Leoba 21.06.2023, 06:15 Uhr

Innovation für Kinderbetreuung

Digitale Transformation braucht massgeschneiderte Problemlösungen. Das Aargauer Start-up Leoba entwickelte solch eine Lösung für Kinderbetreuungseinrichtungen und Eltern, die diese nutzen. Die Berner Fachhochschule (BFH) begleitet Leoba dabei.
Leoba erleichtert mit seiner digitalen Lösung die Organisation von Kinderbetreuungseinrichtungen
(Quelle: Shutterstock/Krakenimages.com)
Ein wesentliches Element der digitalen Transformation ist die Reduktion der nichtfachlichen Aufgaben. Fachpersonen haben dadurch mehr Zeit für ihr Kerngeschäft. Menschen ohne Talent für administrative Aufgaben, aber mit fachlicher Kompetenz können einfach in Teams integriert werden. Intelligente Automatisierung macht es möglich.

Der allgemeine IST-Zustand

Soweit die Theorie. Die Praxis sieht oft anders aus, sie ist sehr unterschiedlich geprägt. In einigen Bereichen hat man schon vor 25 Jahren begonnen, ist seit 15 Jahren umfassend digital unterwegs, hat mittlerweile neue digitale Dienste entwickelt und in den letzten Jahren vor allem die Qualität der fachlichen Arbeit verbessert: Wenn es früher vom Zufall abhing, ob die Beteiligten etwas wussten, stellt heute der virtuelle Arbeitsplatz die Information proaktiv zur Verfügung. Im Ausland gibt es dafür sogar Beispiele im staatlichen Bereich!
Anderswo ist dagegen nur wenig passiert. Digitale Buchhaltung: ja, Website: ja, Excel-Sheets für das Per­sonalmanagement: ja, rudimentäre Administrations-Software: ja – aber medienbruchfreie Kommunikation und ein virtueller Arbeitsplatz für Organisation und Administration: nada, niente, nichts! Die situativ passende Lösung gibt es nicht und die Entwicklung einer eigenen Lösung wäre zu teuer. Im Gesundheitswesen bleibt so die digitale Transformation trotz internationaler Standards meist auf der Strecke, weil die vorhandene Software im Alltag Mehraufwand verursacht ohne direkten Nutzen.

Die konkrete Situation in der Kinderbetreuung

Die Theorie hat Diego Lodise im Masterstudium «Digital Business Administration» an der BFH Business School gelernt – praxisbezogen anhand von Livecases. Nach dem Abschluss hat er sich dann mit seiner Frau, Nina Lodise-Achermann, darangemacht, die Theorie als Unternehmer in die Praxis umzusetzen. Die Ausgangsfrage lautete: Wie digital funktioniert die Organisation von Kinderbetreuungseinrichtungen? Nina Lodise-Achermann kannte als Sozialarbeiterin FH wie auch aus früheren Führungsrollen die praktischen Probleme und die konkreten digitalen Defizite sehr genau. Nur Teile der Organisationsarbeit werden bislang digital unterstützt, was zu einem grossen, überflüssigen Mehraufwand für Führungskräfte sowie ­Mitarbeitende führt und Frustration schafft.
Leoba-Gründer: Nina und Diego Lodise
Quelle: Leoba

Die digitale Lösung von Leoba

Die Jungunternehmerin sah aber auch die Lösung: Alle Administrations-, Organisations- und Führungsaufgaben müssen digital unterstützt werden und medienbruchfrei ablaufen können – von der Anmeldung der Kinder durch die Eltern über die Zusage von Betreuungsplätzen, die Kommunikation zwischen Eltern und Betreuenden in den unterschiedlichsten Situationen, die interne Ressourcenplanung, Aufgabenkommunikation und Zeiterfassung sowie das interne operative Tagesmanagement bis hin zur Fakturierung. Die Lodises machten deshalb eine Bedarfsumfrage bei über 100 Schweizer Betreuungsinstitutionen, die ihre Annahmen bestätigte. Danach gründeten sie das Unternehmen Leoba GmbH und suchten sich Partner (siehe Kasten). Dabei stand für sie fest, dass es eine schweizerische Lösung werden sollte:
  • In der Schweiz konzipiert für Schweizer Betreuungsinstitutionen
  • Von einem jungen, flexiblen Schweizer KMU entwickelt
  • In der Schweiz gehostet, um maximalen Datenschutz zu bieten
  • Und – wenn möglich – von Schweizer Institutionen unterstützt
In diesem Zusammenhang wurde ich als Vertreter der ­Berner Fachhochschule BFH angefragt, ob wir das Start-up in den kritischen Phasen – Lösungsentwicklung, Testen und erste Kundenakquise – wissenschaftlich begleiten würden, was wir gerne machen wollten. Dank der Projektförderung durch das Hightech Zentrum Aargau konnten wir früh in der Entwicklungsphase ins Projekt einsteigen.
Das Ziel von Leoba
Das Unternehmensziel der Leoba GmbH ist die umfassende Unterstützung der medienbruchfreien Erledigung von organisatorischen und administrativen Aufgaben in Kinderbetreuungseinrichtungen und in der Kommunikation mit den Eltern. www.leoba.ch
Projektbeteiligte

Die Rolle der Hochschule

Für uns als Fachhochschule kommen hier drei Aufgaben ideal zusammen. Wir können erstens das Unternehmertum von Absolventinnen und Absolventen unterstützen, zweites etwas dazu beitragen, dass ein konkretes praktisches Problem digital gelöst wird, und drittens unsere Praxiserfahrung aktuell halten. Letzteres ist notwendig, um praxisbezogen zu unterrichten und die richtigen Fragen in der Forschung zu stellen. Die Begleitung von Schweizer Start-ups und KMU ist dabei genauso wichtig wie internationale Pilotprojekte (STORK, TOOP) oder massgeschneiderte Kaderweiterbildungen für einen Grosskonzern (Fenaco, Umsatz: 7,4 Milliarden Franken). Bei erfolgreichen Unternehmerinnen und Unternehmern gehen wir dabei grössere Umsetzungsrisiken ein (Beispiel: ADA). Im Fall von Start-ups wie Leoba oder einer sozial orientierten Genossenschaft ist unsere wissenschaftliche Begleitung dagegen ganz auf die Risikominimierung ausgerichtet.

Das Umsetzungsprojekt

Die grossen Herausforderungen waren im Fall von Leoba der Einstieg ins digitale Unternehmertum und die Zeitlimitierung (Verträge werden meistens im Frühjahr abgeschlossen). Im Zentrum unserer Begleitung stand das Qualitätsmanagement – von der Spezifikation und dem sauberen Architekturdesign über das Testen und die Gestaltung der Swissness bis zur Reflexion der Erfahrungen aus den Kundenpräsentationen. Dies in enger Zusammenarbeit mit dem Schweizer Software-Unternehmen Apptiva.
Die Lösungsentwicklung ist gelungen. Aktuell werden Erfahrungen der Tests bei Kinderbetreuungseinrichtungen für die letzten Verbesserungen des Produkts eingesetzt. Schon jetzt existiert eine Lösung, die Kinderbetreuungseinrichtungen eine einfach nutzbare, intelligente Automatisierung ermöglicht und die wichtige Kommunikation mit den Eltern sehr gut unterstützt. Damit ist ein Produkt entstanden, das die tatsächlichen Probleme der Branche adressiert und die Anpassungen an institutionelle Spezifika ebenso vorsieht wie die zukünftige Weiterentwicklung. Fast wie im Lehrbuch – und das in echt!
Der Autor
Reinhard Riedl
beschäftigt sich mit der menschenzentrierten Entwicklung digitaler Lösungen in verschiedenen Sektoren: Gesundheits­wesen, Sport, Kunst, Stadt- und Regionalentwicklung, Verwaltung, Landwirtschaft und Verkehr. Er ist Heraus­geber des Wissenschafts­blogs «Societybyte» der Berner Fachhochschule. www.societybyte.swiss



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