Gastbeitrag 17.10.2019, 08:00 Uhr

Dos und Don’ts im Chatbot Design

Sie spielen mit dem Gedanken, einen Chatbot auszuprobieren? Dann sind Sie hier richtig. Am Schluss dieses Textes haben Sie eine klarere Vorstellung davon, was auf Sie zukommt und wie Sie am besten vorgehen. Und Sie erfahren, warum Sie jetzt damit beginnen sollten.
Der Kundendienst kann bei Chatbot-Projekten meist wertvolle Unterstützung bieten
(Quelle: Shutterstock/Song_about_summer)
Sie überlegen, einen Chatbot für Ihre Firma zu bauen? Wissen Sie bereits genau, was Ihre Kundinnen wissen wollen und wie sie dies fragen werden? Wissen Ihre Kunden überhaupt, was sie fragen können? Das klingt banal, ist es aber nicht. Denn viele wissen zu wenig, um überhaupt eine klare Frage formulieren zu können. Das führt uns zu Punkt eins:

Was wollen die User?

Do: Die User und ihre Fragen kennen lernen!
Don’t: Ziellos loslegen!
Ein aktuelles Beispiel ist der Chatbot Parli: Dieser erklärt Neuwählern, wie das mit dem Wählen funktioniert. Neuwähler kennen beispielsweise Wörter wie Kumulieren oder Panaschieren noch nicht und können deshalb gar nicht danach fragen. Also erklärt ihnen Parli Schritt für Schritt, wie das Wählen funktioniert. Parli ist ein regelbasierter Chatbot. Er liefert Usern an der Stelle mehr Informationen, an der sie mehr wissen wollen. Regelbasierte Chatbots sind vergleichsweise einfach zu bauen, da sie keine künstliche Intelligenz besitzen. Faktisch bietet diese Form des Chatbots ein multilineares Storytelling, bei dem jede Verknüpfung von einem Menschen gesetzt wurde.
Wenn die Anwenderinnen jedoch mit ganz konkreten Fragen kommen, dann muss es ein sprachbasierter Chatbot sein. Ein Beispiel: Ein Anwender ist kurz davor, seine Wohnung abzugeben und hat einen Fleck an der Wand. Er weiss nicht, wie das läuft mit der Abnutzung und wann er die Wand neu streichen lassen muss. Also interessiert er sich für die Antwort auf seine spezifische Frage. Das ganze Drumherum um die Abgabe der Wohnung rückt hingegen in den Hintergrund. Also muss der Chatbot eine passende Antwort geben auf eine Frage wie: «Die Wand im Kinderzimmer hat einen Fleck. Muss ich sie vor Abgabe meiner Wohnung neu streichen?» Diese Chatbots benötigen künstliche Intelligenz, die Natural Language Processing (NLP) und Textverständnis beherrscht. Ein solcher Chatbot macht die Verknüpfungen von der User-Eingabe zu den Antworten selber. Am Anfang wird die Qualität der Antworten nicht besonders gut sein. Menschen müssen den Chatbot trainieren, damit er lernt, die richtigen Antworten auszuspielen. Der Aufwand dafür ist in der Regel grösser als für das Bauen eines regelbasierten Chatbots.

Wie werden die Fragen beantwortet?

Do: Daten strukturieren, damit sie nutzbar werden
Don’t: Plug & Play
Nun haben Sie den richtigen Einsatztyp für Ihren Chatbot identifiziert, aber woher kommen seine Antworten? Denn ein Chatbot ist keine Enzyklopädie mit kryptisch langen und umfangreichen Antworten. Er gibt die Texte in kleinen, gut verständlichen Portionen aus. Diskutieren Sie das doch einmal in Ihrem Unternehmen mit Ihrem Kundendienst oder Ihren Kundenberatern, denn diese pflegen den direkten Kontakt mit den Kunden. Vielleicht verfügen sie in der Kundenpflege bereits über einen Leitfaden? Oder sie haben Antworten verfasst, die sie auf der Website in Form von Fragen und Antworten oder Frequently Asked Questions (FAQ) den Userinnen und Usern zur Verfügung stellen?
Auf dieser Grundlage können Sie aufbauen. Haben Sie noch nichts in der Richtung, müssen Sie Ihre Daten zuerst in die geeignete Struktur bringen. Das hat ganz spezifisch mit Ihrem Unternehmen und Ihrem Business zu tun; eine brauchbare Plug-and-Play-Lösung gibt es leider keine.

Welche Persönlichkeit soll der Bot haben?

Do: Persönlichkeit definieren und in Konversationen texten
Don’t: Plausible/erwünschte Fragen selbst ausdenken
Was sich selten jemand im Vorfeld überlegt, ist entscheidend für ein gutes Resultat: Welche Persönlichkeit hat Ihr Chatbot? Denn ein Chatbot liefert alle Informationen in Form eines Dialogs, eine Konversationsform, die uns Menschen sehr viel näher, eingängiger und verständlicher ist als ein langer Artikel. Aber um zu wissen, wie dieser Chatbot textet, müssen Sie wissen, wie er aufgebaut ist, was zu seiner Aufgabe gehört und inwieweit er zu Ihrem Unternehmen passt. Dazu müssen Sie beispielsweise genau wissen, wie das Zielpublikum «tickt». Entsprechend müssen Sie darauf achten, ob ein Chatbot die Besucher einer Website duzt oder siezt. Muss er sich eher formal ausdrücken oder darf er eine lockere «Schnurre» haben?
Aber Vorsicht: Das Texten in Konversationen orientiert sich am Mündlichen und gesprochene Sprache ist definitiv etwas anderes als geschriebene Sprache. Das heisst, Sie müssen Ihre Informationen dementsprechend texten. Um in gesprochener Sprache zu texten, hilft es, das Geschriebene immer wieder laut an einem Gegenüber auszuprobieren.
Es empfiehlt sich überdies, einen Chatbot immer deutlich als einen solchen erkennbar zu machen, um die richtige Erwartungshaltung zu wecken. Der Chatbot sollte nie den Eindruck vermitteln, es sitze ein Mensch am anderen Ende der Konversation. Denn so schlau werden Chatbots bis auf Weiteres nicht sein. Und wenn ein Bot keine Konversation wie ein Mensch führen kann, wird er den Anforderungen letztlich nicht standhalten können und die grosse Enttäuschung bei der Anwenderin ist vorprogrammiert.

Wie vorgehen?

Do: Gezielte Nische aussuchen, klein anfangen, Erfahrungen sammeln und iterativ weiterentwickeln!
Don’t: Über alles einen Chatbot stülpen!
Wenn schon ein Chatbot, dann soll der doch gleich alles beantworten können. Mit diesem Anfangsauftrag werden sowohl der Chatbot als auch Sie mit grosser Wahrscheinlichkeit überfordert sein. Denn wahrscheinlich passt die zugrunde liegende Datenstruktur noch nicht, die Persönlichkeit des Chatbots ist noch undefiniert und welche Ziele Sie mit dem Chatbot erreichen wollen, dürfte zu Beginn des Projekts wahrscheinlich nur ungefähr klar sein. Gehen Sie daher am besten iterativ vor. Idealerweise suchen Sie sich einen thematisch abgesteckten sowie überschaubaren Bereich und fangen Sie mit einem kleinen Chatbot-Projekt an. Auf diese Weise lernen Sie, wie aufwendig in Ihrem Fall die Aufarbeitung der Datenstruktur ist und wie Sie das am effektivsten angehen. Sie sammeln zudem Erfahrungen mit dem Texten von Konversationen und stellen fest, wie Ihre Kunden auf diese reagieren. Auf der Basis können Sie Ihren Chatbot anschliessend weiterentwickeln.

Ausblick

Der Aufwand ist nicht klein, zugegeben. Aber die Zukunft gehört den konversationsbasierten Dialogformen. Technologien wie die Sprachsteuerung machen derzeit grosse Fortschritte. Natural Language Processing beschränkt sich nicht auf geschriebenen Text, sondern umfasst auch gesprochene Rede. Auch wenn das Verständnis für Sprache noch etwas dürftig ist. Digitale Sprach-Assistenzen verstehen momentan faktisch nur Kommandos, sie führen aber noch keine echte Konversationen mit ihren Anwenderinnen und Nutzern. Doch die Entwicklung schreitet rasant voran. Und spätestens, wenn einfache Sätze verstanden werden, wird sich die Sprachsteuerung mittels geeigneter Anwendungsfälle disruptiv durchsetzen.
Für sprachbasierte Anwendungen gilt aber letztlich die gleiche Aufarbeitung der Datenstruktur, die gleiche Festlegung der Konversationsform. Das bedeutet, dass Sie mit dieser Vorbereitung heute einen Chatbot bauen und morgen eine sprachbasierte Applikation.
Und jetzt wäre genau der richtige Zeitpunkt, um mit Chatbots erste Erfahrungen zu sammeln, darum starten Sie noch heute. Ich wünsche viel Erfolg und viel Spass!
Der Autor
Ramón Bill
Zeix AG
Ramón Bill ist Senior User Experience Architect bei Zeix. www.zeix.com/chatbots

Das könnte Sie auch interessieren