Fabian Bernhard, Veeting 05.03.2021, 12:19 Uhr

Veeting-CEO: «Webkonferenzen werden auch nach der Pandemie weiter zunehmen»

Der Schweizer Anbieter von Viedokonferenzlösungen Veeting ist zuletzt deutlich gewachsen. Die Pandemie war aber nur ein Grund dafür. Im Interview spricht CEO Fabian Bernhard über den Geschäftsgang und nennt Tipps für ein erfolgreiches Online-Meeting.

Fabian Bernhard, CEO, Veeting

(Quelle: Veeting)
Videokonferenzen, virtuelle Team-Meetings, Webinare: Mit der Pandemie ist der Bedarf an digitalen Kommunikationsmitteln stark gewachsen. Das spielt Anbietern wie Google und Microsoft in die Hände – aber auch Newcomern wie Veeting. Das Unternehmen bietet Webkonferenzsoftware an «Made in Switzerland».
Gemäss den jüngst veröffentlichten Geschäftszahlen verzeichnete Veeting zuletzt 2800 Kunden, die 120'000 Sessions abhielten. Zusätzlich bietet der Hersteller die Software als Whitelabel-Produkt kommerziellen Partnern an. Deren Zahl stieg im vergangenen Jahr um 30 auf 250 an. Die Konzentration auf das Whitelabeling-Geschäft sei ein strategisch wichtiger Entscheid gewesen, betont Veeting-CEO und Gründer Fabian Bernhard.
Immer mehr Unternehmen würden Webkonferenzen nicht mehr als notwendiges Übel, sondern als integralen Teil ihrer langfristigen Arbeitskultur innerhalb des Unternehmens und über die Unternehmensgrenzen hinweg ansehen. «Online-Beratung hat sich definitiv als etablierter Kommunikationskanal nach aussen hin etabliert», nennt Bernhard als Beispiel. Mit Veeting können auch Wiederverkäufer wie etwa IT-Firmen unter ihrem Brand eine Lösung anbieten oder ihren Kunden die Möglichkeit geben, die Webkonferenzen mit deren eigenen Marke zu versehen. Zusätzlich habe der Trend zu mehr Online-Events das Geschäft gefördert.
Im Interview spricht Bernhard über den aktuellen Boom bei Videokonferenzlösungen und wie es nach der Pandemie weitergehen könnte. Zudem gibt er Tipps für eine erfolgreiche Videokonferenz.
Computerworld: Die meisten Firmen arbeiten mit Microsoft und Teams ist nur wenige Klicks entfernt. Wie überzeugen Sie Unternehmen von Ihrer Lösung?
Fabian Bernhard: Microsoft Teams und Veeting adressieren unterschiedliche Bedürfnisse. Teams ist für eine firmeninterne Kommunikation sicher bestens geeignet. Sobald man aber über Unternehmensgrenzen hinweg mit Personen kommunizieren will, die keine Teams-Lizenz besitzen oder besonderen Datenschutz erwarten, bietet Veeting viele Vorteile. Man lädt die Konferenzteilnehmer in sein eigenes virtuelles Büro ein, genauso wie wenn man sie physisch in seinem eigenen Büro empfangen würde. Denn mit der White-Label-Möglichkeit besuchen die Teilnehmer die Website unserer Kunden und sehen das Logo und die Farben des Unternehmens, was natürlich Vertrauen fördert. Der Link, den man verschickt, ist ein Link mit der Webadresse des Kunden. Niemand muss eine App herunterladen. Über diesen positiven Marketing-Aspekt hinaus ist Veeting für die Zusammenarbeit viel besser geeignet als die bekannten Videokonferenz-Lösungen.
CW: Das sagen die anderen Hersteller auch. Was machen Sie anders?
Bernhard: Unsere Tools sind so gestaltet, dass man sehr kollaborativ arbeiten kann, zum Beispiel gemeinsam an einem Text schreiben, auf einem Whiteboard zeichnen etc. Zu guter Letzt ist für unsere Kunden wichtig, dass der Datenschutz gewährleistet bleibt. Denn die Daten bleiben immer unter der Kontrolle einer Schweizer Firma in einem Schweizer Rechenzentrum.
CW: Was unterscheidet Ihre Software von gelobten Open-Source-Lösungen, wie etwa Jitsi?
Bernhard: Einerseits fokussiert sich Jitsi fast ausschliesslich auf die Videofunktion, Veeting fast ausschliesslich auf Zusammenarbeit. Die Jitsi-Macher wollen weniger Funktionen, nicht mehr. Bei Veeting gibt es natürlich auch die Kamera-Anruffunktion. Aber unser Schwerpunkt liegt bei der Web-Collaboration für effiziente Geschäftssitzungen. Viele Webhoster bieten kostenlos Jitsi-Lösungen an. Um eine solche Lösung auch warten und skalierbar machen zu können, braucht es vertiefteres Wissen, als eine Software auf einem Server zu installieren. Eine solche Dienstleistung kann man nicht kostenlos anbieten. Ein Jitsi-Lieferant müsste also für einen Unternehmenskunden auch Know-how im Audio- und Video-Bereich haben und dafür entsprechend investieren. Wir bei Veeting sind seit 2014 Experten für WebRTC und sind deshalb mit den Standards für Echtzeitkommunikation von Rechner zu Rechner bestens vertraut. Wir kennen die Herausforderungen, etwa wie man eine Lösung skalierbar macht. Wir bei Veeting programmieren alles selbst und implementieren Kundenwünsche in die Applikation. Bei Jitsi hingegen muss man sich mit den Funktionalitäten zufrieden geben, die die Entwickler anbieten.
CW: Wie hosten Sie Ihre Lösung? Mit welchen technischen Partnern arbeiten Sie zusammen?
Bernhard: Wir betreiben die Lösung selbst und hosten grundsätzlich die Server aller Schweizer und europäischen Kunden beim Zürcher Webhoster Metanet. Dies deshalb, weil wir sehr zufrieden sind mit den Dienstleistungen, und natürlich, weil Metanet eine Schweizer Firma ist mit eigenen Datencentern in der Schweiz ist. Auf Kundenwunsch, zum Beispiel für Universitäten, betreiben wir Server auch bei Switch, und für internationale Kunden in Übersee, wenn dies so gewünscht wird, auch ausserhalb der Schweiz.
CW: Mit dem ersten Lockdown stieg der Einsatz virtueller Konferenzlösungen sprunghaft an. Wie haben Sie die Zeit erlebt?
Bernhard: Es war eine aussergewöhnliche Zeit. Als damals an dem Freitag der Bundesrat den Lockdown bekanntgegeben hat, ging es los wie eine Lawine. Bis Mitte Mai haben wir sieben Tage die Woche 15 bis 16 Stunden gearbeitet. Alle und jeder wollte nicht nur eine Webkonferenzlösung, sondern Beratung obendrein. Im ersten Monat verzeichneten wir 20 mal mehr Meetings von bestehenden und neuen Kunden als zuvor.
CW: Wie haben Sie die zusätzliche Last technisch aufgefangen?
Bernhard: Wir mussten die Server-Kapazitäten in kurzer Zeit verdreifachen. Wir konnten dank unserem Know-how die Plattform so schnell skalieren, dass es nie zu einem Unterbruch gekommen ist. Schön war auch, dass Firmen, die früher eher skeptisch waren und ohne den Lockdown kein Video für Sitzungen eingesetzt hätten, realisierten, dass virtuelle Geschäftssitzungen eben sehr effizient sind.
CW: Wie ist Ihr Unternehmen seither gewachsen, inwieweit verzeichnen Sie auch Wachstum, das voraussichtlich über die Pandemie-Phase hinaus anhalten wird?
Bernhard: Längerfristig ist seit dem ersten Lockdown der Umsatz deutlich angestiegen. Heute haben wir indes eine stabilere Anzahl Kunden. Denn im Frühjahr 2020 hatten viele eine Lösung gesucht, brauchten aber eigentlich nur Video und weniger Kollaborations-Funktionen. Die arbeiten heute eher mit Gratisanbietern. Dass Veeting aber im vergangenen Jahr sehr stark gewachsen ist, ist nicht allein auf die Pandemie zurückzuführen. Einen grossen Einfluss hatten Optimierungen im indirekten Verkauf. So können heute Distributoren und Reseller auf eigens dafür eingerichteten Portalen ohne unser Zutun Whitelabel-Instanzen erfassen und so Veeting Rooms als Premium Service ihren Unternehmenskunden anbieten. Mittlerweile halten weltweit über 2800 Firmen mit unseren Services Geschäftssitzungen ab.

Kunden, Zukunftspläne und Tipps

CW: Wer waren vor der Pandemie typische Kunden von Veeting?
Bernhard: Früher waren es eher Early Movers, also KMU mit einer grösseren digitalen Affinität.
CW: Wie hat sich die Kundenstruktur verändert seit der Pandemie?
Bernhard: Über die Dauer gesehen hat sich die Kundenstruktur insofern verändert, dass für KMU, die früher selten Video oder Web-Konferenzen eingesetzt haben, diese heute nicht die Ausnahme, sondern integraler Bestandteil der Geschäftskultur geworden sind. Viele Kunden haben entschieden, Veeting Rooms strategisch einzusetzen, also nicht, weil sie unter Druck stehen, sondern weil sie eine längerfristige Lösung suchen. So wie Home Office Teil der Arbeitskultur bleiben wird. Es gibt heute auch sehr viele virtuelle Events. Diese machen die Firmen üblicherweise nicht mit Veeting, sondern mit unseren Partnern wie beispielsweise xtendx, die Broadcasting-Plattformen für Events anbieten, bei denen die Technologie und die Funktionen von Veeting Teil des Gesamtpakets sind.
CW: Sie haben mehrfach das Whitelabel-Geschäft angesprochen. Welche Bedeutung hat es für Veeting?
Bernhard: Das Whitelabel-Geschäft läuft hervorragend und hat sich als eines der Kernbestandteile neben dem Reseller-Business entwickelt. Die Anzahl Whitelabel-Instanzen ist letztes Jahr auf über 250 angewachsen. Gerade eben, weil viele Kunden die Image-Vorteile sehen, wenn man eine Konferenz-Lösung unter dem eigenen Brand daherkommt, und auch, weil sich Veeting in die eignen Prozesse integrieren lässt.
CW: Können Sie einige Kundenbeispiele nennen?
Bernhard: So empfiehlt zum Beispiel der Bundesverband der Datenschutzverantwortlichen Deutschlands uns offiziell als datenschutzkonforme Videokonferenzlösung, was uns insbesondere in Deutschland einen Schub verschafft hat. Darüber hinaus sind wir eine Kooperation mit der erster Online-Ferienmesse der Schweiz des Schweizer Reiseverbands eingegangen. Für die Messe ist Veeting offizieller Partner für Videoberatung der Kunden. Das heisst, Reisebüros können Veeting benutzen, um Kunden Destinationen vorzustellen. Weiter haben wir mit Jurata, einem Schweizer Start-up für Rechtsberatung, PonteNet, einem Dienstleister für Ärztenetzwerke und medizinische Versorgungsmodelle im Bereich Managed Care oder Viselio, ein Reise-Startup, das neu auch Covid-Testberatungen über Video anbietet, neue Kunden gewinnen können. Das Whitelabel-Geschäft ist auch anderweitig gewachsen. Unser Partner xtendx konnte mit der auf Veeting basierenden Platform simplex Meeting unter anderem die Vereinigung der Strassenverkehrsämter ASA, den Event-Platformanbieter eyevip cloud oder die Vermögensverwaltung und Finanzberatungsfirma Riedweg & Hrovat als Whitelabel-Kunden gewinnen.
CW: Lassen Sie uns in die Zukunft blicken: Was machen Sie nach der Pandemie, wenn die Leute sich wieder von Angesicht zu Angesicht treffen können – und wollen?
Bernhard: Wir stellen aus Gesprächen mit Kunden fest, dass die Verwendung von Webkonferenzen als Alternative zu physischen Sitzungen weiter zunehmen wird. Homeoffice und Online-Meetings werden vermehrt stattfinden, nicht weniger. Die Pandemie hat in der Arbeitskultur eindeutig einen gesellschaftlichen Wandel angestossen.
CW: Sie sind der Fachmann: Wie lauten Ihre fünf Tipps für eine erfolgreiche Videokonferenz?
Bernhard: Meine fünf Ratschläge für eine Videokonferenz lauten:
  1. Für Geschäftssitzungen sollte man eine professionelle Konferenzlösung wählen, nicht bloss eine auf Audio, Video und Chat beschränkte Software.
  2. Die zur Verfügung stehenden Tools soll man nutzen, weil man sich besser ausdrücken kann. Manchmal reichen Worte nicht und es braucht zum Beispiel eine Zeichnung oder Notizen auf dem Board, wie man sie an einer physischen Sitzung mit einem Flipchart auch anwendet. Zweck der Hilfsmittel ist ja, sich genauer und besser verständlich machen zu können.
  3. Wenn sensible Informationen ausgetauscht werden, einen Anbieter wählen, der den Datenschutzanforderungen gerecht wird. Das heisst einen Schweizer Hersteller mit Schweizer Rechenzentrum.
  4. Gerade im Homeoffice muss der Hintergrund stimmen. Deshalb sollte man einen neutralen oder optisch ansprechenden Hintergrund wählen. Falls das nicht möglich ist, kann in vielen Tools der Hintergrund unscharf geschaltet werden.
  5. Um Umgebungsgeräusche zu vermeiden und besser verständlich zu sein, empfiehlt es sich immer, ein Headset verwenden.



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