Im Office von Daniel Tschudi 05.11.2021, 08:30 Uhr

«Know-how meiner Mitarbeiter ist essenziell»

Daniel Tschudi leitet Ricoh Schweiz als CEO. Im Interview mit Computerworld spricht er über die Wichtigkeit des Know-hows und der Diversität seiner Mitarbeitenden.
Daniel Tschudi sieht sich als Coach für seine Mitarbeitenden und setzt dabei stark auf gegenseitiges Vertrauen
(Quelle: Ricoh)
Computerworld: Wie starten Sie in den Tag?
Daniel Tschudi: Ich bin früh unterwegs ins Büro, um den morgendlichen Verkehr zu umgehen. Ein Glas Wasser mit Zitronensaft vor der Abfahrt wirkt da energetische Wunder.
CW: Büro oder Home Office? Wo arbeiten Sie lieber?
Tschudi: Im Büro. Dort habe ich einerseits bessere technologische Einrichtungen, wie beispielsweise ein interaktives Whiteboard für Meetings, und andererseits arbeite ich lieber mit meinem Team physisch vor Ort zusammen.
CW: Sind Sie eher ein Auto- oder ein ÖV-Fan? Mit welchem Verkehrsmittel fahren Sie morgens ins Geschäft?
Tschudi: Ich bin überwiegend mit dem Auto unterwegs, weil ich dadurch zeitlich flexibler bin für Kunden- und Partnerbesuche – trotz unseres sehr guten öffentlichen Verkehrsnetzes, das wir in der Schweiz geniessen dürfen.
CW: Was machen Sie zuerst im Büro?
Tschudi: Mitarbeitende begrüssen, Kaffee sowie Wasser besorgen, neu eingegangene E-Mails checken, Unterlagen für anstehende Meetings nochmals prüfen und eine persönliche Präsenzübung durchführen.
CW: Einzelbüro oder Open Space?
Tschudi: Ich arbeite derzeit in einem Einzelbüro. Aus zwei ganz einfachen Gründen: Ich habe vertrauliche Geschäftsdokumente bei mir, und Mitarbeitende sollen in meinem Büro jederzeit einen Ort finden, an dem sie persönliche Themen in einem geschützten Rahmen anbringen können. Aus­serdem nutze ich mein Büro häufig für Meetings. Abgesehen davon bin ich jedoch ein Befürworter von Open Space, wenn es die Funktion des jeweiligen Mitarbeitenden zulässt, und persönlich wäre dies auch meine Präferenz.
CW: Wie planen Sie Ihren Tag?
Tschudi: Da habe ich leider wenig freie Hand, das übernimmt mehrheitlich meine Assistentin. Ich erhalte von ihr jeweils am Ende der Woche eine Übersicht der Tagesabläufe für die kommende Woche und ich habe meine klaren wöchentlichen Prioritäten.

Face-to-face bevorzugter Kommunikationskanal

CW: Welche Tools sind essenziell für Ihren Job?
Tschudi: Das Know-how meiner Mitarbeitenden. Ich schätze Mitarbeitende, die mein eigenes Wissen erweitern. Ich bin nicht hier, um ihnen zu sagen, was sie tun sollen. Sie sollen mir sagen, wies funktioniert. Unsere Stärke ist ein diverses Team mit Leuten, die über wesentlich besseres Fachwissen verfügen, als ich es tue. Nur so können wir Innovation stetig vorantreiben. Dies ist auch im Interesse unserer Kunden.
CW: Gibt es etwas, das Ihnen noch fehlt?
Tschudi: Die Freiheit, wieder sorglos und ohne unnötigen Aufwand Anlässe zu planen. Wir haben viel vor mit un­seren Mitarbeitenden, Kunden und Partnern, aber es wäre ein­facher, sie mit auf die Reise zu nehmen, wenn wir die Situa­tion rund um Corona nicht hätten. Eine Arbeitskultur wird nicht vom Home Office aus erzeugt.
Bewegung als Ausgleich zum Büro: Daniel Tschudi (4. v. l.) mit Ricoh/Lake-Mitarbeitern am diesjährigen Greifenseelauf
Quelle: Ricoh
CW: Zu welcher Musik arbeiten Sie am besten?
Tschudi: Im Büro höre ich nie Musik. Im Home Office er­tönen ab und zu die Klänge unserer Katze.
CW: Was ist Ihr bevorzugter Kommunikationskanal?
Tschudi: Am liebsten tausche ich mich physisch 1:1 aus. Für mich minimiert diese Art der Kommunikation das Risiko von Missverständnissen und die genauso wichtige non-verbale Kommunikation kann besser eingefangen werden.
CW: In wie vielen Meetings sitzen Sie pro Woche?
Tschudi: Geschätzt sind es zwischen 10 und 15 Meetings.
CW: Was ist die grösste Herausforderung in Ihrem Job?
Tschudi: Mein Ziel ist es, dass alle Mitarbeitenden unsere klare Vision, Ziele und ihren persönlichen Beitrag dazu genau kennen. Als Führungsperson sehe ich es als eine der wichtigsten Aufgaben, Mitarbeitende stetig weiterzuentwickeln und sie dabei zu unterstützen, ihre Kompetenzen und Fähigkeiten optimal entfalten zu können. Um ihr Potenzial zu erkennen, muss man allerdings die eigenen Beweggründe und die Motivation zuerst kennen und verstehen. Hier kann ich das Buch «Leadership and Self-Deception: Getting Out of the Box» vom The Arbinger Institute empfehlen.
CW: Wie vermeiden Sie Produktivitätskiller?
Tschudi: Ich bin ein Bewegungsmensch. Daher plane ich Trainingseinheiten gezielt in meinen Wochenablauf mit ein.
CW: Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Tschudi: Ich sehe mich selbst als Coach für meine Mit­arbeitenden, wobei für mich das Endresultat und eine hohe Ergebnisqualität zählen. Das Fundament dessen bildet gegenseitiges Vertrauen.
CW: Wie lautet Ihr Arbeitsmotto?
Tschudi: Leadership is a choice – not a title. Heutzutage sind flache Hierarchien und Projektstrukturen essenziell für unseren gemeinsamen Erfolg für unsere Kunden.

Strategien gegen den Fachkräftemangel

CW: Auf welche Eigenschaften Ihrer Mitarbeitenden achten Sie besonders?
Tschudi: Das kann ich so nicht pauschalisieren, da es meiner Meinung nach je nach Funktion und Teamkonstellation unterschiedliche Eigenschaften benötigt. Ausserdem schränken wir unsere Kreativität ein, wenn wir uns nur mit Menschen umgeben, die uns ähnlich sind und die gleichen Ansichten teilen.
CW: Die Komplexität im Informatikgeschäft steigt. Laufend kommen neue Technologien und Einsatz­szenarien hinzu. Wie halten Sie sich und Ihre Mitarbeiter auf dem neusten Stand?
Tschudi: Die digitale Transformation ist eine komplexe Herausforderung. Vor allem im Bereich der IT-Services sehen wir einen deutlichen Trend weg von den eigenen Infrastrukturen zu Outsourcing und Cloud-Lösungen. Wir profitieren hier von unserer Integration in eine globale Gruppe, in der ein grosses Know-how besteht und ein gegenseitiger Austausch über Best Practices stattfindet. Wichtig dabei ist natürlich immer, die Nähe zu den Kunden, ihre Bedürfnisse abzuholen und sie mithilfe unserer eigenen globalen Service­-Organisation zu beraten.
CW: Inwieweit spüren Sie den Fachkräftemangel in der ICT und was unternehmen Sie dagegen?
Tschudi: Der Arbeitsmarkt in der Schweiz ist in unserem Bereich, wie in den meisten anderen Ländern ebenfalls, hart umkämpft. Jedoch profitiert Ricoh Schweiz von unserer breiten Aufstellung, wobei sich unsere Mitarbeitenden nicht nur über verschiedene Funktionen oder die Hierarchie, sondern auch über die verschiedenen Business-Bereiche hinweg entwickeln können. Das ist die grosse Chance für uns als Digital-Services-Unternehmen mit unserem breiten Portfolio aus Managed Print Services, IT-Services, Commercial & Industrial Printing, Enterprise Content Management sowie Communication Services.

CW: Wie fördern Sie Diversität im Unternehmen? Wie hoch ist der Anteil weiblicher Fachkräfte und von über 50-Jährigen bei Ricoh Schweiz?
Tschudi: Es ist in unserer Unternehmensphilosophie verankert, heterogene Teams zusammenzustellen und Diversität zu fördern. All unsere Mitarbeitenden durchlaufen dazu regelmässig ein E-Learning zu unserem Code of Conduct, in dem dieses Thema Bestandteil ist. Zurzeit besteht unsere Belegschaft aus 20 Prozent weiblichen Fachkräften und der Anteil von über 50-Jährigen liegt bei 49 Prozent. Ausserdem beschäftigen wir Menschen mit Beeinträchtigung in Zusammenarbeit mit einer Stiftung.
CW: Wer viel arbeitet, braucht viel Energie. Wie lautet Ihr Restaurant-Tipp für das Mittagessen?
Tschudi: Neben Mittagessen mit Kunden gehe ich ab und zu über Mittag laufen, danach hole ich mir etwas als Take-away und nehme es ins Büro. Da kann ich das Sesh im Glattzentrum mit ausgewogenen und gesunden Bowls im Angebot gut empfehlen.
CW: Wie laden Sie Ihre Batterien wieder auf?
Tschudi: Wie bereits erwähnt, gibt mir Sport die nötige Energie für den Alltag. Ausserdem verbringe ich meine Freizeit gerne in den Bergen, im eigenen Garten oder mit der Lektüre von Krimis oder zu interessanten Leadership-Themen.
CW: Kommen Ihnen dann in der entspannten und kreativen Atmosphäre auch neue Ideen?
Tschudi: Ja, natürlich. Ich denke, jede/r kennt das. Man studiert lange Zeit an einem Thema herum, kommt jedoch nicht auf einen grünen Zweig oder ist noch nicht zu 100 Prozent zufrieden damit. Etwas Abstand hilft dabei, Dinge aus einem anderen Blickwinkel anzugehen und auf neue Ideen zu kommen. Nach einem Lauf muss ich meist zuerst notieren, welche Lösungsansätze mir in den Sinn gekommen sind.
CW: Welches ist Ihr nächstes Projekt?
Tschudi: Einerseits ist unser Hauptziel zurzeit, unsere Kunden im digitalen Wandel und auf ihrem Weg zurück zu einer neuen Normalität zu unterstützen. Andererseits beschäftigen wir uns intensiv damit, Talente in den neuen Themenfeldern, die für unser Geschäft relevant sind oder noch werden, anzusprechen und zu integrieren. Die Beschleunigung der Transformation und das organische sowie anorganische Wachstum in den Bereichen IT-Services (Lake Solutions), ECM (DocuWare) und Communication Services sind meine wichtigsten Projekte.
Zur Person
Daniel Tschudi
ist seit 2013 für Ricoh tätig und seit 2017 in der Rolle als CEO. Er besitzt mehr als 30 Jahre Erfahrung in der IT-Branche in Europa. Talentmanagement ist für ihn sowohl auf der Ebene der einzelnen Mitarbeitenden als auch auf Managementebene der Schlüssel für seinen Führungsstil und für seinen Erfolg. www.ricoh.ch



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