Konferenz re:Invent 2020 02.12.2020, 16:06 Uhr

AWS schraubt an der Geschäftsstrategie

Die Cloud-Tochter AWS ist eine unersetzliche Goldgrube für Amazon-Chef Jeff Bezos. Damit das so bleibt, zieht AWS-Chef Andy Jassy alle Register und wirft sogar alte Grundsätze über den Haufen.
Der AWS-Chef Andy Jassy
(Quelle: AWS)
Am Ende konnte sich auch Amazon Web Services (AWS) nicht mehr der Dynamik des Corona-getriebenen Marktes entziehen. Die Tochter für Cloud Computing des Online-Riesen Amazon wird alten Grundsätzen untreu. Und zwar verkauft der Leader im Cloud-Markt statt reiner Online-Dienste in Zukunft nicht nur zusätzlich Hardware an die Kunden, sondern auch Software, die diese in ihren eigenen Rechenzentren betreiben können. Damit haben sie dann die gleiche Software bei sich im Unternehmen, die sie in der Cloud hätten mieten können und sollen.
Der Markt fordert allerdings derzeit etwas anderes. AWS-Chef Andy Jassy präsentierte im Rahmen seiner Eröffnungsrede zur Hausmesse re:Invent mit ECS Anywhere und EKS Anywhere zwei wichtige Offline-Dienste. Die Konferenz findet dieses Jahr erstmals ausschliesslich online statt.
Die AWS-Server – auch Outposts, Aussenposten, genannt – werden mit einer Art Kopie der AWS-Cloud an Bord schon seit 2019 bei Kunden aufgestellt. Mit den neuen Diensten sollen sich nun Anwendungen für Cloud und Rechenzentrum gleichzeitig verwalten und betreiben lassen.

Auf dem Weg zum klassischen IT-Anbieter

«AWS wird immer mehr zu einem klassischen IT-Anbieter wie IBM, Oracle oder HP-Enterprise», fasst der Analyst Holger Müller von Constellation die Entwicklung zusammen. Damit räumt AWS-Chef Jassy auch ein, dass IBM, Google und Microsoft Recht hatten, als sie ihre Entwicklungen frühzeitig auf eine neue Multi- und Hybridcloud-Welt ausgerichtet haben. Hier verteilt ein Kunde seine gesamte IT auf die Dienste vieler Cloudanbieter, statt nur einen zu beauftragen. Jassy war diesen Weg nur zögerlich gegangen. AWS wollte seine Kunden gerne für sich allein haben.
Da aber vor allem IBM mit dem Konzept erfolgreich war, musste AWS handeln. Die Corona-Pandemie hat nicht nur insgesamt die Abwanderung von Unternehmen und Institutionen weltweit in die Cloud beschleunigt, sondern zugleich in die Multi- und Hybridcloud-Welt. Auch wenn jeder IT-Vorstand gerne einen sauberen Schnitt machen und den kompletten Umstieg in die Cloud vollziehen würde, es ist oft einfach nicht finanzierbar. Teilweise sprechen auch gesetzliche Anforderungen gegen eine Cloud. In manchen Ländern müssen Daten, etwa personenbezogene Daten, im Land gehalten werden. Und weder AWS noch die Konkurrenz haben überall eigene lokale Datencenter stehen.
Hier heisst es deshalb: Kompromisse schliessen und Teile der Aufgaben weiter in lokalen Rechenzentren betreiben – vorzugsweise langsamere Aufgaben, wie etwa eine Lohnabrechnung einmal im Monat. Da werden keine hyperschnellen Cloud-Computer gebraucht. Aber die gesamte Software, oft im Unternehmen massgeschneidert programmiert, soll natürlich aus «einem Guss» sein. Damit werden Installationen und Wartungen billiger und effizienter. Das ermöglicht die Kombination von AWS mit der Cloud on Premises.
Dennoch sind die Hyperscaler auf dem Vormarsch: In der Schweiz besitzen die AWS-Konkurrenten Google, Microsoft und Oracle beispielsweise schon seit dem letzten Jahr Cloud-Ressourcen. Die Amazon-Tochter will in der zweiten Jahreshälfte 2022 nachziehen und mit der Region «AWS Europe (Zurich)» an den Start gehen (Computerworld berichtete).



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