Computerworld vor 30 Jahren 26.04.2019, 10:03 Uhr

Als das Kursbuch, die 111 und das Banking digital wurden

Das SBB-Kursbuch, die PTT-Telefonauskunft und diverse Banking-Systeme waren grosse IT-Projekte des Jahres 1989. Daneben berichtete Computerworld über die Stagnation in Bundesbern.
Der Computerfahrplan «Finajour» ersparte Reisenden den Gang zum Bahnhof
(Quelle: Computerworld)
Damals wie heute haben die Marktforscher von IDC ein besonderes Auge auf die EDV-Ausgaben von Schweizer Anwenderunternehmen. Waren es 1989 noch knapp 6,2 Milliarden Franken, sind es mittlerweile gut 20 Milliarden. Ein Grund: In Netzwerke wurden vor 30 Jahren nur 0,1 Prozent der Gesamtausgaben investiert – rund 60 Millionen Franken. Allein für die neuen 5G-Frequenzen nahmen die drei Mobilfunknetzbetreiber diesen Februar zusammen fast 380 Millionen Franken in die Hand – wenn auch für eine Laufzeit von 15 Jahren. Dennoch: Die Aus­gaben für die Infrastruktur der nächsten Mobilfunk­generation dürften ähnliche Dimensionen erreichen.
PCs standen 1989 noch längst nicht an jedem Arbeitsplatz. Vielmehr wurden etwas mehr als 100'000 Personalcomputer pro Jahr neu installiert, ermittelte IDC für Computerworld. In die Hardware und ihre Wartung flossen damals noch ca. 55 Prozent der Gesamtinvestitionen. Die übrigen Mittel wurden für IT-Dienstleistungen und Software aufgewendet. Heute hat sich das Verhältnis längst um­gekehrt – zugunsten von Services und Programmen. Dass diese Entwicklung nicht schon früher eingesetzt hat, führen Computerworld und IDC auf den «schlafenden Riesen» zurück: Schon Ende der 1980er hätte sich die Schweizer Wirtschaft mehr Informatik leisten können. Gemessen am Brutto­inlandsprodukt lagen die Ausgaben zwar europaweit an der Spitze, aber nur marginal vor Grossbritannien und Frankreich – zwei Länder mit starkem Rüstungssektor und entsprechenden Investitionsvolumen in die Hochtechnologien.

Fahrplan und Telefonbuch

1989 beschäftigten zwei elektronische Verzeichnisse die Schweizer Informatikszene: der SBB-Fahrplan und das Tele­fonbuch. Beides lag den Konsumenten bis dahin ausschliesslich als Druckwerk vor. Die SBB hatten mit der Druckerei Stämpfli noch bis 1992 einen Vertrag für das Kursbuch und es entsprechend mit der Ablösung nicht sonderlich eilig. Nebenbei: Es sollte die Print-Ausgabe noch fast drei Jahrzehnte geben. Der Druck wurde erst im vergangenen Jahr eingestellt.
Das Start-up Finajour hatte 1989 eine elektronische Fahrplanauskunft für MS-DOS entwickelt. Da Verkaufs­gespräche mit dem Medienkonzern Ringier, den PTT und den SBB an den rechtlichen Rahmenbedingungen und den unterschiedlichen Preisvorstellungen scheiterten, veröffent­lichten die Programmierer den Computerfahrplan kurzerhand selbst. Für 100 Franken war ab Mai 1989 das Fahrplanstudium am heimischen PC möglich.
Nur für einen «elitären» Kreis von 300 Abonnenten war das «elektronische Telefonbuch» (ETB) zugänglich. Der einfache Grund: Die ETB-Datenbank gestattete lediglich 300 Zugriffe gleichzeitig. Um die Kapazität zu erhöhen, kauften die PTT im Juli 1989 kurzerhand einen zusätzlichen Amdahl-Mainframe vom Typ 5890-390E. Die brandneue Maschine zum Listenpreis von rund 7 Millionen US-Dollar (damals gut 10 Millionen Franken) besass zwei Prozes­soren und 512 Megabyte Arbeitsspeicher. Die Rechnerleistung von auf dem Papier 42 MIPS (Million Instructions Per Second) sollte helfen, das elektronische Telefonbuch mehr Konsumenten zugänglich zu machen. So sollte das ursprüngliche Ziel, die Telefonnummernauskunft 111 zu entlasten, erreicht werden. Die 111 verzeichnete jährlich 70 Millionen Anrufe, was zu endlosen Warteschleifen führte.
Die limitierten Kapazitäten des ETBs hatten Ende der 1980er auch findige private Anbieter auf den Plan gerufen. Das ETB-Konkurrenzprodukt «TwixTel» hatte laut Roland Reichlin vom Herausgeber Twix Equipment dafür gesorgt, dass die Schweiz eines der Länder mit der grössten Verbreitung von CD-ROM-Laufwerken war. Der Verkauf der Laufwerke wurde durch die Anwendung «Telefonbuch» getrieben. Dennoch war die Marktdurchdringung nicht gross genug, um «TwixTel» zu einem echten Verkaufsschlager zu machen.



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