Schweiz-Chef von ServiceNow 29.11.2021, 06:22 Uhr

«Kunden sehen uns als Digitalisierungs-Plattform»

Die Automatisierung von IT-Prozessen war der Grundgedanke von ServiceNow. Die Plattform wird für viel mehr als nur das IT-Management genutzt, sagt Schweiz-Chef Alain Badoux.
Alain Badoux führt seit bald sechs Jahren die Geschäfte von ServiceNow in der Schweiz
(Quelle: ServiceNow)
Digitalisierung ist das bestimmende Thema des letzten Jahrzehnts. Neue, rein digitale Plattformen haben den etablierten Firmen aufgezeigt, wie heute und in Zukunft die Kunden bedient werden können – und müssen. Mit der Plattform von ServiceNow können auch traditionelle Firmen ihre Prozesse ins digitale Zeitalter transformieren, sagt Alain Badoux. Der Schweiz-Chef von ServiceNow berichtet auch, dass Schweizer Kunden die Plattform besonders eifrig nutzen.
Computerworld: Welche Bedeutung hat der Schweizer Markt für ServiceNow?
Alain Badoux: Der Schweizer Markt ist durch seine Vorreiterrolle bei Innovationen und als einer der Hubs der Technologie- Industrie- und Finanzbranche in Europa äusserst wichtig und attraktiv für ServiceNow. Wir haben seit 2011 einen exzellenten Kundenstamm in der Schweiz aufgebaut und gewinnen fast wöchentlich neue Kunden. Seit 2013 betreibt ServiceNow als eines der ersten amerikanischen Unternehmen zwei gespiegelte Rechenzentren in der Schweiz, in Genf und Zürich.
Die Nachfrage nach unseren digitalen Workflows, welche den «New Way of Work» vereinfachen sowie transparenter machen, ist auch mit der Digitalisierung und der Pandemie stark gewachsen. In Zeiten von neuen Arbeitsmodellen mit Home Office und dem hybriden Arbeiten mit Schutzkonzepten braucht es die richtige Software, um Geschäftsprozesse schnell zu digitalisieren und so die Arbeit einfacher, effizienter und abteilungsübergreifend zu gestalten. Dafür setzen immer mehr Unternehmen – auch in der Schweiz – auf unsere Cloud-basierte Plattform.
CW: Warum haben Sie damals die Rechenzentren in der Schweiz eröffnet?
Badoux: Der Grund für die zwei Rechenzentren waren Kunden aus dem Finanzdienstleistungssektor, die mit dieser Forderung an uns herangetreten sind. Sie bestanden auf der Datenverarbeitung in der Schweiz. Unser Gründer und damaliger CEO Fred Luddy hatte den Mut, sich auf die Forderung einzulassen, denn es war vor fast zehn Jahren auch noch ein grosses Investment für ein junges Unternehmen wie ServiceNow. Luddy erkannte jedoch das grosse Potenzial des Schweizer Marktes, was sich im Nachhinein als richtig herausstellen sollte.
CW: Wählen Schweizer Kunden heute eher ServiceNow wegen der lokalen Kapazitäten?
Badoux: Ein gewisser Kundenkreis ist tatsächlich sehr wählerisch bei einem Cloud-Anbieter. Lokale Rechenzentren mit Datenverarbeitung innerhalb der Landesgrenzen sind überzeugende Argumente für Banken, Versicherungen, die öffentlichen Verwaltungen von Gemeinden und Kantonen sowie den Gesundheitssektor. Allerdings gibt es auch hier Unterschiede, wie die einzelnen Kunden die Datenverarbeitung intern hinsichtlich Compliance und Recht bewerten. So gibt es in allen Branchen auch Beispiele, die aus der EU Cloud-Dienste von ServiceNow beziehen.
Zur Person
Alain Badoux
amtet seit bald sechs Jahren als Schweiz-Verantwortlicher von ServiceNow. Seit Januar 2019 führt er ausserdem als Area Vice President die Geschäfte in Österreich und der Region Zentrales Osteuropa. Zuvor war er während rund 20 Jahren in verschiedenen Führungspositionen bei Technologie-Unternehmen tätig, darunter Software AG, Oracle und Hyperion Solutions.

CKW bildet Geschäftsprozesse ab

CW: Mit welchen Anforderungen kommen die Kunden auf Sie und Ihre Partner zu?
Badoux: Unsere Kunden und daher natürlich auch unsere Partner fragen vermehrt nach Mitarbeiter-Experience und vor allem auch nach Kunden-Experience. Hinzu kommt die generelle Frage, wie wir die Digitalisierung eines Unternehmens effizient unterstützen können. Wir zeigen ihnen die unterschiedlichen Bedürfnisse auf und erklären, dass es nicht mehr nur IT Service Management, sondern vielmehr auch um unterschiedlichste Bereiche wie HR- und Kundenservicemanagement (CSM), Mitarbeiter-Experience, Shared Services und Risk- und Security Management, sowie Financial-, Life Science- und Manufacturing-Services geht.
CW: Können Sie ein Kunden-Projekt nennen, in dem Sie eine bemerkenswerte Lösung mit Ihrer Technologie realisiert haben?
Badoux: Bemerkenswert finde ich vor allem, dass wir Kunden aus allen Industrien haben, ob es nun Banken, Versicherungen, Pharma-Unternehmen oder verarbeitende Betriebe sind. Oder aber auch Universitäten, Kantone und Städte.
Alain Badoux liefert schon heute mehr als IT-Service-Management
Quelle: ServiceNow
Ein interessantes Beispiel kann ich aus dem Energiesektor nennen: Die Centralschweizerischen Kraftwerke (CKW) suchten nach einer Lösung, mit der ihre Mitarbeiter die Kundenanfragen nicht länger manuell und in mehreren, voneinander isolierten Systemen bearbeiten müssen. Heute automatisiert die Now Platform rund 75 Prozent der Geschäftsprozesse und in einem hochintegrierten, anwenderfreundliches Kundenportal für sowohl interne als auch externe Nutzer. CKW setzt auf unsere Hilfe für die Automatisierung ihrer vielfältigen Prozesse und verbessert so den Service für ihre Kunden.
Ich könnte noch etliche weitere Beispiele aufzählen. Aber speziell bemerkenswert finde ich, dass wir bei einem namhaften Konsumgüterunternehmen kürzlich ein Projekt im Kern der Produktion gewonnen haben. Anstatt einer fixfertigen Branchenlösung wurde ServiceNow gewählt, um den operativen Betrieb und die Performance der Systeme sicherzustellen, schnell Probleme zu beheben und damit die Produktion zu optimieren. Gleichzeitig haben die Mitarbeiter jederzeit Visibilität über die Sicherheit und Verfügbarkeit der Systeme.
Andere interessante Schweizer Kundenreferenzen sind: Baloise, CERN, EPFL, Stadt Genf, Swarovski und viele mehr.
CW: Mit der Abbildung von (Kern-)Geschäftsprozessen in ServiceNow laufen Kunden die Gefahr eines Lock-ins. Wie nehmen Sie ihnen die Angst?
Badoux: Unsere Kunden sind durchaus in der Lage, die Vorteile von ServiceNow richtig zu beurteilen und entsprechend den von Ihnen angesprochenen Lock-in abzuwägen. Die meisten Kunden entscheiden sich heute für drei bis fünf grosse Software-Plattformen, und da diese sich teilweise funktional überlappen, spielt der Markt da automatisch.
CW: Beim IT-Service-Management gilt der Schweizer Markt als gesättigt. Gibt es in Ihrem Kerngeschäft noch Wachstumsopportunitäten?
Badoux: Der Markt ist eigentlich noch nicht gesättigt, wir haben immer noch viele Neu-Projekte in diesem Bereich und speziell im General Business, sprich bei Kunden mit Mitarbeiterzahlen bis zu 10'000. Hier herrscht eine weiterhin eine hohe Nachfrage. Teilweise lösen wir hier allerdings auch andere ITSM-Lösungen ab.
CW: BMC ist laut den Marktforschern der grösste Wettbewerber in Ihrem Kerngeschäft.
Badoux: Dies mag im IT-Service-Management bei gewissen Projekten so sein, aber wir fokussieren mit unseren Lösungen respektive der ganzen Plattform auf einen breiten Einsatz. So stehen wir durchaus auch mit anderen Software-Anbietern in Konkurrenz.
Unser CEO Bill McDermott hat hierzu ein treffendes Statement abgegeben, als er sagte: «We don't need anyone to loose for us to win.» Unsere Plattform lässt sich mit allen Fachanwendungen verknüpfen, so dass die Kunden ihre Systeme und Workflows nahtlos optimieren oder sogar automatisieren können.
CW: ServiceNow möchte mehr als nur IT-Support sein. Welche anderen Anwendungen haben Sie im Sinn?
Badoux: Wie bereits angedeutet, werden wir immer mehr als Digitalisierungs-Plattform wahrgenommen, um sowohl IT-Workflows, wie auch Workflows im Bereich HR oder auch Kunden-Workflows abzubilden. Das beinhaltet Lösungen für die Kunden-Experience, beispielsweise das Beschwerde-Management oder auch der Mitarbeiter-Experience für das On-Boarding, die Transition oder auch des Off-Boardings, sprich, den gesamten Mitarbeiter-Lifecycle in einem Unternehmen. Viele dieser Prozesse involvieren verschiedene Kern-Systeme in der IT, im CRM oder HR. ServiceNow ist dann für den End-to-End-Workflow zuständig.

Home Office als (neue) Realität

CW: Wie ist ServiceNow in der Schweiz aufgestellt und wie wollen Sie die Firma weiter entwickeln?
Badoux: Unsere Organisation, die in 2021 zehn Jahre in der Schweiz ist, zählt unterdessen über 70 Mitarbeiter, die in der gesamten Schweiz verteilt sind. Einige der Angestellten arbeiten in Basel, andere in Lausanne und weitere in Zürich. Pro Quartal gibt es ein «All Hands Meeting», an dem sich früher sämtliche Kollegen getroffen haben – sei es nun physisch oder virtuell. In der aktuellen Situation ist das Treffen rein virtuell, wobei es in der Organisation doch einige Stimmen gibt, die sich auch wieder persönliche Treffen wünschen. Mit der Rückkehr ins Büro in diesen Wochen werden dann die Treffen auch wieder vor Ort stattfinden.
Im Vergleich mit anderen US-amerikanischen Unternehmen hatte und hat ServiceNow in jeder Landesorganisation die Entscheidungshoheit über die Rückkehr ins Büro, jedoch unter Kontrolle von Global. Auch haben wir die lokal unterschiedlichen Begebenheiten berücksichtigt. In der Schweiz gab es schon vor der Pandemie die Option auf Home Office. Wenn ein Consultant morgens einen Kunden besucht hat, musste er natürlich nicht 200 Kilometer in eines der Büros fahren, um dort den Rest des Tages zu arbeiten. Dann konnte er durchaus im Home Office oder in einem der Shared Spaces seinen Job erledigen. Damit aber auch der durchaus wertvolle Austausch im Büro stattfinden kann, müssen wir jetzt eine neue Regelung finden.
CW: Welche Pläne haben Sie für die Zukunft von ServiceNow?
Badoux: Unsere Pläne mit digitalen Workflows betreffen fast alle Bereiche in einem Unternehmen – insbesondere die Kunden und Mitarbeiter. Wir bieten vermehrt Industrie-Lösungen für beispielsweise Banken, Versicherungen, Telcos oder auch Manufacturing an. Dabei stehen Cloud-Plattformen im Mittelpunkt, die mit Technologie wie Collaboration, künstlicher Intelligenz oder Robotics bestückt sind. Dabei sind Fachkräfte sind da zwangsläufig eine herausfordernde Thematik, die wir aber zusammen mit unseren Implementations-Partnern tatkräftig angehen.
Generell sehe ich die Zukunft in den Bereichen Customer Service Management/Experience und Employee Experience, aber immer in Zusammenhang mit effizienten IT- und Sicherheitsprozessen. Angesichts der Effizienz, Flexibilität sowie Agilität mit digitalen Workflows im heutigen Arbeitsalltag einfacher zu arbeiten und auch schnell auf Veränderungen zu reagieren, sind die ServiceNow-Lösungen sehr gefragt.
CW: ServiceNow konzentriert sich hauptsächlich auf Grosskonzerne. Was ist mit KMU?
Badoux: Wir haben schon immer Kunden in allen Bereichen gehabt, von Firmen mit 50 Mitarbeiter bis mehrere 10'000 oder gar mehr als 100'000. Natürlich eignet sich unsere Plattform für die Grossunternehmen, aber auch kleinere Unternehmen haben Anforderungen ans Kundenmanagement oder betreiben eine durchaus anspruchsvolle IT. Für sie können wir ein Partner auf ihrem Weg in die Digitalisierung sein.
Um das KMU- Segment gezielter zu adressieren, haben wir vor circa einem Jahr einen eigenen Bereich installiert. Weiter arbeiten wir mit Partnern, die seit längerem in diesem Bereich erfolgreich mit ServiceNow unterwegs sind. Somit werden wir diesen Kundenkreis weiterhin im Fokus haben.

Die Bundesverwaltung und die Cloud

CW: Was war Ihr bisher grösster gefühlter persönlicher Erfolg – und die grösste Enttäuschung?
Badoux: Ich möchte hier eigentlich gar nicht einen einzelnen Erfolg rauspicken, sondern die gesamte Entwicklung des Schweizer Marktes seit 2016, als ich bei ServiceNow gestartet bin. Wir haben unterdessen weit mehr als 200 Kunden – eine Verdreifachung seit 2016 – und bald dürfen wir 90 Prozent der am SMI kotierten Grossunternehmen zu unseren geschätzten Kunden zählen.
Vielleicht bin ich ein wenig enttäuscht, dass wir es bisher nicht geschafft haben, in breiterem Stil im Bund und den bundesnahen Unternehmen zu landen, auch wenn wir natürlich einzelne Kantone und Städte gewonnen haben. Es sieht derzeit ganz danach aus, dass deren Bedenken bei Cloud-Lösungen wie ServiceNow immer mehr der Einsicht weichen, dass solche moderne Lösungen auch im Bund benötigt werden.
CW: Wie wollen Sie den Bund doch noch überzeugen?
Badoux: Wir sind weiterhin in Verhandlungen mit verschiedenen Organisationen innerhalb der Bundesverwaltung. Hier müssen wir viel Überzeugungsarbeit leisten und die Prozesse bis zu einem Vertragsabschluss sind länger. Auf Seiten des Bundes ist das Interesse durchaus gross, was mich zuversichtlich stimmt.
Eine der Herausforderungen sind die verschiedenen Geheimhaltungsstufen für Daten, die vom Bund und beispielsweise von der Armee verarbeitet werden. Diese Stufen müssen wir in unserer Software abbilden können. Dann genügt eben nicht mehr nur die Datenhaltung in der Schweiz, sondern zusätzlich noch Zugriffsbeschränkungen auf Daten- und Personenebene. Aber auch hier arbeiten wir gemeinsam mit den verschiedenen Stellen an einer Lösung.
CW: Welche Vorzüge und allenfalls Herausforderungen erlebt Alain Badoux als Country Manager von ServiceNow?
Badoux: Ich habe Freude daran, in meinem Job mit vielen verschiedenen Menschen in ganz unterschiedlichen Firmen und Positionen zusammen zu kommen. Sei es in der IT, im Business, bei Kunden und Partnern.
Am Ende des Tages muss ich mit allen über den Preis unserer Software verhandeln. Wir müssen einen Preis finden, den sich der Kunde leisten kann, und zu dem wir auch liefern können, was natürlich eine klassische Sales-Aufgabe ist. Mich interessiert viel mehr der Erfolg des Projekts und den Menschen, die das Vorhaben erfolgreich umsetzen.
CW: Danke für das Stichwort: ServiceNow ist angeblich nicht billig. Wie bringen Sie die Software dennoch an die Frau und den Mann?
Badoux: Wenn man ServiceNow als Digitalisierungs-Plattform sieht und nicht nur eine einzige Lösung implementiert, dann wird der Wert von ServiceNow den meisten Firmen schnell klar, und es ist dann selten eine Frage des Preises, sondern wie kann man zeitnah und auch langfristig den Mehrwert mit der Plattform erzielen.
Zur Firma
ServiceNow Switzerland
ist die hiesige Niederlassung des US-amerikanischen Anbieters ServiceNow. Sie wurde 2011 gegründet und zählt mittlerweile über 200 Schweizer Unternehmen zu ihren Kunden. Sie werden von Lausanne und vom Hauptsitz in Zürich aus von mehr als 70 Mitarbeitern betreut.




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