Zusammenarbeit - neue Wege mit AR und VR

Die Technologie ist reif genug

XR-Expo 2019: Besucher testen auf der Fachmesse in Stuttgart eine virtuelle Umgebung von IMSYS.
Quelle: IMSYS
Auch wenn die verstärkte Beschäftigung der Unternehmen mit dem Thema XR-basierte Zusammenarbeit teilweise eher aus der Not geboren als gezielt geplant wurde, bieten die aktuellen technologischen Entwicklungen gerade im Bereich virtuelle Collaboration heute mehr denn je enorme Möglichkeiten.
«Eine Reihe technologischer Trends wie 5G, KI, Sensorik zur Erfassung der Teilnehmer - Blick, Gestik und Mimik - spielen diesem Trend in die Karten», bestätigt VDC-Leiter Christoph Runde. So wird neben immer anspruchsvolleren XR-Controllern, die das Tracking und Übersetzen von Handbewegungen mit wenig oder überhaupt keiner Zeitverzögerung ermöglichen, zunehmend an den ausgefeilten Gesten­erkennungs- und Hand-Tracking-Systemen durch die in Datenbrillen eingebauten Kameras gearbeitet.
Auch die sogenannten Datenhandschuhe, die ein haptisches Feedback geben können, stellen eine vielversprechende Lösung dar. «Die Tatsache, dass man seine eigenen Hände sehen kann, lassen reale und virtuelle Welten mitei­nander verschmelzen», betont Thomas Unterluggauer von Kia.
Nicht zu unterschätzen sind darüber hinaus die immer vielfältigeren Mög­lichkeiten zum Erstellen von Avataren. Diese ermöglichen es, die Kommunikation auch auf der nonverbalen Ebene - etwas, was bei einer Videokonferenz kaum vorhanden ist - bis zu einem gewissen Grad zu unterstützen. Die modernen Avatartypen reichen von unpersönlichen Animationen bis hin zu Ganzkörperavataren, für die als Basis die Fotos der echten Nutzer verwendet werden.
Auch die Head-mounted Displays (HMDs), die das Kernelement des Equipments für die Arbeit in den verteilten Umgebungen bilden, sind inzwischen deutlich leichter und komfortabler, gleichzeitig aber leistungsstärker geworden, um sehr realistische Erfahrungen in einer virtuellen Umgebung zu erzeugen. 
Diese Kombination der technologischen Entwicklungen führt zu einer breiteren Akzeptanz der neuen Art der Zusammenarbeit. «Wir haben sehr lange auf die Implementierung einer Collaboration-Möglichkeit in VR gewartet», sagt Thomas Unterluggauer. «Umso überraschender war dann der erste Einsatz und die Erkenntnis, wie intuitiv und selbstverständlich eine Collaboration funktioniert.»

Fazit & Ausblick

Zwar war der Einsatz von XR-Technologien zur Unterstützung der Zusammenarbeit auch vor der Corona-Pandemie schon ein viel diskutiertes Thema, doch hat das Jahr 2020 die Umsetzung zweifelsohne stark beschleunigt. «In jedem realen Raum ermöglichen XR-Technologien heute, bewegte Maschinen im 1:1-Format zu sehen, zu analysieren und ortsunabhängig mit Kollegen zu besprechen», unterstreicht die IMSYS-Expertin Evelyn Weinert.
Produktdesign, Fabrikeinrichtung und Remote-Support sind dabei nur einige der Anwendungsfelder, in denen der Einsatz von VR und AR die Zusammenarbeit über räumliche Distanzen hinweg wirksam unterstützen kann. Aus der Sicht von Christoph Runde sind die XR-Technologien grundsätzlich dann sinnvoll einsetzbar, wenn komplexe, räumlich-geometrische Aufgaben vorliegen, die von mehreren Standorten aus gemeinsam bearbeitet werden sollen. Demnach kämen die unterschiedlichsten Bereiche infrage: «Relevante 3D-Aufgabenstellungen finden wir sicher in den Branchen Fahrzeug-, Maschinen- und Anlagenbau, im Bauwesen, in der Medizin und in der Bildung», so die Einschätzung des VDC-Experten, «aber auch Elektrotechnik, Textil, Bergbau, Handel und Handwerk bieten interessante Optionen.»
Selbstverständlich ist eine XR-basierte Zusammenarbeit kein vollständiger Ersatz für die persönliche Interaktion. «Was wirklich bei XR wie auch bei regulären Videokonferenzen fehlt, ist das Miteinander, das Teambuilding, wenn man wirklich vor Ort ist», betont Jörg Schmitt von Nestlé. 
Doch wenn es um reine Kompetenzentwicklung und Wissensvermittlung geht, dann kann die XR-basierte Kommunikation ähnlich effektiv sein wie ein persönliches Gespräch. So lautete das Ergebnis einer 2018 veröffentlichten Studie des  Instituts für Psychologie der Universität Greifswald, bei der die Messung der Kommunikationsqualität über Distanzen hinweg unter dem Einsatz von Datenbrillen im Mittelpunkt stand. «Für uns ist klar, dass wir diese und andere Technologien auch in Zukunft vermehrt einsetzen werden. Das macht geschäftlich und auch für die Umwelt Sinn», unterstreicht Schmitt.
Eines ist sicher: Wie stehen erst am Anfang der dynamischen Entwicklung von Technologien, deren Potenzial wir gerade zu entdecken beginnen. Christoph Runde bringt es auf den Punkt: «Wir müssen darauf achten, nachhaltige Verwendungen in der Industrie zu implementieren und nach der Pandemie nicht einfach in vor-pandemische Denkmuster zurückzufallen.»



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