Metriken 21.09.2015, 09:00 Uhr

Misunderstanding

Als Entwickler war ich in der komfortablen Lage, Metriken, die mir und dem Team aufgezwungen wurden, zurechtzubiegen. Nun wurde ich letztens als agiler Coach engagiert und einer der Punkte meines Auftrags war:
Artikel direkt im Zhlke-Blog lesen
?Erarbeitung von Vorschlägen zur Messbarkeit der Team-Performance?. Ich habe den Punkt bewusst in meiner Aufgabenstellung drin gelassen. Ich wollte meine Vorurteile gegenüber der Aussagekraft vom Metriken auf den Prüfstand stellen.
Lieber Leser, liebe Leserin, ich nehme Sie mit auf meiner Reise auf der Suche nach der besten Metrik.
Metriken gibt es wie Sand am Meer. Es gibt welche zu SAFe-Programm-Metriken, zu SAFe-Portfolio-Metriken, zu Disciplined Agile Delivery usw. Oder natürlich die Klassiker wie Team-Velocity in Scrum oder Durchlaufzeit von Kanban-Tickets.
Keine der Metriken-Beispiele, die ich fand, überzeugten mich. Jede Metrik konnte ?beschönigt? werden. Meine Vorurteile wurden auch im Management 3.0 Workout-Buchim Metriken-Kapitel bestärkt: Messungen werden verfälscht, sobald bekannt ist, was gemessen wird. Insbesondere, wenn eine persönliche Benachteiligung zu befürchten ist oder eine Belohnung im Vordergrund steht. Selbst wenn keine Leistungsbeurteilung einer Person abgeleitet wird, werden die Messresultate beschönigt.
Allerdings stand wenig später im selben Kapitel auch, was getan werden kann. Zum Beispiel muss es dem Team ermöglicht werden eigene Metriken zu installieren. Die Metriken sollen für die Teams selbst einen Nutzen haben. Für die Motivation sollten Teams auch bewusst Dinge messen, die jetzt schlecht/langsam laufen und verbessert werden können. Diese Suche nach Verbesserung motiviert.
Nichtsdestotrotz gibt es Metriken, die benötigt werden, um Stakeholder transparent zu informieren. Das wichtigste in solchen Fällen ist das Ziel resp. den Zweck zu kommunizieren, Verständnis für den Einsatz zu schaffen und vor allem die Motivation dahinter offen zu legen.
Im konkreten Projekt machten wir es genau so. Im Management-Team gingen wir den Zielen der Messung auf den Grund. Das Hauptziel der Messungen in meinem Mandat war zu zeigen, dass sich Investitionen in Änderungen ? namentlich die Einführung von Kanban und den entsprechenden elektronischen Tools ? gelohnt hat und eine Produktivitätssteigerung stattgefunden hat. Ein weiteres Ziel war Effekte von zukünftigen Massnahmen aufzeigen zu können.
Diese Ziele wurden transparent kommuniziert. Es ging also nicht darum einzelne Mitarbeiter zu messen oder über ein Bonus/Malus-System zu ?motivieren?. Ursprüngliches Unverständnis konnte bei den Teams abgebaut werden. Die Firma hatte Geld investiert und wollte nun wissen, ob sich die Investition in die Agilität gelohnt hat.
Trotz Transparenz und Verständnis kann es passieren, dass die einzelnen Metriken zurechtgebogen werden. Man will schliesslich als Team gut dastehen oder den Chefs resp. Verantwortlichen einen vermeintlichen Gefallen tun. Damit das Gesamtbild stimmig bleibt, wird das Ziel über mehrere Metriken abgedeckt. Mehrere Metriken messen Aspekte des gleichen Ziels. Das Herausarbeiten der Ziele hat uns geholfen, solche Metriken zu finden.
Konkret hatten wir folgende Vorschläge für Metriken, die unser Ziel abdecken
  • Anzahl abgeschlossene ?Kanban-Tickets? vs. eingehende Anfragen pro Monat
  • Durchlaufzeit pro Request
  • Process Cycle Time pro Kanban-Board-Spalte
  • Liegezeit eines Ticket (Ticket ist bereit für die nächste Spalte, wird aber noch nicht genommen) vs. Arbeitszeit am Ticket
  • Zeit im Status ?blockiert?
sowie jedes einzelne Team zu motivieren Team-eigene Metriken zu installieren.
Im Grossen und Ganzen keine Zauberei oder Wundermetriken.
Lange war ich also in der komfortablen Lage, Metriken, die mir und dem Team aufgezwungen worden sind, zurechtzubiegen. Jetzt muss/darf ich anderen Metriken auferlegen und wünsche mir keine beschönigte Metriken durch mein früheres jugendliches Entwickler-Ich. Auf der Reise waren folgende Erkenntnisse wichtig:
  • Das Bestimmen und die Kommunikation der Ziele ist der wichtigste Punkt in der Arbeit mit Metriken. So können auch die richtigen und wichtigen Metriken bestimmt werden.
  • Nicht das Zurechtbiegen der Metriken ist das Problem, sondern die fehlende Kommunikation der Absicht hinter den Metriken und
  • das Installieren mehrerer Metriken, die Aspekte des gleichen Ziels messen.


Das könnte Sie auch interessieren