Schweizer Armee 06.10.2021, 23:01 Uhr

Wegen IT-Problemen: Flugfunk-Bodensystem verspätet oder vorerst sistiert

IT-Probleme beeinträchtigen den Roll-out des Flugfunk-Bodensystems der Schweizer Armee. An einem Standort ist mit Verzögerungen zu rechnen, am anderen wird es sistiert.
In der Luftwaffenbasis Payerne VD wird das Flugfunk-Bodensystem sistiert
(Quelle: Lockheed Martin Corporation)
Das Flugfunk-Bodensystem der Armee verzögert sich am einen Standort. Am anderen wird es sistiert. Die Führungsunterstützungsbasis (FUB) nahm das IT-System nicht plangemäss am 7. Mai ab, wie Recherchen der Nachrichtenagentur Keystone-SDA aufgrund eines Berichts der Eidgenössischen Finanzkontrolle ergaben.
Die Finanzkontrolle (EFK) nahm für ihren am Mittwoch veröffentlichten Bericht das Flugfunk-Bodensystem 2020 (FBS) unter die Lupe und deckte Mängel auf. In der Armeebotschaft 2018 sind für das System 126 Millionen Franken budgetiert.
Die EFK ortete «dringenden Handlungsbedarf» bei Portfolio-Management, Informatik-Koordination und integrierter Gesamtplanung im Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS).
Wie die Finanzkontrolle auf Anfrage von Keystone-SDA mitteilte, war die IT-Architektur nach ihrem Kenntnisstand Mitte August noch nicht durch die FUB - das militärische Amt für Informatik - abgenommen. Das Bundesamt für Rüstung (Armasuisse) räumte den Sachverhalt ein. Sprecher Kaj-Gunnar Sievert schrieb: «Gegenüber dem ursprünglichen Projektplan mit dem Projektende per Ende 2025 hat das Projekt heute eine Verzögerung von einem Jahr.»

Nur ein Standort

In der militärischen Einsatzzentrale in Wangen bei Dübendorf ZH (Air Defence and Direction Center) werde das Bodensystem ein halbes Jahr später als geplant und lediglich eingeschränkt eingeführt, teilte Sievert weiter mit. In der Luftwaffenbasis Payerne VD werde es vorläufig sistiert. Ursprünglich hätte der Systemstart an beiden Standorten Ende 2025 erfolgen sollen.
In Payerne gibt es eine autonome Lösung (Insellösung). Wie Sievert schrieb, funktioniert das zwar, doch ist die Überwachung des Flug-Boden-Funks nur dort und nicht wie ursprünglich geplant effizient aus der zentralen Leitstelle möglich. Armasuisse und die FUB definierten den Angaben zufolge die IT-Systemarchitektur unterdessen so, dass die Arbeiten daran im zweiten Quartal 2022 abgeschlossen sein sollten. «Da die Systemarchitektur für das Teilsystem Flugfunk vorliegt, hat die Projektaufsicht FBS (...) entschieden, mit dem Rollout, beschränkt auf das Teilsystem Flugfunk, weiterzufahren», hiess es weiter.

12 Millionen Franken Mehrkosten

In ihrem Bericht vom Mittwoch konstatiert die EFK, dass die Führungsunterstützungsbasis neben der nicht erfolgten Abnahme auch fix zugesicherte Ressourcen nicht lieferte.
Darum kaufte Armasuisse IT-Leistungen extern ein. Die aufgelaufenen und geschätzten künftigen Mehrkosten bezifferte Sievert auf rund 12 Millionen Franken. Sollte die Gruppe Verteidigung, zu welcher die FUB gehört, weitere Leistungen nicht erbringen, würden zusätzliche Kosten anfallen. Die Ressourcensituation sollte darum «raschmöglichst geklärt» werden.
Die Digitalisierung ist in vielen Projekten der Armee und der gesamten Bundesverwaltung eine Herausforderung, wie zahlreiche Beispiele zeigen. Die Gruppe Verteidigung teilte Keystone-SDA mit, die Ressourcenlage in der FUB sei angespannt, namentlich Fachkräfte fehlten. Abhilfemassnahmen innerhalb der Armee seien in Erarbeitung und Entscheide noch im Herbst zu erwarten. Eine Priorisierung aller IT-Vorhaben laufe.

«Harte Auseinandersetzungen»

Nebst ihrer Kritik lobt die EFK, dass die Projektleitung richtigerweise die vier Risiken Ressourcen, Systemarchitektur, Anbindung ans übrige Führungsnetz und Betrieb dingfest machte. Im Projektumfeld störten aber diverse Faktoren. Dabei gerieten Armasuisse und die FUB dem Bericht zufolge über Kreuz.
Die Diskussionen über Ursachen der Risiken und Lösungsansätze führten gemäss dem Bericht «zu harten Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten». Dank der Ende 2020 eingeführten Koordinationstreffen glätteten sich die Wogen.
Die Gruppe Verteidigung hielt fest, harte aber faire Diskussionen seien bei verschiedenen Interessenlagen angebracht. Beispiel seien etwa Sicherheitsinteressen gegenüber Interessen wie Nutzerfreundlichkeit oder Nutzung.
Um den Abnahmetermin vom 7. Mai zu retten, wurde um eine Ausnahmebewilligung ersucht. Das FUB wollte aber die Risiken genauer abklären.
Für die EFK zeigt der vorliegende Fall die Probleme der Ressourcensteuerung, welche die Ebene eines Projekts übersteigen. Sie will die Steuerung im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie beim VBS deshalb separat untersuchen.
Von Max Mohn, Keystone-SDA



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