«Cryptoleaks» 12.02.2020, 12:45 Uhr

Zuger Security-Firma im Zentrum einer riesigen Spionage-Affäre

Die Crypto AG half deutschen und US-Geheimdiensten über Jahrzehnte hinweg dabei, Staaten zu belauschen. Eine Hintertür in Chiffriergeräten der Zuger Security-Firma ermöglichte die weltweite Abhöroperation.
(Quelle: Wikimedia)
Schon seit Längerem kursierten Gerüchte, dass Geheimdienste im Hintergrund der Zuger Crypto AG stehen. Eine gemeinsame Recherche der «Rundschau», des «ZDF» und der «Washington Post» haben diese nun bestätigt. Einem 280-seitigen Geheimdienst-Dossier zufolge half die Security-Firma der amerikanischen CIA und dem deutschen Bundesnachrichtendienst BND dabei, jahrzehntelang über hundert Staaten abzuhören. Dazu wurde in den Chiffriergeräten der Crypto AG eine Hintertür eingebaut. Wie «SRF» berichtet, konnten so Hunderttausende Nachrichten zwischen Regierungsstellen, Behörden, Botschaften oder militärischen Stellen systematisch abgefangen werden.
Die Recherchen zeigen, dass der westdeutsche BND und die CIA im Jahr 1970 die Crypto AG zu gleichen Teilen aufkauften. Getarnt wurde dies über eine Stiftung in Liechtenstein. Die Firma war damals Marktführerin für Chiffriergeräte, mit denen man Nachrichten verschlüsseln konnte. Allerdings, so wird ein ehemaliger Crypto-Mitarbeiter im Bericht zitiert, baute das Unternehmen zwei verschiedene Versionen des Geräts – eine sichere und eine unsichere. Die unknackbare Maschine sollen nur wenige Staaten erhalten haben, darunter etwa die Schweiz.

Entscheidender Vorteil

Die manipulierten Chiffriergeräte aus Zug sind laut Angaben im Bericht unter anderem an Länder wie Saudi-Arabien, Argentinien oder den Iran verkauft worden. Die Neutralität der Schweizer Firma sei dabei jeweils ein wichtiges Verkaufsargument gewesen, heisst es. Die Informationen, die etwa die CIA so sammeln konnte, verschaffte den Vereinigten Staaten laut «SRF» einen enormen Vorteil bei Verhandlungen oder bei der strategischen Kriegsführung. So hätten die Crypto-Geräte etwa bei den Camp-David-Verhandlungen 1979 oder bei der US-Invasion in Panama 1989 eine entscheidende Rolle gespielt. Auch das belegt das Geheimdienst-Dossier. Aus diesem geht ebenfalls hervor, dass die Schweizer Geheimdienste von der «Operation Rubikon» wussten. Auch gebe es Hinweise, dass «Schlüsselpersonen in der Regierung» eingeweiht waren.
Der BND stieg laut Bericht bereits 1993 aus der Operation aus. Die CIA übernahm daraufhin die gesamte Firma. Unter dem US-Geheimdienst soll diese dann noch mindestens bis 2018 fortgeführt worden sein. 2018 spaltete sich die Crypto AG auch in zwei neue Gesellschaften auf: Das Schweizer Geschäft wurde in Form der CyOne Security weitergeführt, das internationale Geschäft unter der Crypto International. Beide Unternehmen streiten Beziehungen zu ausländischen Geheimdiensten ab.

Politik fordert Aufklärung

Die Spionage-Affäre wirft unangenehme Fragen zur Neutralität der Schweiz auf. Die Angelegenheit soll deshalb schonungslos aufgeklärt werden. An seiner Sitzung vom 15. Januar hat der Bundesrat bereits eine unabhängige Untersuchung der Affäre unter der Leitung des Alt-Bundesrichters Niklaus Oberholzer beschlossen. Und Wirtschaftsminister Guy Parmelin Mitte Dezember bereits die Generalausfuhrbewilligung der Firma Crypto International, nachdem er mit den Recherchen konfrontiert wurde. Die Grünen fordern derweil eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK).



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