cloud

CW: Wohin entwickelt sich die Cloud?
Petersmann: Cloud Computing ist kein Allheilmittel, substanzielle Probleme lassen sich nicht einfach outsourcen. Ich muss klar wissen, welche Lösungen ich mithilfe der Cloud flexibilisieren will, wo ich Skaleneffekte möchte und was das dann beispielsweise in Bezug auf Funktionalität, Compliance und Datensicherheit bedeutet. Wir beobachten, dass insbesondere kleine Unternehmen adäquate Partner im Fachhandel benötigen, die sie auf dem Weg in die Cloud begleiten. KMU brauchen Anbieter, die ihnen fle­xible Möglichkeiten bieten. Nun kann es beim Partner wiederum passieren, dass dieser feste Kosten hat, weil er sein Data Center ausbauen muss. Wir bieten unseren Channel-Partnern mit dem Enterprise Service Catalog Manager ein Tool, mit dem sie verschiedene Cloud-Angebote – von Amazon über Google bis hin zur Fujitsu K5 – orchestrieren und ihren Kunden anbieten können. Mit dem Konzept werden wir in den nächsten zwei bis drei Jahren eine stärkere Cloud-Durchdringung im KMU-Segment erleben.
CW: Laut der Swiss-IT-Studie sind Entscheider in den Fachabteilungen offener für ausländische Cloud-Angebote als ihre Kollegen in der IT. Was sagen Sie dazu?
Petersmann: Diesen Trend kann ich bestätigen. Ich möchte das aber nicht werten. Grundsätzlich ist es irrelevant, wo mein Data Center steht. Das kann in der Schweiz, in Polen oder UK sein. Die Leistungsmerkmale sind gleich, ebenso die Sicherheitsmerkmale. In Sachen Datenschutz sind wir alle gleichermassen gefordert und betroffen. Niemand darf sich zu sicher fühlen. Dieses Jahr wurde das Netzwerk des deutschen Bundestages gehackt. Letztes Jahr wurden der RUAG Daten entwendet.
CW: Erklärt das die steigende Nachfrage nach Managed-Security-Providern?
Petersmann: IT-Security ist einer unserer am stärksten wachsenden Bereiche. Das kommt ja nicht von ungefähr. Ein externer professioneller Anbieter setzt normalerweise bessere Security-Mechanismen ein als manche IT-Abteilung. Auch weil externe Dienstleister über genügend Personal verfügen, das sich damit auseinandersetzt. Wir wenden viele Ressourcen auf für No-Single-Point of Failure und High Availability. Das ist etwa für Kunden im Energiesektor wichtig, wo es neben Hochverfügbarkeit der IT auch auf die Sicherheit ankommt. Wir sind hier stärker aufgestellt, als es normale IT-Abteilungen üb­licherweise sein können.
CW: Mit welchen Zukunftsthemen beschäftigt sich Ihr Unternehmen momentan?
Petersmann: Ein Thema ist Quantencomputing. Am Mobile World Congress in Barcelona präsentierten wir unsere Digital-Annealer-Architektur (DAA). Diese ist zwar kein Quantencomputer, verwendet aber ein von Quantenphänomenen inspiriertes digitales Schaltungsdesign und ist dadurch extrem schnell.
CW: Wie muss man sich das vorstellen?
Petersmann: Nehmen wir das Beispiel kom­binatorischer Optimierungsprobleme wie «Das Problem des Handelsreisenden». Dabei wird die optimale Route für die Reisestrecke eines Vertreters über mehrere Orte gesucht – möglichst kurz, ohne mehrmals an der gleichen Stelle zu sein, Ausgangspunkt und Ziel müssen übereinstimmen. Klingt einfach. Wer aber seinen perfekten Reiseweg entlang der 15 grössten Städte Deutschlands sucht, muss sich folglich mit 43 589 145 600, also beinahe 45 Milliarden, Möglichkeiten auseinandersetzen. Damit ist das logistische Problem klar – mit mehr Stationen wächst es exponenziell. Fujitsu Laboratories hat den Fall mit 32 Stationen von einem System auf Intel-Xeon-E5-Basis (3,5-GHz-Taktfrequenz) und von einer DAA berechnen lassen. Das Intel-basierte System benötigte über zwei Stunden für die Lösung. DAA war nach 0,5 Sekunden fertig, also rund 16 000-mal schneller.
CW: Wie praxisnah ist diese Form eines «Quantencomputers»?
Petersmann: Ein praktisches Einsatzfeld von DAA ist tatsächlich das Optimieren von Wegen. Entsprechende Installationen können ermitteln, wie Waren, Werkstücke und Ersatzteile in Lagerhäusern und Fertigungsumgebungen so platziert werden, dass Mitarbeiter möglichst rasch Zugriff haben. Bei Tests in Werken von Fujitsu konnten die Transportwege dadurch um bis zu 45 Prozent gesenkt werden. Auch bei der Forschung in den Bereichen Chemie und Pharmazie leistet die DAA gute Dienste. Forscher suchen häufig nach Molekülen, die einander ähneln. Dadurch ist es beispielsweise möglich, neue Wirkstoffe für Medikamente zu entwickeln oder Behandlungen individuell auf einzelne Patienten zuzuschneiden. Mit der DAA geht das erheblich schneller als bisher. Eine Analyse von Kombinationen mit unterschiedlichen Aktien und Fonds erlaubt es wiederum, sich ein «ideales» Port­folio unter Berücksichtigung aller Risiken, Abhängigkeiten und Unterschiede rasch berechnen zu lassen. Auch die Verkehrs- und Stadtplanung sowie das Steuern bzw. Lenken von Waren- und Verkehrsströmen sind Einsatzfelder für die DAA.
CW: Wo sehen Sie das grösste Potenzial für Fujitsu am Schweizer Markt?
Petersmann: Das klassische Outsourcing-Geschäft nimmt ab, was in der Vergangenheit auch für uns ein Wachstumsmotor war. Es wird dennoch nach wie vor selektives Outsourcing geben. Das Zugpferd ist aber die Cloud. Es gibt heute nur wenige Anbieter, die tatsächlich Landschaften ohne Vendor-Lock-in anbieten. Hier fühlen wir uns sehr gut positioniert. Potenzial sehe ich auch in der Erschliessung von Hybrid Cloud Services sowie im Bereich Application Transformation. Es gibt noch immer viele Legacy-Appli­kationen in Schweizer Unternehmen, die man Cloud-ready machen oder ersetzen muss. Dies kann beispielsweise über Containerization geschehen. Hinzu kommt die Cyber-Security, wo wir eine steigende Nachfrage wahrnehmen.
CW: Wann wird die digitale Transformation abgeschlossen sein?
Petersmann: Niemals. Die digitale Transformation wird uns in den nächsten Jahren intensiv beschäftigen. Sie ist, wie damals die industrielle Revolution, eine rasante Entwicklung. Wir werden zukünftig immer neue Abläufe der Zusammenarbeit erleben, die durch Digitalisierung überhaupt erst ermöglicht werden.
Zur Person
Wilhelm Petersmann
leitet seit 2012 als Managing Director beim Technologieanbieter Fujitsu das Schweizer Business und seit 2016 zusätzlich das in Österreich. Vor seinem Wechsel zu Fujitsu arbeitete Petersmann beim Spezialisten für Datenanalytik SAS. Weitere Stationen seiner Karriere waren CSC, SAP und IBM. Der 59-Jährige spielt in seiner Freizeit gerne Golf und fährt Ski. Der Hobbykoch schätzt gute Weine zum Essen. Petersmann ist Vater zweier Söhne und lebt mit seiner Familie im Kanton Zürich.



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