06.03.2008, 08:22 Uhr

Exchange-Alternative glänzt mit Offenheit

Outlook als vollwertiger Client, daneben aber offen für andere und obendrein eine komfortable Weboberfläche: Mit diesen Versprechen will der Linux-basierende Groupware-Server Scalix Unternehmen von der Microsoft-Schiene weglocken.
Der Ajax-basierte Webclient von Scalix ist Microsoft Outlook nachempfunden.
Mit dem Exchange-Server und Outlook als Client deckt Microsoft das Thema Groupware umfassend ab. Doch das Gespann ist einseitig auf die Windows-Plattform ausgerichtet. Und bei diesem Punkt setzt der Linux-basierte Groupware-Server Scalix an. Er unterstützt aber auf der Desktop-Seite eine grosse Zahl an Clients, da-runter auch Outlook inklusive Version 2007. Zudem versteht sich Scalix nun mit dem recht jungen, offenen CalDAV-Standard, wie ihn etwa die Mozilla-Kalenderanwendungen Sunbird und Lightning sprechen, sowie mit Evolution, dem Linux-Pendant zu Outlook. Allerdings ist keines dieser Produkte zwingend notwendig, bietet Scalix doch eine komfortable und eingedeutschte Ajax-basierte Weboberfläche. Sie funktioniert gleichermassen mit Internet Explorer ab Version 6 und Firefox 2 sowie in einer abgespeckten Variante mit mobilen Geräten. Dazu kommen die Standarddienste für Mailversand und -empfang, die sich mit jedem E-Mail-Programm nutzen lassen.
Mit vergleichbaren Eigenschaften glänzen zwar auch andere Exchange-Alternativen wie etwa Kerio Mailserver, Open-Xchange und Zimbra. Es sind vor allem zwei Faktoren, die Scalix von der Konkurrenz abheben. Zum einen greift Scalix mit dem ursprünglichen HP OpenMail auf eine ausgereifte Basis zurück. Und zum anderen sind nicht nur wesentliche Komponenten unter einer Open-Source-Lizenz verfügbar. Mit der Community-Edition bietet die mittlerweile zur Linux-Anbieterin Xandros gehörende Firma eine kostenlose, in der Funktionalität uneingeschränkte Fassung für maximal zehn Outlook-Anwender und beliebig viele Webuser.

Einrichtung und Konfiguration

Die empfohlenen Plattformen für Scalix sind die Enterprise-Angebote von Novell/SuSE und Red Hat. Dort erfolgt die Installation wahlweise grafisch oder über die Shell. Dabei überprüft Scalix, ob die benötigten Komponenten wie der Webserver Apache, die Datenbank Postgresql und eine Java-Laufzeitumgebung (JRE) vorhanden sind. Letztere muss in Version 1.5 vorliegen, das aktuelle Java 6 wird nicht unterstützt.
In der Enterprise-Variante begünstigt Scalix unterschiedliche Szenarien, um die Verfügbarkeit zu erhöhen. So lassen sich die einzelnen Komponenten auf verschiedene Server verteilen oder redundante Cluster aufsetzen. Auch bei der Skalierbarkeit unterscheidet sich Scalix damit von einigen anderen Exchange-Alternativen.
Die Installation von Scalix endet in einem funktionsfähigen Groupware-Server, dessen SMTP-Mailserver zudem vor unbefugter Nutzung durch Spammer geschützt ist. Das Anlegen von Maildomains und Benutzern geschieht über eine Weboberfläche. Die Informationen zu Anwendern speichert Scalix in einem LDAP-Verzeichnis, wobei mit entsprechenden Anpassungen auch eine Integration in ein Active Directory in Frage kommt.
Komplexe Konfigurationen oder die Integration von Spam- und Virenfiltern finden dagegen ausschliesslich in der Shell statt. Die freie Antiviren-Software ClamAV sowie die entsprechenden Produkte von McAfee und Trend Micro lassen sich direkt integrieren, ebenso der Open-Source-Spam-Filter SpamAssassin. Solche Vorhaben sind mit Anpassungen an Konfigurationsdateien und zahlreichen Scalix-eigenen Shell-Kommandos verbunden. Viel Komfort wird hier nicht geboten, der Administrator sollte also mit soliden Linux-Kenntnissen aufwarten.

Zugriff von allen Seiten

Umso mehr Annehmlichkeiten präsentiert Scalix dagegen den Anwendern. Ein Connector bindet Outlook 2000 bis 2007 über die Microsoft-eigenen Schnittstellen an den Groupware-Server. Unter Windows XP funktionierten Installation und Anbindung problemlos. Vista wird dagegen offiziell nicht unterstützt, was sich im Test mit dem Abbruch der Connector-Installation auch bestätigte.
In der Nutzung zeigte sich das Outlook-Scalix-Gespann solide. Die wichtigsten Funktionen wie Server-seitiges Adressbuch, öffentliche Ordner mit abgestuften Benutzerrechten und die Terminvereinbarung funktionierten anstandslos. Und über eine SSL-verschlüsselte Verbindung finden mobile Anwender Anschluss, ohne sich zuerst via VPN ins Firmennetz einzuwählen.
Intuitiv und komfortabel arbeitet es sich auch mit der an Outlook angelehnten Web-oberfläche, SWA (Scalix Web Access) genannt. Sie eignet sich als vollwertiger Client, von kleinen Schwächen abgesehen. Der Aufruf eines Pop-up-Fensters ist aufgrund entsprechender Blocker im Browser etwas unglücklich gelöst und es fehlt die Unterstützung für Zertifikate, mit denen sich Mails signieren und verschlüsseln liessen.
Dank offener Standards bietet Scalix aber auch Raum für Clients wie etwa Thunderbird mit der Kalendererweiterung Lightning. Mailzugriff und LDAP-Adressbuch stellen keine echten Hürden dar, genauso wenig wie die Agenda. Zum vollwertigen Outlook-Ersatz reichts dem Mozilla-Gespann dennoch nicht, fehlen doch Möglichkeiten wie die Terminvereinbarung aufgrund verfügbarer Daten («free/busy list») oder der Zugriff auf freigegebene Kalender anderer Benutzer. Als Ersatz für Outlook bietet in der Mozilla-Produktpalette erst eine Mischform aus lokalem und webbasiertem Client den vollen Funktionsumfang.

Alternative im klassischen Sinn

Aufgrund der Funktionalität und den breiten Anschlussmöglichkeiten für Clients bietet sich Scalix als reife Exchange-Alternative an für Unternehmen, die nicht vollumfänglich auf die Microsoft-Schiene setzen. Die mangelnde Integration in Applikationen von Drittanbietern kann sich dabei jedoch als Stolperstein erweisen.
Einen Trumpf hat Scalix aber noch in der Hinterhand - und das ist sein Preis. Kleine Unternehmen, die genügend Linux-Fachwissen besitzen und ihren Groupware-Server selber betreiben können, fahren mit der kostenlosen Community-Edition konkurrenzlos günstig. Aber auch sonst bleiben die Preise mit rund 40 bis 70 Franken pro Benutzer im ersten und maximal 20 Franken in den Folgejahren tief. Unternehmen, die eine klassische Groupware suchen, finden in Scalix eine valable und trotzdem günstige Alternative.
Andreas Heer