30.06.2005, 10:47 Uhr

Nicht mehr im Dunkeln tappen

Deutsche Wissenschaftler haben Roboter gebaut, die ihre Umgebung wie Grasshüpfer ertasten - mit langen Fühlern.
Der Heuschreckenroboter Tarry der Universität Bielefeld erkundet mit seinen Fühlern die Umgebung (Bild: sgi)
Stabheuschrecken haben einen genialen Tastsinn. Über ihre beiden Fühler erkennen sie die räumliche Position von Hindernissen. Nun haben Forscher des Fraunhoferinstituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung (IFF) in Magdeburg und des Bereichs Biologische Kybernetik der Universität Bielefeld die haptischen Sensoren der Insekten nachgebaut.
Heuschrecken ertasten ihre Umgebung ähnlich wie wir Menschen, wenn wir ein dunkles Zimmer erkunden. Wir strecken die Arme aus und lassen sie zur Sicherheit auch noch kreisen. «Heuschrecken tasten mit ihren Fühlern auch in kreisenden Bewegungen die Um-gebung ab und finden sich so im unwegsamen Gelände zurecht», erklärt Volker Dürr von der Bielefelder Uni. «Sie brauchen dafür nicht einmal Licht», hält er fest.
Die künstlichen Fühler der deutschen Forscher bestehen aus einem 40 Zentimeter langen Plastikstabpaar. Am einen Ende der Antennen sorgt ein Motor für ovale Bewegungen. Am anderen ist ein Beschleunigungssensor eingebaut. Anders als bei herkömmlichen Tastsensoren, die nur an der Spitze auf Druck reagieren, lässt sich der Fühler auf seiner ganzen Länge als Informant nutzen. Je nachdem, an welchem Punkt der Fühler den Gegenstand berührt - also eher in der Mitte oder am Ende des Stabs -, ändert sich die Schwingungsfrequenz. «Ist das Hindernis nah am Sensor, so ist die Frequenz hoch. Wenn er weit entfernt ist, schwingt die Spitze langsamer», erklärt Oliver Lange vom IFF das Funktionsprinzip. Neben diesem Wert wird auch noch der Winkel des Stabs bei der Berührung gemessen. Aus diesen beiden Informationen lässt sich sodann die Position eines Objekts im Raum errechnen.
An der Bielefelder Uni wurden die Fühler bereits an den seit Längerem in der Entwicklung befindlichen Grasshüpferroboter Tarry montiert. Die ersten Testergebnisse waren für die Forscher so überzeugend, dass sie das Funktionsprinzip der Kunstantennen zum Patent angemeldet haben.
Eine Kommerzialisierung wird nicht ausgeschlossen. Denn die Fühler sind billig herzustellen. «Unser Sensor besteht aus einem einfachen Plastikstab, durch den wir ein paar Drähte gezogen haben, zwei Motoren und einem Beschleunigungsfühler, der maximal 20 Euro kostet», rechnet Lange vor. Schliesslich sei ihr Prinzip weniger störanfällig als andere Sensorenkonzepte. «Besonders in staubigen und schmutzigen Umgebungen versagen viele optische Sensoren und Kamerasysteme», weiss der Fraunhofer-Forscher zu berichten. Die Kunstfühler könnten somit auf Roboter montiert werden, die einen entsprechenden Raum erkunden müssen.



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