Trend 1988: das Jahr der Schossrechner

Ruf nach Schweizer Software

Der Händler Lionello, Okie und Wenger empfahl den Laptop für Kader im Wochenenddienst
Quelle: Lionello, Okie und Wenger
Um die an der Messe allgegenwärtige Software war es 1988 auf den ersten Blick noch gut bestellt. Der Spartenumsatz wuchs laut IDC jährlich um 20 Prozent. Computerworld offenbarte aber auch den zweiten Blick: Das Wachstum resultierte hauptsächlich aus dem Verkauf von Standard-Software, wovon die lokalen Anbieter nur teilweise profitierten. Denn die meisten Standard-Produkte wurden von ausländischen Herstellern geliefert. Genau wie die Hardware zu fast 100 Prozent importiert wurde, stammten auch die Applikationen meistens aus den Entwicklerlabors in der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich oder den USA. Die Gründe waren:
  • Das Fehlen einer eigenen Hardware-Industrie, die selbst Auftraggeber für Software ist und auch eigene Programme entwickelt.
  • Die wenigen Forschungsaufträge aus dem Militär. In Frankreich und den USA waren in den 1980ern die Verteidigungsministerien einer der grössten Kunden der EDV-Branche. Die Milliarden aus Paris und Washington sorgten für die marktführenden Positionen der Firmen aus dem Nachbarland in Europa respektive global.
  • Die Schweizer Wirtschaft entwickelte bis zu 95 Prozent der benötigten Software selbst. Nur selten gelangte ein Code-Schnipsel davon in den freien Verkauf. Die Ausnahme bildeten der Schweizerische Bankverein mit einer Finanz-Software für seine Kunden und zum Beispiel Swissair mit Anwendungspaketen für Luftfahrtgesellschaften.
Software wurde in der Schweiz von Hardware-Lieferanten, EDV-Dienstleistungsunternehmen, der Fernmelde-Industrie, den Treuhand- und Revisionsgesellschaften, Programmierbüros, EDV-Unternehmensberatern und den Rechenzentren entwickelt, vertrieben sowie gewartet. Gemäss IDC gab es mehr als 2000 Software- und EDV-Dienstleistungsunternehmen. Der Markt sei sehr zersplittert, urteilten die Analysten. IBM hatte sich durch eine geschickte Vertragspolitik mit den entsprechenden Agenten die Kontrolle über einen beachtlichen Marktanteil gesichert.
Daneben war Ende der 1980er-Jahre die Entwicklung zu beobachten gewesen, dass branchenfremde Unternehmen die unabhängigen Schweizer Software-Häuser übernommen hatten. Sie wollten vom überproportionalen Wachstum der aufstrebenden Sparte profitieren. Beispiele waren der Übernahme des Automationszentrums Wettingen durch das Dienstleistungsunternehmen Inspectorate; vom Institut für Automation (IFA) durch die Schweizerische Bankgesellschaft; das Entwicklungshaus Mor durch das Architekturbüro Suter & Suter oder von Winter Partners durch Elektrowatt, einer Tochter der Schweizerischen Kreditanstalt.
In dieser Situation mahnte die Computerworld zum Handeln: Die Software-Industrie sei als Dienstleistungslieferant kapitalintensiv, belaste die Umwelt nur wenig und berge das Potenzial, zahlreiche neue Arbeitsplätze zu schaffen. Diese Faktoren würden der Branche eine hohe Bedeutung und auch politisches Gewicht verleihen. «Die Software ist der Schlüsselfaktor für die Gegenwart und die Zukunft.»

Personalmangel überall

Dem Erfolg im Software- und im gesamten EDV-Bereich entgegen stand 1988 der grosse Personalmangel. Laut IDC war für die Fachkräfteknappheit nicht die vergleichsweise kleine Einwohnerzahl der Schweiz verantwortlich. Vielmehr hätten die Schweizer Behörden zwei gravierende Fehler begangen: Der Hauptteil der Ausbildungsanstrengungen wurde den privaten Unternehmen überlassen und Gesetze erschwerten die Einstellung ausländischer Fachkräfte sehr.
Der Bund bekam die Auswirkungen seiner Verfehlungen selbst zu spüren: «Der fühlbare Personalengpass bei der Abwicklung von EDV-Projekten muss oft durch den Einsatz externer Dienstleistungsfirmen überbrückt werden», hiess es in einem Voranschlag des Bundes für das Informatik-Budget 1989. Für jenes Jahr wurden Investitionen in EDV und Büroautomation in Höhe von 268,2 Millionen Franken eingeplant, 21,5 Millionen mehr als 1988. Die recht kleine Summe spiegelt wider, dass EDV in Bundesbern noch keine grosse Rolle gespielt hat.
Bei den Informatikfirmen gab es teils massive Engpässe, sodass sie sich mit Grenzgängern behelfen mussten. Nixdorf griff auf das Personal im süddeutschen Raum zu. «Grenzgänger sind bei uns in Basel, Genf und Kloten eine ständige Praxis. Ungefähr 50 unserer insgesamt 350 Angestellten in der Schweiz sind Grenzgänger», sagte Konrad Meyer vom Personaldienst dem Blatt. «Wir unternehmen verschiedene Anstrengungen zur Überwindung der Personalknappheit», doppelte Bruno Staffelbach von der ACU Holding nach. «Die Vorstellung, in grenznahes Gebiet zu zügeln, um dort Arbeitskräfte zu akquirieren, ist ein zusätzlicher Aspekt.» Die ACU Holding sollte bis zum Konkurs 1998 in der Zentralschweiz ansässig bleiben.



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