Magnetische Datenspeicher mit Logik

Eine seltsame Wechselwirkung

«Hier ist das anders», erklärt Pietro Gambardella. «Mit Hilfe von elektrischem Strom können wir die magnetischen Bezirke umpolen und so eine NOT-​Operation auf den gespeicherten Daten ausführen. Dazu nutzen wir eine seltsame Wechselwirkung aus, die entsteht, wenn wir einen magnetischen Kobaltfilm auf eine Platinschicht aufbringen.» Diese seltsame Wechselwirkung führt dazu, dass sich die magnetischen Momente nicht, wie es normal wäre, parallel oder entgegengesetzt ausrichten. Durch die Platinschicht kann die Wechselwirkung dafür sorgen, dass sich die Magnetmomente in angrenzenden Bezirken rechtwinklig zueinander anordnen. «Das ist in etwa so, als ob eine Kompassnadel nicht mehr nach Norden, sondern nach Osten zeigt», sagt Gambardella.

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Diese Probleme müssen Supercomputer noch lösen

Durch diese rechtwinklige Anordnung der magnetischen Momente bildet sich zwischen den angrenzenden Bezirken ein bevorzugter Drehsinn der Magnetisierung aus, ähnlich einem Korkenzieher, der sich in eine bestimmte Richtung dreht. Schickt man nun einen Strompuls durch die Platinschicht, so polen die darin fliessenden Elektronen die atomaren Kompassnadeln in der magnetischen Kobaltschicht nach und nach um und schaffen so einen wandernden magnetischen Bezirk. An festgelegten Stellen, an denen die rechtwinklige Wechselwirkung stark ist, wird die Magnetisierungsrichtung des wandernden Bezirks umgekehrt. Dies entspricht genau der logischen NOT-​Operation.
Solche Operationen in verschiedenen Rennbahnspeichern lassen sich nun kombinieren, wodurch andere logische Operationen wie AND, OR oder NAND realisiert werden können. Diese wiederum können zu komplizierteren Schaltkreisen zusammengesetzt werden, die zum Beispiel zwei Zahlen addieren (siehe Bild). Im Gegensatz 
zu herkömmlichen Schaltkreisen auf Halbleiterbasis allerdings, in denen jeder Transistor seine eigene Stromzufuhr braucht, müssen die neuen Rennbahnschaltkreise im Prinzip nur am Eingang und am Ausgang mit elektrischem Strom versorgt werden.

Anwendungen im Internet der Dinge

«Unsere Technologie könnte zunächst vor allem in Mikroprozessoren mit geringer Rechenleistung zum Einsatz kommen», sagt Gambardella. Ein aktuelles Beispiel dafür ist das Internet der Dinge, in dem verschiedene Geräte und Sensoren direkt miteinander kommunizieren. Die Computer in solchen Geräten sollten instant-​on sein, also sofort betriebsbereit und ohne umständliches Laden von Betriebssystemen, und zudem wenig Energie verbrauchen. Eine Technologie, die Magnetspeicher und logische Operationen vereint, wäre dafür ideal.
Prinzipiell könnten auch andere, grössere Computer auf diese Weise betrieben werden, meint Gambardella. In der Praxis aber, so räumt er ein, wird das in naher Zukunft noch nicht passieren: «Die Materialien und Herstellungsprozesse dahingehend zu optimieren, ist für Chiphersteller sehr teuer; es ist also noch zu früh zu sagen, ob unsere Technik die herkömmliche Halbleitertechnologie ablösen kann.» Dennoch, so findet er, ist der Ansatz interessant genug, um ihn weiterzuverfolgen und zu sehen, wie weit man damit kommt. Ein Patent dazu haben die Forscher jedenfalls schon mal angemeldet. Am Ende steht dann vielleicht tatsächlich ein Computer, bei dem man getrost den Netzstecker ziehen kann, ohne Daten zu verlieren.
Dieser Artikel ist zuerst auf ETH News erschienen.

Autor(in) Oliver Morsch, ETH News



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