02.03.2006, 18:21 Uhr

Datenschürfend zur Entscheidung

Mit Data-Mining-Tools gewinnen Einzelhändler eine detaillierte Sicht auf ihre Geschäftssituation. Die Ergebnisse liefern eine bessere Entscheidungsgrundlage für das strategische und operative Management, das Marketing und das Controlling.
Schweizer Detailhändler stehen vor der Herausforderung, auf den steigenden Wettbewerbsdruck, auf neue Konkurrenten und die sinkende Loyalität der Kunden zu reagieren. Um Umsätze und Rentabilität zu erhöhen, müssen Verkaufsmassnahmen gezielter auf die Kunden ausgerichtet werden. Entsprechende Analysen der Daten über Kunden und deren Einkaufsverhalten helfen bei der Entscheidungsfindung bezüglich der notwendigen Massnahmen.
Grundsätzlich verfügt der Detailhandel heute über sämtliche Daten aus den Abverkaufssystemen. Dank sinkender Preise für elektronische Speichermedien und die steigende Leistungsfähigkeit der Informationstechnologie ist es möglich, Daten bis auf Bon-Ebene detailliert vorzuhalten. Die so gespeicherten Daten sind eine wertvolle Unternehmensressource, denn sie enthalten, in der richtigen Art und Weise betrachtet, äusserst wichtige Informationen über die Kunden, deren Verhalten, die eigene Sortimentsgestaltung, Produktassoziationen und vieles mehr.

Olap am Limit

Etablierte Olap-Tools (Online Analytical Processing) bringen durchaus interessante Informationen aus dem Data Warehouse hervor. Dazu werden so genannte multidimensionale Data Marts - Auszüge aus dem Data Warehouse - aufgebaut. Olap-Analysen zählen zu den hypothesengestützten Auswertungen, was eine ex ante vorhandene Kenntnis über das Ziel der Analyse, respektive die Ergebnismenge voraussetzt. Darunter sind zum Beispiel die Bestimmung von Umsatz und Gewinn nach Kunden, Kundengruppen, Vertriebseinheiten, Regionen, Produkten oder Zeiträumen zu verstehen. Bei aufwändigeren Auswertungen und steigendem Datenumfang stellt die Erfordernis von Hypothesen die Schwachstelle der Olap-Analysen dar.
Für Analysen, die hypothesenfrei ablaufen sollen, bedarf es so genannter Data-Mining-Tools. Diese arbeiten mit intelligenten Algorithmen und finden Zusammenhänge in den Datenbeständen, ohne dass diese vorher bestimmt wurden. Es können beispielsweise Einkaufsmuster, Verbundbeziehungen, Segmente und Klassifikationen der Kunden erkannt werden. Mit modernen Data Mining Tools gewinnen Detailhändler eine detaillierte Sicht auf ihre Geschäftssituation. Die Ergebnisse liefern eine bessere Entscheidungsgrundlage für das strategische und operative Management, das Marketing sowie das Controlling.
Data-Mining-Projekte benötigen klar definierte betriebswirtschaftliche Fragestellungen, die mit dem Management entwickelt werden müssen. Beispielsweise:
Welche Artikel des Sortimentes werden gemeinsam abverkauft (Assoziationsanalyse)?
Mit welchen Artikeln kann die nächste Aktion gestaltet werden?
Zu welchen Zeitpunkten werden welche Warengruppen und welche Artikelkombinationen bevorzugt gekauft (Segmentierung)?
Welche umsatzneutralen Produkte können aus dem Sortiment entfernt werden, ohne umsatzrelevante, mit dem Produkt assoziierte Produkte im Abverkauf zu schwächen (Sortimentsstraffung)?

Datenauswahl und -aufbereitung

Abverkaufsdaten vom POS bilden die Basis der Analysen. Als Datenquellen dienen das vorhandene Data Warehouse, ein entsprechend erzeugter Data Mart, oder auch ein Flatfile der Abverkaufsdaten direkt von den Kassensystemen. Die Aufbereitung der Daten bindet im Gesamtprozess der Analyse die meisten Ressourcen.

Datenschürfend zur Entscheidung

Unter Berücksichtigung des Datenschutzes können auch weitere Daten, wie etwa Kundenstammdaten einbezogen werden. Ohne personalisierte Kundendaten ist es nicht möglich, das Einkaufsverhalten bestimmter Kunden oder Kundengruppen über einen bestimmten Zeitraum zu verfolgen. Alternativ können mittels aller am Abverkauf erfassten anonymen Bon-Daten kontinuierliche Auswertungen erzeugt und verglichen werden. Damit ist es möglich, Trends im Einkaufsverhalten frühzeitig zu erkennen.
In der Phase der Konsolidierung der BonDaten werden unter anderem die Granularität, die Konsistenz und die Qualität der verschiedenen als relevant identifizierten Attribute der Bon-Daten bearbeitet. Um frühzeitig Datenqualitätsprobleme zu erkennen, werden gleichzeitig beispielsweise Extremwertuntersuchungen und klassische OLAP Analysen durchgeführt. Dadurch kann erkannt werden, ob eine Verwendung der Daten für die Analyse möglich ist, oder ob beispielsweise eine ungünstige Verteilung der Merkmalsausprägungen die Identifikation von handlungsrelevanten Informationen aus den Daten beeinträchtigt.
Zu beachten ist, dass fehlende Merkmale auch als relevante Information verstanden werden können. Kann ein benötigtes oder zur Interpretation der Ergebnisse hilfreiches Merkmal aus anderen Merkmalen errechnet werden (etwa der Umsatzanteil an einer Warengruppe), so wird dieses den Eingabewerten als Attribut hinzugefügt. Weitere Merkmale, die zu den Käufern erhoben werden, können den Abverkaufsdaten als «virtuelle Artikel» hinzugefügt werden. Darunter sind beispielsweise die Postleitzahl oder das Alter des Kunden zu verstehen. Verknüpfungen mit externen Martforschungsdaten, beispielsweise über gebietsbezogene demographische Verteilungen und Besonderheiten, sind ebenfalls möglich.

Auswahl und Anwendung

Die Ergebnisse aus dem Data Mining sind vielfältig, hier nur einige Beispiele: Aus den Bon-Daten wird mit Hilfe der Assoziationsanalyse erkannt, dass Kunden, die Grusskarten kaufen, in 60 Prozent aller Fälle auch Kosmetikartikel kaufen. Sequentielle Muster aus personalisierten Bon-Daten zeigen auf, dass Kunden, die einen Computer kaufen, in 70 Prozent aller Fälle bei späteren Einkäufen eine bestimmte Software oder zusätzliche Hardware kaufen. Mittels Klassifikationsalgorithmen können aus einer Kundendatenbank die Faktoren ermittelt werden, durch die eine Retoure verursacht wurde. Damit lässt sich ein Modell erstellen, mit welchem man Vorhersagen unterstützen kann, welche weiteren Kunden in Zukunft ihre Waren retournieren lassen könnten. Mit Hilfe des demographischen Clustering können aus Bon-Daten unterschiedliche Einkäufertypen erkannt werden. Es zeigt sich beispielsweise, dass bestimmte Sortimente zusammen, in unterschiedlichen Mengen charakteristisch zu verschiedenen Tageszeiten gekauft werden. Aus Einzelhandelsstatistikdaten kann zusätzlich die Abhängigkeit und Veränderung des Verkaufsumsatzes in Bezug auf andere Einzelhandelsdaten ermittelt werden. So wird es möglich, den Verkaufsumsatz für einen neuen Kunden vorherzusagen.

Integration

Zur optimalen Integration der Data-Mining- Lösung als Bestandteil des Management Information Systems, zur Unterstützung des Controllings, des Marketings oder des Category Managements, können solche Tools an die Prozesse des Unternehmens angebunden werden. Dadurch kann eine zeit- oder ereignisgesteuerte Verarbeitung der Data-Mining-Analysen realisiert werden. Mit minimalem Aufwand in der Parametrisierung lassen sich per Knopfdruck diese Auswertungen erstellen.
Die Ergebnisse der Data-Mining-Analysen können grossen Nutzen für den Einzelhändler bringen und die Entscheidungsfindung beeinflussen. Zielgruppen können genauer bestimmt und erkannt werden. Die Möglichkeit der Erstellung von Verhaltensmodellen verschiedener Kundengruppen, das Erkennen der Kaufmotivationen sind weitere Faktoren, die sich positiv auf die Massnahmengestaltung zur Kundenbindung auswirken. Damit lassen sich Planung und Kontrolle von Marketing-, Produkt-, und Kommunikationsstrategien verbessern. Marketingmassnahmen können genau auf ein Segment und sogar One-to-One ausgerichtet werden.
Stefan Kremtz



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