Praxis
02.11.2015, 08:38 Uhr
Vom Projektleiter zum leidenschaftlichen Produktmanager
Agile Entwicklungsprozesse machen uns als Projektleiter die Rolle streitig und ohne „Likes und Followers“ sind wir für ein Projektteam der Generation Y nicht existent:
Wohin entwickelt sich das Projektmanagement und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für uns Projektleiter? Vier Trends, die ich sehe:
- Vom Grossprojektleiter zum Leiter des Produkt- und Projektportfolios
- Wir sind Team-Entwickler einer Feedback-Generation
- Anspruchsvolle Arbeit lösen wir in Zukunft auch ohne Projektleiter
- Weniger Projektmanagement, mehr Organisationsentwicklung
1. Vom Grossprojektleiter zum Leiter des Produkt- und Projektportfolios
Grossprojekte bewegen viel Geld. Ein erfolgreicher Abschluss bringt uns Ruhm, Ehre und fördert die Karriere. Bei Erfolg können wir stolz sein auf die Projektgrösse und die Anzahl Mitarbeitenden, die wir führen. Mit dem Erfolg kommt der Bonus und wir übernehmen noch grössere Projekte.
Jedoch bringen manche Grossprojekte erst nach vielen Verhandlungen und langer Entwicklungszeit einen Nutzen fürs Unternehmen. Die Starteuphorie, unterschätzte Komplexität und Veränderungswiderstand lassen Grossprojekte auch scheitern. Als erster haftet dann der Projektleiter.
Anstatt dieses Risiko einzugehen, können wir das Grossprojekt in kleine Einheiten teilen, die dem Kunden und den Anwendern früher einen Nutzen bringen und ein Bedürfnis stillen. Das bringt Erfolg und schafft Vertrauen. Organisationen nehmen kleine, erfolgreiche Projekte bzw. Veränderungsschritte oft besser an.
Diese kleinen Projekteerfolge aneinandergereiht ergeben den Gesamterfolg des Grossvorhabens und sind Teil eines übergeordneten integriertem Produkt- und Projektportfolios, das nach Nutzen anstatt Ressourceneinsatz optimiert wird. Das Ziel ist, mit der Geschäftsleitung das Portfolio zu priorisieren, sowie die Produktideen von Mitarbeitenden, Kunden und Lieferanten einzubinden und so schnell wie nötig umzusetzen.[1]
Daraus folgt, dass es nicht mehr genügt, Projekte ?in time, budget and scope? zu realisieren, sondern nach Nutzen priorisierte Produkt- und Projektportfolios. Wenn wir für erfolgreich in die Organisation integrierte Kurzprojekte belohnt werden, anstatt fürs Grossprojekt den Kopf hinzuhalten, profitieren Auftraggeber, Kunden, Mitarbeitende und wir von erfolgreich realisierten Produkten mit Mehrwert.
2. Wir sind Team Entwickler einer Feedback-Generation
Schnelles Feedback gibt Sicherheit und das bekommt jeder online oder von den Kollegen. Wenn vernetzte Menschen ein gutes Gefühl wollen, dann veröffentlichen sie etwas Lässiges (oder Lästerndes) und fühlen sich durch eine schnell steigende Like-Zahl bestätigt.
Im Beruf wollen sie schnelles Feedback vom kongenialen Chef, ihrem kollegialen, anerkannten und kompetenten Coach. Ihn kann man ? wie einen guten Kollegen oder Google ? alles fragen, ohne gleich benachteiligt zu werden.
Wir finden auch schnell Feedback über andere online. Bevor ich den neuen Produktmanager treffe, schaue ich zuerst nach, wer er ist. Hat er aussagekräftige und sympathische Einträge, bekommt er Pluspunkte. Ist er in der Realität authentisch zum Online-Profil, dann hat er schon fast gewonnen.
Daraus folgt, dass wir als Führungskraft digital wie real authentisch sein sollten. Als Team-Entwickler der Feedback-Generation geben wir ihnen durch schnelles Feedback Sicherheit und die Chance sich weiterzuentwickeln. Das Teilen von Wissen wird im Projekt gefördert, u. a. mit Projekt-Wiki, Slack[2] und kostenlosem Kaffeetreff.
Ein Team, das wir gut coachen und wertschätzen, geht auch im nächsten Projekt gemeinsam durch dick und dünn. Das ist das beste ?Reusable Asset?, das wir als Team-Entwickler aufbauen können: Teams, die ihre Stärken und Schwächen kennen und sie erfolgreich nutzen.
3. Anspruchsvolle Arbeit lösen wir in Zukunft auch ohne Projektleiter
Zukünftige IT-Systeme und Roboter werden von allen Menschen lernen, die sie nutzen. Sie werden mehr Fach-, Verhaltens- und Fehlerwissen haben, als ein Mensch. Damit können sie die Wahrscheinlichkeit des nächsten Ereignisses berechnen, bevor wir danach fragen. Sie übernehmen immer mehr Routinearbeit von uns.
Anträge und Rapporte, die wir heute mit Excel erstellen, ausfüllen lassen, aufbereiten und weiterleiten, verschwinden ins cloud-basierte Project Office. Die administrativen Aufgaben werden besser automatisiert und wir werden uns auf den anspruchsvollen Teil der Arbeit fokussieren.[3]
Neue Technik ermöglicht neue Geschäftsideen, d. h. komplexe Vorhaben und Veränderungen in Unternehmen werden mehr, nicht weniger. Zum anspruchsvollen Teil unserer Arbeit zähle ich deshalb die Organisationsentwicklung, die Führung des integrierten Produkt- und Projektportfolios, sowie Recruiting und Coaching von selbstorganisierten Teams.
Daraus folgt, dass wir unsere Fähigkeiten in Erwartungsmanagement und Mediation, in Product und Team Leadership[4], sowie Recruiting und Coaching von Teams weiterentwickeln sollten. Gute Fähigkeiten in Requirements und Usability Engineering zu haben, ist von Vorteil in der Produktentwicklung.
Dieses komplexe Aufgabenspektrum kann heute ein Projektleiter alleine nicht meistern. Wenn wir aber im interdisziplinären Produkt-Team aus Product Manager (Business Vision), Usability Engineer (Customer View), Lead Developer (Technical Feasibility) undselbstorganisiertem Entwicklungsteam arbeiten[5], dann meistern wir schwierige Entscheidungen und Herausforderungen erfolgreich, auch ohne Projektleiterrolle.
4. Weniger Projektmanagement, mehr Organisationsentwicklung
Das Projektmanagement ist ursprünglich als ?Rakete? neben der Linienorganisation gestartet. Jedoch wird Projektmanagementwissen nicht gut genug angewendet. Projekte in Unternehmen und Organisationen sind oft zu wenig effektiv und effizient, das heisst weder sinnvoll noch produktiv. Nur 13% der Projektarbeit ist wertschpfend.[6]
Agile Methoden und Teams sind bestrebt sinnvolle Projekte (?Business Value?) und produktive Projekte durch Selbstorganisation und Team Retrospektiven zu realisieren. Doch auch agile Projekte unterliegen den Konflikten zwischen Projekt- und Linienorganisation.
Beide konkurrieren um schlaue Köpfe und Budget. Die Projekte können Verlustängste sowie eine Abwehrhaltung bei den Mitarbeitenden in der Linie auslösen. Plötzlich wird mehr Erwartungs- und Change-Management vom Projektteam erwartet, wofür es selten ursprünglich zusammengestellt wurde.
Daraus folgt, dass wir gemeinsam mit der Linie und der Geschäftsleitung Innovation und Veränderung planen sollten, in Grössen, die verträglich für Mitarbeitende und Organisation sind, anstatt nachgelagert Change-Management anzuwenden. Nicht nur Menschen in Teams, sondern die ganze Organisation wird von aktiver Entwicklung profitieren, z. B. durch ein integriertes Produkt- und Projektportfolio, Coaching- und Mediationsangebote.
Zusammenfassung
Wenn Grossvorhaben in beherrschbare Einheiten geteilt werden, Teams mehr Erfahrung in Selbstorganisation gewinnen, Routinearbeit immer besser automatisiert wird, dann werden weniger ?in time, budget and scope? Projektleiter benötigt ? stattdessen profitiert ein Unternehmen von
- Portfolio- und Produktmanagern mit Begeisterungsfähigkeit,
- Organisations- und Teamentwicklern mit Empathie und
- hochspezialisierten Experten, z. B. Software Architekten,
um komplexe Systeme erfolgreich zu entwickeln.
Welche Trends im Projektmanagement beobachtet ihr?
[1] Vgl. Henry William Chesbroughs Open Innovation Methode, um interne und externe Partner und Marktzugänge für Fortschritt zu nutzen.
[2] Slack macht Dokumente und Dialoge aus verschiedene Tools an einem Ort durchsuchbar,https://slack.com.
[3] Gunter Dueck referiert über die Zukunft der Arbeit und Bildung, https://youtu.be/bGX-H6zDUVg.
[4] Leadership ist die Fähigkeit für eine Vision zu begeistern und gemeinsam Veränderung herbeizuführen.
[5] Jeff Pattons Passionate Product Owner ist ein Dreierteam das gemeinsam das Produkt zum Erfolg führt http://jpattonassociates.com/services/training/certified-scrum-product-owner-course/.
[6] Manfred Grögers Studie ? Projektmanagement: Abenteuer Wertvernichtung -, München 2004,http://www.pmaktuell.org/PMAktuell-200404/022-Report-Steeger1-GPM.
[2] Slack macht Dokumente und Dialoge aus verschiedene Tools an einem Ort durchsuchbar,https://slack.com.
[3] Gunter Dueck referiert über die Zukunft der Arbeit und Bildung, https://youtu.be/bGX-H6zDUVg.
[4] Leadership ist die Fähigkeit für eine Vision zu begeistern und gemeinsam Veränderung herbeizuführen.
[5] Jeff Pattons Passionate Product Owner ist ein Dreierteam das gemeinsam das Produkt zum Erfolg führt http://jpattonassociates.com/services/training/certified-scrum-product-owner-course/.
[6] Manfred Grögers Studie ? Projektmanagement: Abenteuer Wertvernichtung -, München 2004,http://www.pmaktuell.org/PMAktuell-200404/022-Report-Steeger1-GPM.