10.11.2005, 18:55 Uhr

Auf zu neuen Quellen

Linux gilt als sinnvolle Ablösung von proprietären Unix-Systemen. Die dazu benötigte Hardware ist erheblich günstiger als die RISC-basierten Alternativen und steht diesen in punkto Leistung in nichts nach.
Migration ist ein Urinstinkt in der Tierwelt. Die Schwärme ziehen, die Herden wandern - so sorgt die Natur dafür, dass die Tiere zu neuen Futterplätzen gelangen, wenn die alten sie nicht mehr ernähren; zu neuen Quellen, wenn die alten erschöpft sind. Warum folgen nicht mehr Unternehmen diesem Beispiel? Hinter dieser Frage steckt weit mehr als ein plattes Wortspiel. Tausende europäische Unternehmen bleiben technologisch gesehen bei alten Gewässern, zögern aber, zu neuen Ufern aufzubrechen, denn das Neue könnte ja noch beunruhigender sein als das, was man hat. Damit setzen sie nichts Geringeres aufs Spiel als ihre eigene Existenz.
Die IT-Infrastruktur europäischer Organisationen basiert meist auf mindestens drei oder vier Technologieplattformen, die zunehmend kostenintensiv in Wartung und Betrieb sind. Schweizer Unternehmen und Behörden stehen vor denselben Herausforderungen. Selbst wenn offenere Umgebungen wie UNIX Teil des Plattformmixes sind, kann sich die gemeinsame Nutzung von Daten über Abteilungs-, Standort- und Systemgrenzen hinweg alptraumhaft kompliziert gestalten. Ausufernde Performance-Prob-leme kommen hinzu - die Kosten für die notwendigen Upgrades, um dutzende oder hunderte Server fit für die Anforderungen zeitgemässer Geschäftsapplikationen zu machen, übersteigen die Möglichkeiten.
Insgesamt bedeutet dies massive Prob-leme für Unternehmen, die Schwierigkeiten haben, mit der schnelllebigen Wirtschaft mitzuhalten und mit der vorhandenen Technologie die Kontinuität der Geschäftsabläufe sicherzustellen. Auf CIO und leitenden Managern lastet ein immer stärkerer Druck, Kostensenkungen oder gar substanzielle Beiträge zum Bilanzergebnis ihres Arbeitgebers zu erzielen, und so sind sie gezwungen, ihre Plattformstrategie zu überdenken, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

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Günstigere Hardware

Vor diesem Hintergrund ist die Migration auf weiter verbreitete Plattformen wirtschaftlich und technisch mehr als sinnvoll. Insbesondere ein Umstieg auf Linux ist heute keineswegs mehr so unkonventionell, wie es vielleicht früher einmal erschien. Im Gegenteil, viele CIO betrachten Linux heute als einzig sinnvolle Ablösung ihrer proprietären UNIX-Systeme. Mit Linux fühlen sich die CIO wohl - die Anwendungen und Schnittstellen lassen sich problemlos einbinden und mit relativ wenig Aufwand mig-rieren. Die dazu benötigte Intel-basierte Hardware ist erheblich kostengünstiger als die RISC-basierten Alternativen und steht diesen in punkto Leistung in nichts nach - der neueste Linux-Kernel ist zuverlässig, robust und skalierbar bis zu 32 CPU. Grosse Unternehmensanwendungen wie Oracle oder SAP sind mittlerweile für Linux-Plattformen optimiert worden, was die Schwelle zum Umstieg weiter abbaut. Linux ist längst nicht mehr das ärmliche, vernachlässigte Stiefkind am Rande des Netzwerks. Und die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten, um ein Linux-System zu betreiben, sind weit verbreitet - in einem Unternehmen mit Unix-kompetenten Mitarbeitern sind sie zu 90 Prozent bereits vorhanden.
All das sind einleuchtende Argumente, die fast jedem CIO wohl bekannt sind. Doch die meisten IT-Experten denken beim Stichwort Migration zuallererst an massive Betriebsunterbrechungen und hohe Kosten. Sie stellen sinnvolle und berechtigte Fragen: Woher weiss ich, dass die neue Plattform funktioniert und dass unsere geschäftskritischen Applikationen sich reibungslos portieren lassen? Was geschieht beim Versuch, Live-Daten zu migrieren? Können wir Systeme im Parallelbetrieb laufen lassen? Sparen wir damit wirklich Geld?

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Datencenter-Kompetenz nötig

Die Antworten auf diese Fragen hängen massgeblich davon ab, mit welcher Methodik und Philosophie man an die Migration herangeht. Der Schlüssel zum Erfolg bei der «Umsiedlung» der geschäftskritischen Applikationen auf eine neue Plattform liegt darin, dass Unternehmen in allen Einzelheiten verstehen, was sie haben, bevor sie es migrieren. Das kann sich schwieriger gestalten, als es klingt - nur die wenigsten Unternehmen haben einen Überblick darüber, was alles auf einem Server läuft, geschweige denn auf den Hunderten von Rechnern überall im Unternehmen. Die Server- und Applikationslandschaft in ihrer ganzen Komplexität erfolgreich zu erkennen und nachzuvollziehen erfordert ein Mass an Datencenter-Kompetenz, über das nur die wenigsten IT-Anbieter tatsächlich verfügen. Hand bieten können hier Discovery- und Analysetools, die den Aufbau und alle Abhängigkeiten auch von komplexen Infrastrukturen in allen Einzelheiten abbilden. Mit Hilfe dieser Werkzeuge können sich CIOs und IT-Abteilungen die fundierten Informationen beschaffen, die sie für die Beurteilung, was wie migriert werden soll, wirklich brauchen.

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Diese Entscheidungen sind für das Unternehmen von fundamentaler Bedeutung. Wenn sie sauber umgesetzt werden, kann sich eine Migration auf Linux unter dem Strich positiv auf das gesamte Unternehmen auswirken. Implementierung und Betrieb einer offenen Intel-Plattform anstelle einer geschlossenen proprietären Alternative ermöglichen erhebliche Einsparungen. Gleichzeitig bewirkt die Rationalisierung der Infrastruktur eine drastische Senkung der Gesamtbetriebskosten (TCO) allein dadurch, dass statt Hunderte von Servern nur noch eine kleine Anzahl hochflexibler Grossrechner benötigt wird, auf denen Applikationsdienste mit unterschiedlichen SLA laufen können.
Gleichzeitig profitieren die Organisationen von dramatischen Leistungssteigerungen. Aufwändigste Verarbeitungen dauern statt Tagen nur noch Stunden. Die Ziraat Bank zum Beispiel, die grösste Bank der Türkei, migrierte ihre Kernanwendungen von einer proprietären Plattform auf Linux-basierte Systeme und kann jetzt 1450 Transaktionen pro Sekunde verarbeiten. Diese drastischen Verbesserungen bringen weitere grundlegende Vorteile mit sich: Zusammen mit der Verbesserung der Performance des Systems steigt sowohl die Bereitschaft der Mitarbeiter, dieses System zu benutzen, als auch ihre Effizienz dabei - und somit auch die Servicequalität und die Geschäfts-einnahmen.

Optimale Kombination

Es würde wohl niemand ernsthaft bestreiten, dass eine Migration im grossen Massstab kein triviales Unterfangen ist. Ein hohes Mass an Datencenter-Kompetenz ist erforderlich, um die Hürden einer erfolgreichen Migration zu meistern und den gesamten Prozess so reibungslos wie irgend möglich zu gestalten. Eine Kombination aus Analysetools, Hardware- und Storage-Kompetenz sowie der beratenden Begleitung des externen Migrationspartners ist dafür verantwortlich, dass die CIOs bestmöglich informiert sind. Dies bildet die Grundlage, um wichtige Entscheidungen zur Migration souverän zu treffen und, nicht zu vergessen, dabei einen messbaren Beitrag zu den Geschäftsergebnissen zu leisten.
Zum Autor: Peter Züger ist Infastructure Architect bei Unisys Schweiz
Peter Züger



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