Gründer und CEO von Opacc 23.05.2022, 06:12 Uhr

«Marktbegleiter setzen auf Masse, wir auf Qualität»

Der Schweizer Anbieter Opacc tritt gegen die Grossen der Branche an. Die Marktbegleiter setzen dabei mehr auf Quantität, Opacc auf Qua­lität, sagt Gründer und CEO Beat Bussmann im Interview.
Beat Bussmann führt Opacc seit der ­Gründung 1988 als CEO
(Quelle: Opacc)
Unternehmen aus aller Welt setzen auf die Business-Software von Opacc. Und die von SAP. Diese Gemeinsamkeit offenbart, dass der Schweizer Anbieter mit den Grossen der Branche mithalten kann. Wie der Gründer und CEO Beat Bussmann im Interview sagt, gibt es durchaus die Situation, dass Opacc die Programme des Weltkonzerns ablösen darf. Weiter spricht er über die Gründe der Kunden bei der Wahl ihrer Business-Software und den Nutzen der künstlichen Intelligenz im Geschäft.
Computerworld: Im Markt für Business-Software sind Sie mit Opacc seit über 30 Jahren erfolgreich tätig. Ist der Wettbewerb nicht stark genug, Sie zu verdrängen?
Beat Bussmann: Offenbar nicht. [schmunzelt] Wir sind in der komfortablen Position, mit unserer in der Schweiz entwickelten Plattform und den darauf basierenden Anwendungen für ERP, CRM und das Online-Geschäft weiterhin zu wachsen. Ob das die Marktbegleiter auch von sich behaupten können, müssen Sie sie fragen.
Als Wettbewerber sehe ich hauptsächlich international tätige Anbieter, allen voran Microsoft und SAP. Microsoft ist mit seinen zwei ERP-Lösungen AX und NAV dank der vielen Partner in der Schweiz sehr präsent. Der ERP-Weltmarktführer SAP ist bei den Grosskonzernen häufig gesetzt. Ihrem Bestreben, auch bei den mittelständischen Unternehmen landen zu können, steht ihr Habitus entgegen. Der Schweizer Mittelstand will keine komplexe Plattform mit Dutzenden Erweiterungen, nur um die Grundlagen abdecken zu können. Vonseiten SAP dürfte das KMU-Geschäft kommerziell auch nicht interessant genug sein.
CW: Tritt SAP bei Ausschreibungen gegen Opacc an?
Bussmann: Diese Fälle gibt es auch, aber eher selten. ­Häufiger ist der Fall, dass wir SAP ablösen dürfen. Den mittelständischen Unternehmen in der Schweiz ist SAP zu komplex und zu teuer. Generell sind sieben von zehn Neukunden solche Firmen, bei denen zuvor entweder Microsoft oder SAP im Einsatz stand.
CW: Können Sie bitte ein Beispiel nennen?
Bussmann: Gerne. Die Neoperl Gruppe aus Reinach begleiten wir seit nunmehr fast 30 Jahren bei der Internationalisierung und Expansion. Mit dem Unternehmen haben wir im Sommer vergangenen Jahres den letzten Schritt gemacht und in der deutschen Niederlassung in Müllheim das SAP-System abgelöst. Wegen der Corona-Beschränkungen in Deutschland musste die Migration aus der Ferne passieren, was rückblickend aber recht gut funktioniert hat. Eine grössere Herausforderung war allerdings, auch die Anwender in ihren Heimbüros zu schulen. Die Produktion von Neoperl in Deutschland ist recht gross, sodass wir zwischen 400 und 500 Angestellte auf der neuen Plattform trainieren mussten. Nun verlassen sich tagtäglich über 1000 User in Vertrieb, Produktion und Beschaffung bis zur Steuerung der Lagerroboter auf vier Kontinenten rund um die Uhr auf die Opacc-Plattform. Neoperl ist mit ihren 17 Standorten weltweit unser grösster ERP-Kunde in der produzierenden Industrie.

Gründe für die Opacc-Wahl der Kunden

CW: Können Sie sich denken, warum die Kunden Opacc wählen und nicht die Konkurrenten?
Beat Bussmann von Opacc hat gut lachen: Seine Kunden wechseln je länger, je mehr in die Cloud
Quelle: Opacc
Bussmann:
Ich denke, da kommen mehrere Gründe zusammen. Denn Opacc unterscheidet sich in drei wesentlichen Aspekten vom Wettbewerb.
Der erste Unterschied liegt in der Software-Architektur. Sie besteht aus einer zentralen Plattform (OXAS), welche die Konfiguration sämtlicher Geschäfts-, Marketing- und Vertriebsprozesse ermöglicht und diese unternehmensweit zur Verfügung stellt. Dazu gibt es die passenden Anwendungen für ERP, CRM und das Online-Geschäft. Sie nutzen stets die zentralen Daten und Funktionen.
Der zweite Unterschied ist die Update-Garantie: Wir garantieren, dass Plattform und Anwendungen nach jedem Update uneingeschränkt weiterhin funktionieren. Dies natürlich ohne aufwendige Update-Projekte, sondern ganz automatisch. Und ausserdem über Jahre und Jahrzehnte.
Der dritte Unterschied ist, dass wir als Software-Hersteller unsere Kunden direkt und selber betreuen. Das Know-how für sämtliche Disziplinen der Enterprise-Software gibt es auf dem Opacc Campus in Rothenburg quasi unter einem Dach.
CW: Bei einer zentralen Plattform muss sich die Frage nach einem Vendor-Lock-in anschliessen. Fragen die Kunden nach?
Bussmann: Es gibt immer – auch in der IT – Abhängigkeiten. Die Frage ist viel mehr, wie damit umgegangen wird. Ich stelle fest, dass gerade die grossen internationalen Anbieter diese Abhängigkeiten aktiv konstruieren. Um die Preise laufend zu erhöhen – notabene ohne die Leistungen zu erhöhen. Für diese schamlose Ausnützung der Abhängigkeit haben wir kein Verständnis.
CW: Allenthalben verabschieden sich die Software-Anbieter von On-Premises und möchten ihre Kunden in die Cloud zügeln. Welches ist der Weg von Opacc?
Bussmann: Zugegeben, die Cloud bietet einige namhafte Vorteile gegenüber dem On-Premises-Konzept. Unsere webbasierten Anwendungen für CRM und das Online-Business gibt es seit über einem Jahrzehnt nur aus unserer eigenen Cloud. Bei der OXAS-Plattform und beim ERP bieten wir nach wie vor On-Premises an.
Prinzipiell überlassen wir bei der Plattform die Wahl nach wie vor unseren Kunden. Sie wissen am besten, was für sie jeweils am meisten Sinn ergibt und wann ein Wechsel in die eine oder andere Richtung erfolgen soll.
CW: Ihr Kunde Sombo sagte mir, die Cloud sei teurer als On-Premises. Wie haben Sie reagiert, als er das Angebot ausgeschlagen hat?
Bussmann: Ich erinnere mich jetzt nicht mehr im Detail an das Gespräch. Jedoch kann es in einzelnen Fällen durchaus sein, dass der Cloud-Betrieb teurer ist als die lokale IT. Ein Grund ist, dass in den Abogebühren natürlich die Wartung, der Hardware-Betrieb und auch das Einpflegen von Updates inkludiert ist. Jedoch beträgt unsere Servicegebühr einen Bruchteil von dem, was unsere Marktbegleiter für vergleichbare Leistungen verlangen.
Wer Backups, Security und Wartung aber kostengünstig selbst leisten kann, der kann durchaus zum Schluss kommen, dass unsere Cloud für ihn zu teuer ist. Die meisten unserer Kunden kommen jedoch zum Ergebnis, dass sich das Cloud-Modell für sie finanziell sowie hinsichtlich Aufwand als auch Know-how lohnt.
Zu meiner freudigen Überraschung sind es viele Neukunden, die sich gleich für die Cloud entscheiden. Der Eindruck, dass für den Cloud-Betrieb zuerst Vertrauen aufgebaut werden muss zwischen dem Kunden und dem Provider, täuscht hier. Denn die Bestandskunden – bei denen das Vertrauen vorhanden sein dürfte – wechseln weniger häufig in die Cloud.
CW: Können Sie Zahlen nennen?
Bussmann: Von den Neukunden wählen ca. 80 Prozent gleich die Cloud, bei den Bestandskunden sind bis anhin 30 Prozent migriert. Ich gehe aber davon aus, dass sich das Verhältnis in den nächsten Jahren angleichen wird.

KI bei Opacc

CW: Künstliche Intelligenz ist ein anderer Heilsbringer für Software-Firmen. Was bedeutet KI für Opacc?
Bussmann: Unsere Branche ist Meisterin im Produzieren abstruser Heilserwartungen mit wechselnden Schlagwörtern. Damit KI die Prozesse wirkungsvoll unterstützen kann, braucht es zunächst verlässliche Daten. Dazu gehören aktuelle sowie korrekte Stammdaten und oft auch detaillierte Transaktionsdaten über mehrere Jahre. Gestützt darauf können KI-Routinen die Prozesslandschaft weiterbringen. Es gibt also auch hier nichts automatisch und gratis. Ganz im Gegenteil gilt eine der ältesten IT-Weisheiten nach wie vor: «Garbage In, Garbage Out».
Um unseren Kunden KI einfach zugänglich zu machen, arbeiten wir an zentralen und konfigurierbaren KI-Routinen, die in unsere Plattform integriert sind. Bei den Routinen geht es um die Auswertungen des Kundenverhaltens und Produktvorschläge für Konsumenten. Via unseren Cloud Integration Services können die Kunden diese Routinen selbst ein- und ausschalten sowie konfigurieren.
Opacc-Gründer Beat Bussmann will sich künftig ­etwas aus dem ­Tagesgeschäft ­zurückziehen
Quelle: Opacc
CW: Was halten Sie von der Vision einer KI, die das Geschäft selbstständig steuert?
Bussmann: In letzter Konsequenz würde dies ja bedeuten, dass die Software das Geschäft betreibt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es hier auch in Zukunft jede Menge natürliche Intelligenz brauchen wird. Auch vor dem Einsatz künstlicher Intelligenz sollte zunächst die natürliche Intelligenz zum Einsatz kommen. Nur so kann ein sinnvoller Einsatz individuell abgewogen werden.
CW: Sie haben die Plattform um KI-Routinen erweitert. Wie funktioniert Innovation bei Opacc?
Bussmann: Der Schlüssel zu namhaften bisherigen und künftigen Innovationen liegt in der Breite der fachlichen Kompetenzen, die wir unter einem Dach vereinen. Damit meine ich alle Disziplinen von der Konzeption und Entwicklung geschäftskritischer Enterprise-Software über die Projektierung von Einführungen und Rollouts bis hin zur Betreuung von Kunden über Jahrzehnte. So viel Know-how, Erfahrung und Kundennähe auf so kleiner Fläche generiert viele Ideen für echte Innovationen. Diese prüfen wir systematisch und viele davon finden dann den Weg in unsere Roadmaps und Release-Pläne.
Wie das genau funktioniert, bleibt natürlich eines der wenigen Geschäftsgeheimnisse von Opacc. [schmunzelt]
CW: Ich will noch einmal auf Ihren Kunden Sombo zurückkommen, mit dem Sie gemeinsam neue Features entwickelt haben. Ist Co-Innovation eine Ausnahme?
Bussmann: Die Co-Innovation mit dem Kunden ist eine Variante, wie neue Features entwickelt werden. Wir sitzen mit dem Kunden zusammen und diskutieren, ob eine neue Funktion nur für ihn oder für alle Kunden nützlich ist. Ist Letzteres der Fall, wird das neue Feature bei ihm zunächst testweise eingesetzt. Bewährt es sich in der Praxis, übernehmen wir es in unser Portfolio. Hier zahlt es sich aus, dass wir als Hersteller unsere Kunden selbst betreuen.

Kampf um Talente

CW: Sie haben offenbar gut zu tun. Haben Sie Probleme, genügend Fachkräfte zu bekommen?
Bussmann: Wir könnten sicher auch mehr Mitarbeitende beschäftigen. Aber Wettbewerb ist der Motor der Wirtschaft, dazu gehört auch der Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt. Die Schweiz bietet wohl eines der besten und erfolgreichsten Ausbildungsmodelle weltweit. Und ist gleichzeitig einer der attraktivsten Standorte für Unternehmen, auch für IT-Unternehmen. Die grösste Herausforderung sehe ich darin, diesen Stärken treu zu bleiben und sie weiter auszubauen.
CW: Können Sie mit dem neuen Campus am Hauptsitz in Rothenburg einfacher Talente für sich gewinnen?
Bussmann: Für eine ehrliche Antwort fehlt mir der Vergleich. Jedoch vermute ich, dass der neue Standort die Attraktivität von Opacc als Arbeitgeber gesteigert hat.
Die Zentralschweiz hat den Vorteil, dass Kandidaten aus der Region «nur» aus zehn Arbeitgebern auswählen können. In Zürich wäre der Wettbewerb sicherlich viel grösser.
CW: Was haben die Marktbegleiter allenfalls Opacc voraus? Und wie wollen Sie aufschliessen?
Bussmann: Die Marktbegleiter setzen mehr auf Quantität als auf Qualität. So haben unsere Mitstreiter ihre Marketing- und Vertriebs-Skills besser entwickelt als Opacc. Aber dadurch sind sie für uns auch zu den besten «Zulieferern» neuer Kunden geworden. Mit dieser «Lücke» können wir auch in Zukunft ganz gut leben. [lacht]
CW: Danke für das Stichwort. Welche Zukunft hat Beat Bussmann persönlich in der Rolle des CEOs von Opacc? Gibt es eine Nachfolgeplanung?
Bussmann: Als grösster Aktionär von Opacc habe ich selbst das grösste Interesse an einer guten Regelung meiner Nachfolge. Wobei die Regelung gut für unsere Kunden und Mitarbeitenden sein muss. Dann ist sie es auch für mich. Und ich bin auch hier zuversichtlich!
Mein Plan ist, weiterhin Aktionär des Unternehmens zu bleiben, aber über kurz oder lang den CEO-Posten abzugeben. Für die Nachfolge gibt es natürlich schon Pläne, über die wir dann beizeiten informieren werden.
Von meinem Verwaltungsrat lerne ich nun mittlerweile seit ca. fünf Jahren, welche Aufgaben und Pflichten der Präsident des Verwaltungsrats hat und welche nicht. Meine Idee ist, in Zukunft mit etwas weniger Aufwand und insbesondere etwas weniger Beteiligung am operativen Geschäft trotzdem noch meinen Beitrag zu leisten bei meinem Unternehmen Opacc.
Zur Person und Firma
Beat Bussmann ist CEO der Software-Firma Opacc, die er im Jahr 1988 gegründet hat. Zuvor hatte Bussmann schon den IT-Distributor Computer + Partner gegründet und als Co-Geschäftsführer geleitet. Die Firma wurde von ALSO übernommen. An den erfolgreichen Abschluss des Betriebswirtschaftslehre-Studiums an der Höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschule Luzern 1984 schloss sich die Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer bei Coopers & Lybrand (heute PwC) an.
Opacc wurde 1988 als Intus Büroautomation vom heutigen CEO Beat Bussmann gegründet. 1997 erfolgte die Umbenennung in Opacc. Das Unternehmen entwickelt und betreibt eine eigene Business-Software. Heute zählt das Unternehmen gegen 600 kleine und mittelständische Schweizer Firmen zu seinen Kunden. Im Campus in Rothenburg LU beschäftigt die Firma rund 150 Angestellte, weitere knapp 25 arbeiten in den Geschäftsstellen in Münchenstein BL sowie im deutschen Fürth. www.opacc.ch



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