«Wir wollen einen sanften Übergang»

«Wir wollen einen sanften Übergang»

CW: Für IBM war das PC-Business am Schluss ein Verlustgeschäft. Weshalb sollten die gleichen Produkte und Personen dies unter einem neuen Namen nun ändern können?
ROETTGER: Bei IBM war die PC-Abteilung Teil eines sehr grossen Portfolios, mit dem die Firma den Kunden End-to-End-Lösungen anbieten konnte. Heute führen wir nur PC-Produkte, und dieses Geschäftsfeld ist unsere Kernkompetenz. Das erlaubt es uns natürlich, viel fokussierter zu arbeiten und unsere Prozesse nur auf diese Produkte abzustimmen. Der zweite Vorteil liegt in der historischen Lenovo, also bei Lenovo China. Sie ist in manchen Bereichen wirklich Weltklasse. Und so wie der chinesische Teil von uns lernen kann, beispielsweise im Bereich der Innovationen und beim Grosskunden-Management, können wir bei der Integration der Supply-Chain dazulernen. Und das ist wahrscheinlich das zweitwichtigste Argument, dass wir in den jeweiligen Kompetenzbereichen das Know-how austauschen können. Dieses von Grund auf aufzubauen, wäre uns wahrscheinlich nicht gelungen, schon gar nicht im Rahmen von IBM.
CW: Was heisst denn das konkret? Einfach die Produktionskosten zu senken, um profitabler zu wirtschaften?
ROETTGER: Unsere Grösse ist sicher ein Vorteil bei Preisverhandlungen. Wir sind zusammen mit Lenovo China auf einen Schlag fast doppelt so gross geworden. Und das ist ein Argument, wenn wir mit unseren Sublieferanten verhandeln. Der zweite Aspekt ist, dass die Supply-Chain schlanker werden muss. Ein dritter Punkt sind die reinen Kosten, die in der kleinen Lenovo Schweiz tiefer liegen als bei der damaligen IBM-Abteilung. Und schliesslich wollen wir auch unseren Marktanteil markant erhöhen und damit den Umsatz steigern. So etwas hat es zu IBM-Zeiten nicht gegeben, warum auch? Das ist auch ein Teil der ganzen Gleichung, hinter der am Ende ein besseres Ergebnis stehen soll. Bereits das erste Quartal der Lenovo war profitabel, und wir sind weiter profitabel gewachsen. Und das war schon die neue Lenovo, mit meinen Leuten und meinen Kosten. Und deshalb wissen wir, dass das Rezept das richtige ist.
CW: Gemäss Weissbuch ist der Marktanteil von Lenovo in der Schweiz gesunken?
ROETTGER: Die Zahlen der Marktforscher zeigen, dass wir Anteile verloren haben. Ich nehme das aber extrem gelassen, aus verschiedenen Gründen. Einer ist, dass wir bei IBM IBM-Produkte für IBM-Kunden verkauft haben. Und alle Vergleiche basieren auf den verkauften Stückzahlen. Berücksichtigt sind darin alle Märkte, auch das Consumersegment. Wenn man bedenkt, dass sich die PC-Abteilung von IBM in den letzten Jahren nicht an Privatanwender gerichtet hat und dennoch der drittgrösste Hersteller weltweit war, ist das schon bemerkenswert. Und weil wir im letzten Jahr ja nur einen Teil des Marktes angesprochen haben, nehme ich diese Zahlen sehr gelassen.
CW: Kann es sich Lenovo leisten, nicht in den Consumermarkt einzusteigen? Ist das nicht ein Muss für eine PC-Herstellerin?
ROETTGER: Wenn es darum geht, Gewinn zu erwirtschaften, ist die Antwort nein. Wir haben entschieden, im Markt der Kleinbetriebe und im KMU-Umfeld wachsen zu wollen. Das wird unsere erste Etappe sein, in diesem Bereich kann man wachsen, weil dieser Markt derzeit noch mehr zulegt als das Consumersegment. Schon das Geschäftsmodell «Thinkpad plus Lenovo China» alleine würde funktionieren. Und das Geschäftsmodell «Thinkpad plus Lenovo 3000 plus China» wird auch funktionieren, das wissen wir. Und deswegen können wir es uns leisten, langsam, vorsichtig und überlegt vorzugehen.
CW: Wird Lenovo überhaupt als eigenständige Firma wahrgenommen? Auf der Website landet man beispielsweise mit wenigen Klicks bei IBM.
ROETTGER: Wir verfolgen auch da eine Philosophie der kleinen Schritte. Die Konsolidierungsphase hat bedeutet, dass wir auf unsere bestehenden Kunden eingehen mussten und keine unüberlegten Änderungen vornehmen durften. So war beispielsweise auf jedem Inserat, das wir im letzten Jahr geschaltet haben, das Lenovo-Logo nur ganz klein abgebildet. Wir haben hauptsächlich über die Marken Thinkpad und Thinkcentre kommuniziert, weil wir den Übergang sanft vollziehen wollten. Es gab ja schon genug Geschichten über «chinesisches Unternehmen» usw.Das eigenständige Lenovo-Branding haben wir eigentlich an den Olympischen Spielen mit der Ankündigung der 3000er-Linie eingeläutet. Auf diesen Produkten steht nirgends mehr «IBM», sondern nur noch Lenovo. Als Weltmarke wird der Name bekannt werden, das kann ich garantieren. Aber auch das geht in kleinen, dafür richtigen Schritten vor sich. Wir wollen, dass die Leute Lenovo mit innovativen Produkten verbinden und nicht mit einer chinesischen Billigmarke. Dem ist ja auch nicht so. Das wird alles kommen, aber wir haben es nicht eilig. Wir können uns den Luxus leisten, es nicht eilig zu haben.
CW: Sind deshalb in nächster Zeit auch Änderungen bei den Vertriebskanälen zu erwarten?
ROETTGER: Nein, wir werden an unserer Channel-Strategie keine wesentlichen Anpassungen vornehmen, sondern nur versuchen, neue Businesspartner zu gewinnen. Hierzu haben wir vor einem Monat auch das Lenovo-Partner-Network angekündigt.
CW: Was kann man von Lenovo in den nächsten zwölf Monaten erwarten?
ROETTGER: Dass der Name bekannter wird, und natürlich werden wir unser Produkte-Portfolio erweitern. Aber die Haupttendenz wird nicht dahin gehen, noch mehr neue Märkte zu erschliessen. Mit den Lenovo 3000 fangen wir bei den ganz kleinen Firmen an, und mit den Thinkpads gehen wir zu den weltweit grössten Unternehmen. Das ist ein Markt, der gross genug ist, um sich darin zu tummeln, Erfolg zu haben und zu wachsen.
CW: Sie wirken sehr zufrieden mit dem bisherigen Verlauf der neuen Lenovo.
ROETTGER: Ja, vor allem wenn man sieht, was es bedeutet, eine Abteilung wie die PC-Division aus IBM innert sechs Monaten komplett herauszureissen. Es gab ja schon einige Fusionen in der Informatikgeschichte, die nicht planmässig verlaufen sind. Bei uns hat es in jedem Bereich so funktioniert, wie wir das geplant hatten. Und darauf sind wir schon stolz.
Kurzinterview
"Wir haben gute Erfahrungen gemacht"
Lonza ist ein in den Life-Sciences tätiges Chemie- und Biotechnologie-Unternehmen mit Sitz in der Schweiz und insgesamt 22 Standorten weltweit. Im Mobilbereich setzt das Unternehmen seit längerem Thinkpads ein. Nun hat Lonza auch die Desktops durch Lenovo-Rechner ersetzt. Im Interview erläutert CIO Philipp Jentsch die Gründe dafür.
CW:Was gab den Ausschlag für Lenovo?
JENTSCH: Wir haben auf die Qualität geschaut. Da hatten wir mit den IBM-Notebooks gute Erfahrungen gemacht. Natürlich musste auch der Preis stimmen, und da war Lenovo überraschenderweise durchaus konkurrenzfähig. Positiv ist uns aufgefallen, wie speditiv die Evaluation bearbeitet wurde. Und wichtig für uns als weltweit tätiges Unternehmen war, dass die Desktops direkt an die jeweiligen Standorte geliefert wurden. Die Erfahrungen beim Rollout waren durchaus positiv.
CW: Besteht für Sie ein grosser Unterschied zwischen der heutigen Lenovo und dem früheren PC-Geschäft von IBM?
JENTSCH: Für uns hat sich eigentlich nichts verändert. Auf den Notebooks steht auch immer noch IBM. Ich sehe da keinen grossen Unterschied, auch vom Handling und der Zusammenarbeit her.
CW: Also auch keine Veränderung im negativen Sinn?
JENTSCH: Überhaupt nicht. Wir nehmen Lenovo als dynamische und kundenorientierte Firma wahr. Und die Qualität der Produkte stimmt.
Andreas Heer



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