Nicht-ionisierende Strahlung 09.11.2022, 06:06 Uhr

Strahlen überall – je nach Ort und Zeit

Bei mobilen Netzen ist die Belastung durch nicht-ionisierende Strahlung ein Dauerthema. Sachliche Diskussionen sind schwierig zu führen und konzentrieren sich oft auf einzelne Technologien wie 5G. Dabei ist der Strahlenmix komplexer als angenommen.
Smartphones stellen zahlreiche Funkdienste bereit
(Quelle: Rüdiger Sellin)
Alle Sender zur mobilen Signalübermittlung erzeugen nicht-ionisierende Strahlungen. Der Schutz vor EMF wird hierzulande in der «Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung» (NISV) geregelt. Diese legt die maximal zulässigen Feldstärken im bereits erwähnten Spektrum zwischen 0 Hz und 300 GHz fest. Nach langen Beratungen im National- und Ständerat setzte der Bundesrat die Verordnung im Jahr 2000 in Kraft. Der Vollzug obliegt aber den kantonalen und den kommunalen Behörden, wobei für Baubewilligungen von Anlagen innerhalb von Bauzonen in der Regel die Gemeinden zuständig sind. Baubewilligungen ausserhalb von Bauzonen hingegen erteilen die Kantone. Insbesondere bei fehlendem Fachpersonal in Gemeinden prüfen die Kantone die NISV-Konformität häufig auch dann, wenn der Standort innerhalb einer Bauzone liegt.

Geltungsbereich

Die NISV erfasst alle sogenannten ortsfesten Anlagen, die EMF abstrahlen. Dazu zählen niederfrequente Quellen (Eisenbahn, Hochspannungsleitungen, Trafostationen) und hochfrequente Sender bis 300 GHz (Radio, TV, alle Funkdienste wie Betriebs-, Amateur-, Militär-, Flug- oder Mobilfunk). Elektrische Haushaltsgeräte, Konsumgüter mit Funktechnologien sowie Anlagen innerhalb von Betrieben sind von der Verordnung nicht betroffen. Auch Anlagen zur mobilen Kommunikation, die weniger als 6 W Leistung ERP aufweisen (Begriffsklärung siehe nächste Seite), werden nicht erfasst.
Darunter fallen Micro-, Pico- oder Femtozellen (siehe CW 05/22) ebenso wie lokale, private Sendeanlagen (WLAN, Bluetooth, MFC usw.) oder mobile Endgeräte wie Smartphones, Notebooks und Pads. Bei Endgeräten gelten internationale technische Normen, die auch Vorschriften zur Begrenzung der Strahlenbelastung enthalten. Die Grenzwerte gelten für die allgemeine Bevölkerung, aber nicht für «berufliche Expositionen». Dazu zählen Arbeitsplätze mit starken elektromagnetischen Feldern, etwa Grossraumbüros.
Was sind EMF?
Unter Elektromagnetischen Feldern (EMF) versteht man die elektrischen, magnetischen und elektro­magnetischen Felder im Frequenzspektrum zwischen 0 Hz und 300 GHz. Während 0 Hz als Gleichfeld bezeichnet wird, sind alle Spektren über 0 Hz Wechselfelder. Dort wird zwischen nieder-, mittel- und hochfrequenten Feldern unterschieden. Physikalisch gesehen zählen folgende Felder zu den EMF: Gleichfelder, niederfrequente Wechselfelder, hochfrequente Strahlung (Radiowellen, Mikrowellen), optische Strahlung (Infrarot, sichtbares Licht, UV) und ionisierende Strahlung (Röntgenstrahlung, Radioaktivität).

Schutz und Vorsorge

Die NISV regelt somit die Strahlenbelastung im öffentlichen Raum und gehört zu den strengsten Vorschriften weltweit. Sie erlaubt nur 1/10 der effektiven Leistung, die in der EU zulässig ist. Die Immissionsgrenzwerte entsprechen den Empfehlungen der internationalen Strahlenschutzkommission (ICNIRP). Deutlich darunter liegen die sogenannten Anlagegrenzwerte auf Basis des schweizerischen Umweltschutzgesetzes. Es verpflichtet zur vorsorglichen Emissionsbegrenzung bereits dann, wenn nur ein Verdacht auf eine gesundheitliche Gefährdung besteht, selbst wenn diese Gefährdung wissenschaftlich nicht erwiesen ist.
Quelle: Rüdiger Sellin (Daten von Swisscom)
In der kantonalen Praxis geht man bei Prüfung und Genehmigung öffentlicher Mobilfunkanlagen meistens vom schlechtesten Fall aus und baut zudem grosszügige Reserven ein. Die dabei verordneten Vorsorgemassnahmen müssen allerdings verhältnismässig sein – dazu ein Zitat aus dem Umweltschutzgesetz (USG Art. 11 Abs. 2): «Unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung sind Emissionen im Rahmen der Vorsorge soweit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist.»

«Effective Radiated Power» (ERP)

Im Zentrum der NISV steht die ERP, welche die effektive Strahlungsleistung erfasst und angibt, wie stark eine Antenne senden müsste, um rundum dieselbe Leistung auszusenden wie in der Hauptstrahlrichtung. «Rundum» meint dabei ein halbkugelförmiges Abstrahlprofil, wie es eine Dipolantenne besitzt. Will man sich auf eine kugelförmige («isotrope») Abstrahlung beziehen, so spricht man von EIRP (Equivalent Isotropic Radiated Power). Dank der Angaben von ERP- beziehungsweise EIRP-Leistungen werden Antennen mit unterschiedlichen Richtwirkungen (Bündelungsgrad) vergleichbar. Je höher der ERP-Wert ist, desto höher sind auch die Feldstärken im Hauptstrahl.
Bei 5G ist der feste ERP-Wert jedoch nicht ohne weiteres anwendbar, da keine feste Abstrahlcharakteristik mehr besteht. 5G-Sender passen ihre Abstrahlcharakteristik mit «Beam Forming» an den Nutzer und dessen Anforderungen an. So erhält ein weiter entfernter Nutzer einen schmalen, langen Strahl («Beam») und ein naher Nutzer einen breiten, kurzen Strahl. Wie bereits bei 4G variiert auch die Abstrahlenergie je nach Nutzer und Anwendung. Während zum Beispiel Videostreaming im Zug permanent viel Bandbreite benötigt und entsprechend kräftige Strahlen bedingt, übermitteln IoT-Anwendungen (Internet of Things) meist nur wenige Daten während einer kurzen Dauer. 5G strahlt somit nur so viel wie nötig und ohne festen Abstrahlwinkel.

Neue Regelung für 5G

Wegen fehlender gesetzlicher Grundlagen verwendeten alle Schweizer 5G-Anbieter beim Launch 2019 feste Abstrahlcharakteristiken an bestehenden Standorten auf zuvor von anderen Netztechnologien genutzten Frequenzen. Damit gelang es Swisscom und Sunrise, relativ schnell über 90 Prozent der Landesbevölkerung mit 5G zu versorgen.
Wichtige 5G-Features wie «Beam Forming» oder «Network Slicing» (besondere Kapazitäten z. B. für Rettungsdienste) durften jedoch nicht aktiviert werden. Seit Ende Februar 2021 besteht die lange erwartete Vorgabe vom Bundesamt für Wald, Umwelt und Landwirtschaft (BUWAL). Es erliess eine Ausführungsbestimmung, wie mit adaptiven Antennen umzugehen ist. Berücksichtigt werden sowohl der Schutz der Bevölkerung vor Strahlung als auch die Interessen der Mobilfunknetz-User. Somit wurde der Einsatz adaptiver Antennen unter Einhaltung bestehender Grenzwerte für Mobilfunkanlagen erst zwei Jahre nach dem 5G-Launch möglich.
Die Städte verfügen über engmaschige Sendernetze
Quelle: Rüdiger Sellin
5G-Standorte werden mit einem Korrekturfaktor belegt, welcher die besonderen Gegebenheiten variabler Sendeleistungen und Strahlformen berücksichtigt. Die seit über 20 Jahren geltenden Grenzwerte werden auch weiterhin vollumfänglich eingehalten. Trotzdem sind schweizweit über 3100 Bauanträge für 5G-Anlagen blockiert, was einen zügigen Netzausbau verhindert.

Warum 5G?

Die Schweizer Netzbetreiber versäumten es vor der 5G-Markteinführung, die Bevölkerung über die Technologie und deren Vorteile zu informieren. 5G kommt im Vergleich zu älteren Mobilfunkgenerationen mit deutlich weniger Sendeleistung aus und kann mit weniger Leistung deutlich mehr Daten übertragen. Dies ist bitter nötig, denn die transferierten Datenvolumina verdoppeln sich etwa alle 12 bis 16 Monate. Daher sind die Betreiber gezwungen, ihre Netze laufend auszubauen und in neue Technologien zu investieren, um die knappen und kostspieligen Frequenzen besser zu nutzen.
Wegen strenger Grenzwerte und tiefer Sendeleistungen sind jedoch deutlich mehr Mobilfunksender nötig, um die vom Nutzer erwartete Flächendeckung zu gewährleisten. Der höhere Aufwand für Netzbau und Unterhalt belastet die Kostenbilanz der Betreiber stark. Zudem gilt für 5G wie 4G: ohne Verkehr keine Strahlung, auch nachts. 5G fällt für die Vernetzung mobiler Anwendungen eine zentrale Rolle zu, so bei IoT oder M2M-Kommunikation (Machine-to-Machine).

Wireless Local Area Networks (WLANs)

In den Diskussionen rund um 5G gehen lizenzfreie Sender mit Leistungen unter 6W ERP häufig vergessen. Solche Anlagen befinden sich in der Regel nahe am Menschen. Sie sind zwar omnipräsent, aber so kompakt, dass sie im Gegensatz zu deutlich weniger Mobilfunksendern nicht störend auffallen. Praktisch alle Büros, Haushalte, Einkaufszentren, Flughäfen, Bahnhöfe, Hotels und Spitäler nutzen WLANs.
Ein IP-DECT-Access-Point, wie er beispielsweise in Spitälern verwendet wird
Quelle: Rüdiger Sellin
WLAN Access Points (APs) strahlen auf dem lizenzfrei verfügbaren Frequenzband um 2,4 GHz mit 100 mW und auf dem ebenfalls frei zugänglichen 5-GHz-Band mit 200 mW Sendeleistung. WLANs sind sehr populär und stossen insbesondere an Orten intensiver Nutzung schnell an ihre Grenzen.
Besonders das 2,4-GHz-Band wird auch von anderen Anwendungen wie Bluetooth genutzt. Das 5 GHz-Band ist ebenfalls weitgehend belegt, da auch hier die Datenvolumen mit der Anzahl Nutzer steigen. Daher weicht die neueste Evolutionsstufe Wi-Fi 6E auf das 6-GHz-Band aus, das allein in den USA vollumfänglich und in Europa nur zum Teil verfügbar ist. Hier wird es für 5G und das künftige 6G favorisiert.
Die Herausforderung der WLAN-Entwickler besteht darin, trotz tiefer Sendeleistung und vollen Frequenzbändern hohe Bandbreiten sicherzustellen. Dies geschieht ähnlich wie in Mobilfunknetzen durch weiter entwickelte Modulationsverfahren sowie durch parallele Datenströme über mehrere Antennenpaare dank MIMO (Multiple Input, Multiple Output). Winzig kleine Antennen im Smartphone oder Notebook werden hier mit den Pendants im WLAN-AP gekoppelt und erreichen Geschwindigkeiten im Bereich einiger Gbit/s.

Digital European Cordless Telephony (DECT)

Ähnlich wie WLANs sind auch DECT-Sender und -Telefone weit verbreitet und nahe beim Menschen. Der DECT-Standard blieb in seinen Grundzügen seit den späten 1980er-Jahren praktisch unverändert und ist primär auf Robustheit und Empfangssicherheit ausgelegt. DECT sendet im Frequenzbereich von 1880 bis 1900 MHz und verwendet ein gepulstes Sendesignal mit einer Wiederholungsfrequenz von 100 Hz. DECT nutzt 24 Kanäle in einem Zeitschlitzverfahren und bietet Reichweiten bis zu 300 Meter im Freien und 50 Meter in Gebäuden. Es wird daher gerne zum Telefonieren auf einem Campus verwendet, ob im Kleinbüro, im Handel, in Kliniken oder daheim.
Die Emissionen haben sich jedoch gegenüber den mobilen Frühzeiten deutlich verringert. Während die starke gepulste Strahlung von DECT-Sendern früher bis zu 2 W betrug, sind heute nur noch Strahlungsleistungen bis zu 250 mW zugelassen. Moderne DECT-Sender und -Geräte können ihre Sendeleistung zudem stufenweise regeln, sodass die mittlere Strahlungsleistung beim Endgerät während eines Telefonats nur noch rund 10 mW beträgt, im Ruhezustand sogar nur 2,5 mW.
Tiefere Sendeleistungen bedingen – wie bei WLANs auf einem Campus oder in einem grossen Gebäude – allerdings auch mehr Sender, um alle Mitarbeitenden sicher zu erreichen. Dabei ist die effektive Belastung am Kopf von der Entfernung des DECT-Handgeräts von der Basisstation sowie vom Abstand des Handgeräts vom Kopf abhängig. Einige wenige DECT-Handys besitzen eine 3,5-mm-Buchse zum Anschluss eines kabelgebundenen Hörers mit Mikrofon.

Specific Absorption Rate (SAR)

Neben den erwähnten Sendeantennen (Mobilfunk, WLAN, Bluetooth, DECT etc.) erzeugen auch sämtliche mobile Empfangsgeräte ein messbares Strahlungsfeld. Beide Felder sind von der jeweiligen Sendeleistung und vom Abstand zum Nutzer abhängig. Während jene zur Sendeantenne meist zwischen einigen 100 Metern und 10 Kilometer beträgt, befindet sich das Endgerät in unmittelbarer Nähe zum Kopf des Nutzers.
Die Strahlenbelastung ist abhängig vom Aufenthaltsort
Quelle: Rüdiger Sellin (Daten von www.emf.ethz.ch, (Studie Röösli und Dongus, 2019) www.bfs.de)
Um die Strahlungsleistung des Endgerätes (Handy, Smartphone, DECT-Telefon, Chipkarte im Notebook usw.) zu deklarieren und vergleichbar zu machen, wurde schon gegen Ende der 1990er-Jahre die Specific Absorption Rate (SAR) definiert. Diese beschreibt die spezifische Absorptionsrate als physikalische Grösse in «Leistung pro Kilogramm Gewebe» (Watt pro Kilogramm; W/kg). Je höher die SAR, desto mehr Leistung wird vom Organismus während einer gegebenen Zeit in Wärme umgesetzt.
Um den Körper zum Beispiel um 1 Grad zu erwärmen, müssen etwa 4 W pro Kilogramm Körpergewicht während 30 Minuten aufgenommen werden. Beim Telefonieren mit einem Smartphone am Ohr können je nach Gerät lokale Spitzenwerte von etwa 1,5 W/kg auftreten. Die zum Schutz der Gesundheit international empfohlenen SAR-Höchstwerte betragen 0,08 W/kg (gemittelt über den ganzen Körper) respektive maximal 2 W/kg (lokal gemittelt über Kopf oder Rumpf).

Theorie und Praxis

Es ist festzuhalten, dass besonders Endgeräte früherer digitaler Mobilfunkgenerationen wie 2G/GSM und 3G/UMTS mit weitaus höheren Sendeleistungen operierten als heutige und der Kopf somit deutlich exponierter war. Sender und Endgeräte emittierten häufig gepulste Strahlung mit voller Intensität, etwa beim Verbindungsaufbau oder während eines Gesprächs. Wenn 5G-Gegner und Strahlenschützer gegen Smartphones wettern und demonstrativ alte «Hundeknochen» nutzen, so bekommen sie im wahrsten Sinn des Wortes deutlich mehr «auf die Ohren» als von moderneren Smartphones.
Wichtig zu wissen ist: Zur Bestimmung der SAR im Gewebe werden keine lebendigen Körper, sondern Flüssigkeiten verwendet, deren elektrische Eigenschaften diejenigen von homogenen Geweben repräsentieren. Die Tests bestimmen die absorbierte Strahlungsleistung in Materialien mit einer gegebenen elektrischen Leitfähigkeit und einer bestimmten Dichte. Detaillierte Gewebestrukturen und physiologische Prozesse wie die Thermoregulation werden nicht berücksichtigt. Weil die Blutzirkulation sehr effizient Wärme aus dem Gehirn abführt und im Körper verteilt, gelten SAR-Messungen als grobe Schätzungen, die nur beschränkt das abbilden, was im realen Körper geschieht.
Die SAR-Werte sind somit weniger medizinisch als regulatorisch bedeutsam und sagen nichts über die real absorbierte Leistung aus. Vielmehr wird bei deren Festlegung von einem «worst case» ausgegangen, sodass der SAR als Maximalwert zu verstehen ist. In der Praxis hängt er von den konkret verwendeten Sendestärken ab, wobei ein Endgerät im Alltag nur selten mit voller Leistung sendet. Zudem ist die reale Strahlenbelastung vom Aufenthaltsort und der Dauer der Bestrahlung abhängig.

Der Horrorort Bahnwaggon

So ist ein schnell fahrender Bahnwaggon mit hoher Sitzbelegung der mit Abstand strahlenintensivste Aufenthaltsort. Ein Waggon aus Stahl und beschichtetem Glas wirkt wie ein Faraday’scher Käfig, durch dessen Hülle die Funksignale nur schwer eindringen können. Zudem bewegt er sich schnell, weshalb die Funkstrahlen permanent nachgeführt werden müssen. Weil dies in einem Intercity-Zug während Stosszeiten schnell einmal mehr als 1000 Endgeräte sein können, die auf drei verschiedenen Mobilfunknetzen (Salt, Sunrise, Swisscom) und auf unterschiedlichen Frequenzen (700/900 MHz, 1,8/2,1/2,6/3,4 GHz) funken, kann man sich den Funksalat und die Exposition des menschlichen Gewebes gut vorstellen.
Die Strahlenbelastung ist abhängig von der Netztechnologie
Quelle: Rüdiger Sellin (Daten von www.emf.ethz.ch, (Studie Röösli und Dongus, 2019) www.bfs.de)
Unterwegs streamt eine Mehrheit der Nutzer Audios und Videos oder verbindet sich mit den Servern im Büro, was grosse Datenvolumina erzeugt. Selbstverständlich erwarten die Reisenden beim Kommunizieren einen nahtlosen «Hand Over» (Übergabe eines aktiven Kanals von einer Funkzelle zur nächsten), was bei Reisetempo und hoher Benutzerzahl kaum für alle möglich ist. Und so powern Sender wie Endgeräte mit voller Leistung, um das Signal von der Antenne möglichst unterbrechungsfrei in den Waggon zu bekommen. Es verwundert daher nicht, dass der Stromverbrauch der Züge seit Einführung der Steckdosen deutlich zugenommen hat. Etwas Hoffnung verbreitet ein neuartiges Spezialglas, das für EMF durchlässiger ist.

Strengere SAR-Werte seit 2017

Wie alle Funktechnologien ist auch die SAR-Messung dem technischen Fortschritt unterworfen. Heutige Geräte verhalten sich anders als jene vor 10 oder 20 Jahren. Deshalb wurde 2017 der Standard zur Bestimmung der SAR-Werte angepasst. Nach wie vor gelten für Kopf, Torso und Extremitäten unterschiedliche Vorgaben. Die Messung für den Kopf-SAR blieb unverändert. Hier muss der Wert nun für zwei Haltepositionen berechnet werden, wobei die Distanz zwischen Gerät und Ohr 0 Millimeter beträgt (also Gerät in Körperkontakt). Dabei darf die Strahlungsleistung 2 W/kg nicht übersteigen.
Für die Bestimmung des SAR für Torso und Extremitäten ist der neue Standard restriktiver: Die Distanz zwischen Gerät und Körper beträgt neu 5 Millimeter (früher bis 25 mm), wobei 2 W/kg (Torso) beziehungsweise 4 W/kg (Extremitäten) nicht überstiegen werden dürfen. Fast alle Hersteller kommunizieren den SAR-Wert ihrer Geräte. Je tiefer der Wert, desto tiefer ist die maximale Belastung (in der Regel ein sehr kleines Volumen nahe beim Ohr). Die besten Geräte besitzen SAR-Werte von deutlich unter 500 mW/kg, während sich die schlechtesten an die erlaubten 2 W/kg annähern. Die Mehrheit der heutigen Modelle liegt jedoch deutlich unter 500 mW/kg.
Auch bei maximalen Sendeleistungen liegt die Gesamterwärmung des Kopfes unter 0,1 Grad. Diese Zahl bezieht sich auf die beschriebene Berechnungsart der SAR mit isolierten, homogenen Flüssigkeiten. Bei Funkverbindungen auf tieferen Frequenzen im MHz-Bereich ist die berechnete Erwärmung grösser als bei höheren Frequenzen. Empfindet man beim Telefonieren ein Wärmegefühl, so kommt dies in erster Linie durch die Wärmeabstrahlung des Displays und des Akkus sowie durch die Isolationswirkung des Endgerätes zustande. Die Hochfrequenzstrahlung trägt hingegen nur einen kleineren Teil dazu bei.

Gesetzgebung in der Schweiz

Der Schweizerische Gesetzgeber hat zwar die Emissionen von Endgeräten wie Smartphones nicht explizit geregelt, weil diese bereits in internationalen Produktenormen festgelegt sind. Alle verkauften Geräte müssen jedoch die erwähnte SAR-Höchstwerte unterschreiten. Die von Mobilgeräten verwendeten Frequenzen werden vom Kopf unterschiedlich absorbiert. 700- und 900-MHz-Wellen dringen tiefer in den Kopf ein als Wellen mit 1800 oder 3600 MHz. Dafür stehen Frequenzen ab 2 GHz im Verdacht, Gehirnzellen temporär (also während der Nutzung) zu verändern, wobei Langzeitschäden nicht bekannt sind.
Messungen haben gezeigt, dass die effektive Belastung am Kopf aber nicht nur von der Nähe des Kopfes zum Endgerät, sondern auch von der Antennenform im Smartphone und dessen Design abhängen. Daher wird ein grösserer oder kleinerer Teil der abgegebenen Antennenleistung vom Kopf absorbiert – bei schlechten Geräten über 50 Prozent. Diese quasi «vom Kopf verheizte Leistung» wird zudem nicht zur Kommunikation genutzt, weshalb solche Geräte in der Praxis auch eine schlechtere Gesprächsqualität liefern.

Fazit

Aus Autorensicht ist es problematisch, beim Thema Strahlenbelastung nur einzelne Funktechnologien für sich zu betrachten und nicht die Gesamtbelastung. Problematisch ist aber auch das Nutzerverhalten. Statt eines kabelgebundenen Hörers mit Mikrofon zur Reduktion der Kopfbelastung sind drahtlose Ohrhörer sehr beliebt, welche Bluetooth verwenden. So setzt sich der Nutzer oft stundenlang einer Mehrfachbelastung aus. Davon ist klar abzuraten.
Datenquellen
Forschungsstiftung Strom und Mobilkommunikation an der ETH Zürich
Deutsches Bundesamt für Strahlenschutz



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