MWC 2019 25.02.2019, 11:45 Uhr

5G zwischen grossen Versprechen und offenen Fragen

Seit Jahren wird über den superschnellen 5G-Datenfunk gesprochen – jetzt ist er da. Zumindest wurden auf der Branchenschau MWC erste 5G-Handys vorgestellt. Die Technologie soll eine Revolution bringen. Zunächst könnte sie aber schwer zu verkaufen sein.
Der Mobile World Congress (MWC) findet jährlich in Barcelona statt
(Quelle: GSMA)
Zu Beginn der Branchenschau Mobile World Congress wird erst einmal Donald Trump auf die Schippe genommen. «Wir werden hier im nächsten Jahr nicht über 6G reden», stellt Rajeev Suri, Chef des Netzwerkausrüsters Nokia, am Rande der weltgrössten Mobilfunkmesse in Barcelona klar. Der US-Präsident hatte kürzlich die Einführung der noch nicht einmal eingedachten 6G-Technologie in den USA «so schnell wie möglich» gefordert.
Worüber in diesem Jahr allerdings am jedem Stand und bei jedem Event gesprochen wird, ist 5G, 5G und wieder 5G. Lange wurde auf den superschnellen Datenfunk gewartet, jetzt ist er zum Greifen nah. Und im frühlingshaften Barcelona zeigt sich die Branche euphorisiert angesichts der Chancen und Möglichkeiten, die die nächste Mobilfunkgeneration mit sich bringen soll. «Es ist eine Revolution – und sie passiert jetzt», sagt Analyst Mike Cansfield von der IT-Marktforschungsfirma IDC.
5G verspricht viel. Da wären zunächst einmal Internet-Geschwindigkeiten, mit denen sich ein Film binnen weniger Sekunden herunterladen lässt. Oder so kurze Reaktionszeiten, dass sich Industriemaschinen und sogar Autos aus der Ferne steuern liessen. Kapazitäts-Engpässe bei den Netzbetreibern fänden damit ein Ende und die Vernetzung aller möglichen Technologien ausserhalb von WLAN-Verbindungen würden ermöglicht.

Vermarktung von 5G könnte schwierig werden

So weltverändernd das klingt, so schwer könnte 5G zumindest in der Anfangszeit den Verbrauchern zu vermitteln sein. Denn die ersten 5G-Anwendungen, die sie erleben, sehen eigentlich so ziemlich wie Dienste aus der heutigen LTE-Welt aus – Videotelefonie zum Beispiel. Wie vermarktet man das? Naheliegend als ein verlässlicheres Netz? Das wäre kurzsichtig, argumentiert IDC-Analyst Cansfield. Denn in vier Jahren dürften erst 4 Prozent mit 5G online sein und nach wie vor 75 Prozent in LTE-Netzen. «Will man drei Vierteln seiner Kunden einreden, dass sie mit einer nicht verlässlichen Verbindung im Netz sind? Eher nicht.» So braucht die Branche Leuchttum-Anwendungen und Flaggschiff-Geräte, an denen man die Attraktivität von 5G festmachen kann.
In diesem Jahr sind das auch Smartphones, die man zu einem kleinen Tablet auffalten kann. Ein Argument ist, dass auch grosse Dateninhalte wie Filme unterwegs schnell greifbar seien – deshalb gebe es Bedarf an immer grösseren Bildschirmen. Die vorpreschenden Hersteller Samsung und Huawei hoffen auch darauf, dass ihre mindestens 2000 Euro teuren Auffalt-Handys von den Netzbetreibern subventioniert werden, weil diese sich mehr Geschäft etwa mit Streaming-Diensten erhoffen.
So kommen neue Smartphones grosser Hersteller in dieser Saison nicht nur auffaltbar, sondern auch 5G-fähig daher. «Für uns war es wichtig, dass wir mit einem High-End-Smartphone 5G liefern können. Und wenn die Netzbetreiber bereit sind, werden sie es auch nutzen», sagte Samsung-Manager Mario Winter jüngst. Der chinesische Herausfoderer Xiaomi setzt eine tiefe Preismarke mit einem 5G-Smartphone für 599 Euro.

Nokia sieht grosse Chancen

Wie sieht es unterdessen bei den Ausrüstern aus? Für Nokia, das seine goldenen Zeiten als Marktführer im Handy-Geschäft lange hinter sich gelassen hat, bietet 5G eine grosse Chance. «Ich bin zuversichtlich, dass wir die richtige Strategie zur richtigen Zeit haben», sagte Suri. 2019 werde ein aufregendes Jahr. Und: «Wir erwarten, dass 2020 ein Jahr des Wachstums für den Markt und für Nokia sein wird.»
Konkurrent Huawei, der ebenfalls auf Netzausbau setzt, steht derzeit dagegen wegen Sicherheitsbedenken im Westen unter Druck. Die USA warnen unter anderem vor Industriespionage. Bedenken werden auch geäussert, ob Technik von Huawei in einem möglichen Cyberkonflikt Attacken aus China und anderen Regionen standhalten könne oder ob eine Hintertür für Angreifer eingebaut würden.
In Barcelona sorgte Huawei mit seinem aufklappbaren Smartphone Mate X für Aufsehen, von der Netzausrüstungs-Sparte war zunächst nicht viel zu hören. Für das Verbraucher-Geschäft legte aber Bereichschef Richard Yu seine Hand ins Feuer: «Wir lassen keine Hintertür für keine Regierung offen», versicherte der Top-Manager in Barcelona.

Faltbare Smartphones nicht für den Massenmarkt

Die zahlreichen Geräte-Neuheiten, mit denen die Hersteller auf dem Mobile World Congress um die Aufmerksamkeit buhlen, lenkten von dem eigentlichen Thema der Messe ab, sagt Roman Friedrich, Analyst bei der Boston Consulting Group. «Faltbare Smartphones adressieren keinen Massenmarkt.» Das eigentlich Neue würden erste Anwendungen auf dem 5G-Netz sein. Im Fokus stehen dürften Fragen, wie wir Maschinen und Roboter steuern und Industrieabläufe effizienter gestalten können.
Die hitzige Diskussion um mögliche Sicherheitsrisiken durch Huawei wird nach Einschätzung Friedrichs «fast hysterisch geführt». Möglicherweise gebe es in der Debatte um Sicherheitslücken «einen wahren Kern», es herrsche aber ein deutliches «Erkenntnisdefizit». Mit 5G gingen rundlegende strukturelle Veränderungen einher. «Wir werden erst jetzt die Digitalisierung der Gesellschaft vollständig erleben», sagt Friedrich. Probleme der Datensicherheit seien «seit Jahren bekannt». Die Diskussion darum werde aber «von der Substanz entkoppelt» geführt.
Friedrich mahnte deshalb eine versachlichte Diskussion dazu an. Nötig sei auch international mehr staatliche Transparenz. Ein Marktführer wie Huawei könne dem Markt weiterhin guttun, ein Verzicht würde vor allem die technische Entwicklung in Europa hemmen. «5G ist eine bedeutende Zukunftstechnologie», sagte Friedrich. «Wir dürfen nicht erlauben, dass sie durch Ungewissheiten und Unklarheiten auf gesetzlicher Ebene verzögert wird.»



Das könnte Sie auch interessieren