Verteidigung 19.10.2018, 08:21 Uhr

«Die Cyberabwehr braucht beim Bund ein Gesicht»

Anlässlich der Lancierung des Lehrgangs «Information & Cyber Security» an der HSLU hat Bundesrat Guy Parmelin die Cyberabwehr-Bemühungen des Bundes skizziert. Eines ist klar: Die künftigen Absolventen werden dingendst gebraucht.
Bundesrat Guy Parmelin während seiner Ansprache an der HSLU in Rotkreuz: «Die Wahrung der Sicherheit ist in der digitalen Welt eine Frage der Intelligenz.»
(Quelle: Jens Stark / NMGZ)
Die Professionalisierung auf Seiten der Cyberkriminellen schreitet unaufhörlich voran. Die Angriffe auf die Ruag im vergangenen Jahr sowie vor Kurzem auf das Labor Spiez der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) haben auch in der Schweiz zu einer erhöhten Alarmbereitschaft geführt und zur Erkenntnis, dass auch die Cyber Defence hierzulande professioneller werden muss.
Höchste Zeit also, dass die Hochschule Luzern (HSLU) vorprescht und nun den Lehrgang «Information & Cyber Security» auf dem nigelnagelneuen Campus in Rotkreuz anbietet. 50 Studierende lassen sich seit gut einem Monat unter der Leitung von Bernhard Hämmerli zu IT-Security-Spezialisten mit Bachelor-Abschluss ausbilden.
Dass die Schweiz die angehenden Cybertalente dringendst brauchen wird, wurde an der gestrigen Eröffnungstagung klar. Denn kein Geringerer als Bundesrat Guy Parmelin kam in den proppenvollen Hörsaal 12.003 auf dem Suurstoffi-Areal, um die Wichtigkeit des für die Schweiz derzeit einmaligen Studiengangs zu unterstreichen.

Auch das VBS bildet aus

In seiner Ansprache betonte Parmelin die Wichtigkeit des neuen Ausbildungszweigs der HSLU auch für sein Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS). «Die Wahrung der Sicherheit ist in der digitalen Welt eine Frage der Intelligenz. Es geht um Wissen und Verstehen, erst dann um Macht», sagte er. Das VBS und die Armee seien sich dessen bewusst, fügt er an und berichtet von den bereits umgesetzten und künftigen Plänen in Sachen Cyberabwehr.
Hier sei eine enge Koordination und Zusammenarbeit zwischen Privatwirtschaft, Wissenschaft und öffentlicher Hand gefragt, so der Bundesrat. So habe eine externe Expertengruppe für das VBS einen Aktionsplan zu Cyber Defence ausgearbeitet. Dieser soll primär die eigenen IT-Infrastrukturen absichern. Parallel dazu baue man einen Cyber Defence Campus auf, der zwischen Wissenschaft und den Behörden ein Know-how-Netzwerk spinnen soll. Darüber hinaus sei die Einrichtung eines Cybersecurity-Kompetenzzentrums geplant, das unter der Leitung des Finanzdepartements stehen werde, berichtet Parmelin weiter. Schliesslich werde in Bälde ein Mr. oder eine Ms. Cyber ernannt.
Aber die Armee will sich nicht nur extern Know-how an Bord holen. Das VBS bildet seit Neustem selbst Cyber-Spezialisten aus. «Im August begann in der Kaserne Jassbach der erste Cyber-Lehrgang der Armee», berichtet Parmelin. Die 40-wöchige Ausbildung soll ab 2019 zwei Mal jährlich stattfinden. «Innerhalb von sechs Jahren wollen wir so rund 600 Cyber-Spezialisten ausgebildet haben».
Die eigene Ausbildung ersetze aber nicht die Bemühungen an den Hochschulen, weitere Fachkräfte in dem Bereich zu unterrichten, räumt der Bundesrat weiter ein. Zudem sei eine noch engere Verzahnung von öffentlicher Hand und Wirtschaft sowie eine enge Zusammenarbeit auf nationaler und internationaler Ebene gefragt. «Ich betone es nochmals: Um die Sicherheit im Cyberraum zu gewährleisten, müssen alle eng zusammenarbeiten», so das Fazit von Parmelin.

Parlament will kritisch begleiten

Dem VBS-Chef wurden an der Tagung durchwegs gute Noten für seine Bemühungen in Sachen Verbesserung der Cybersicherheit vergeben. Allerdings ohne parlamentarischen Druck wären die Cybersecurity-Bemühungen des Bundes ebenfalls nicht so weit gediehen, wie Parmelin selbst zugeben musste. So wird das bereits erwähnte Cybersecurity-Kompetenzzentrum als Folge einer Motion des Zuger Ständerats Joachim Eder eingerichtet. Diese wurde in beiden Kammern mit überwältigendem Mehr verabschiedet (Nationalrat 177:2 und Ständerat 41:4), und zwar gegen den Willen des Bundesrats.
Der Zuger Ständerat Joachim Eder fordert mehr finanzielle und personelle Ressourcen für die Cyberabwehr
Quelle: Jens Stark / NMGZ
Eder, der später an der Tagung in Rotkreuz das Wort erhielt, bemängelte denn auch, dass «Cyber» in unserem Land bisher kein Gesicht habe. Er zeigte zur Illustration eine Folie mit allen Bundesbehörden und -einrichtungen sowie Bundes-nahen Betrieben, die sich mit dem Thema IT- und Cyber-Security auseinandersetzen. «Es ist klar, dass sich zu viele Organisationen auf zu vielen Ebenen mit jeweils eigenen Zuständigkeiten mit dieser wichtigen globalen Herausforderung beschäftigen», kritisierte er. Es sei eine enge Zusammenarbeit zwischen den Behörden und den Betreibern kritischer Infrastrukturen dringend nötig, so Eder weiter.
Gemäss dem FDP-Politiker hinkt die Schweiz im Vergleich zum Ausland in Sachen Cyber-Security hinterher. In Europa sei beispielsweise Deutschland führend, gefolgt von den skandinavischen Staaten und Grossbritannien. Die Schweiz befinde sich lediglich im Mittelfeld. Gegen die Bemühungen von Grossmächten wie die USA, Russland oder auch China mit hunderttausenden «Cyber-Beamten» steht unser Land besonders im Abseits.
Neben einer besseren Koordination auf Bundesebene - «wir müssen wegkommen vom Gärtchendenken in den Departementen» - und einer engeren Zusammenarbeit sowie grösseren Professionalität, brauche die Cyber-Abwehr der Schweiz mehr finanzielle und personelle Ressourcen, fordert Eder daher. «Das Parlament wird die Umsetzung hartnäckig begleiten», meinte er denn auch in Richtung des Bundesrats. «Halbheiten dulden wir nicht», so das abschliessende Votum des Ständerats.



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