Mobile Payment 07.11.2019, 15:55 Uhr

Twint und WeChat in der Schweiz vereint

Neu können chinesische Touristen in der Schweiz so bezahlen, wie sie es von zu Hause gewohnt sind. Worldline führt die europaweit erste Mobile-Payment-Lösung ein, die nebst Twint auch Alipay und WeChat Pay unterstützt.
Die Kassenterminals generieren neu nur noch einen QR-Code für Twint, Alipay oder WeChat Pay
(Quelle: Worldline)
Mobile Payment wird bald aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken sein. Am Bahnhof, beim Kiosk, im Coop, ja sogar in der Berghütte kann heut­zutage mit dem Smartphone bezahlt werden. Die Schweiz ist dafür gut aufgestellt: Kaum ein Land weist eine derart hohe Verbreitung von Kassen auf, an denen mobiles Bezahlen möglich ist. Die vergleichsweise frühe Akzeptanz von Diensten wie Apple Pay und Samsung Pay hat zudem zu einem deutlichen Anstieg der kontaktlosen Zahlungen beigetragen. Nicht zuletzt hat die Einführung der Schweizer Lösung Twint für eine grössere Verbreitung gesorgt.
Seit 2016 ist Twint auf dem Markt und hat schnell eine hohe Akzeptanz gewonnen. Dabei gingen die Entwickler geschickt vor, um B2C- und B2B-Kunden zu gewinnen: Twint wurde als P2P-Lösung lanciert, erst dann kamen die Bezahlterminals dazu. So waren die Konsumenten bereits vom Produkt überzeugt, bevor sie damit an den Kassen zahlen konnten, und die Händler hatten die gewünschte Nachfrage. Doch eine Aufgabe blieb: Was ist mit den Touristen, beispielsweise aus China? Diese sind an ihre eigenen Mobile-Payment-Möglichkeiten gewöhnt, in der Schweiz mussten sie bisher mit Bargeld oder Kreditkarte zahlen. Hier sah das Tourismusland Schweiz eine Chance, sich als Vorreiter zu positionieren.

Alipay und WeChat Pay für Touristen

SIX Payment Services, die Tochter von Worldline, hatte bereits im Vorjahr einen Vorstoss in Richtung Mobile Payment gemacht. Durch eine Kooperation mit Alipay konnten Händler, Gastronomie und Hotels den Kunden das Bezahlen mit dem populären chinesischen Dienst an bestehenden Terminals anbieten. Neu geht Worldline noch einen Schritt weiter und integriert als erster europäischer Anbieter der uniformen QR-Code-Lösung auch WeChat Pay. «Die Händler möchten ihren Kunden eine maximale Benutzerfreundlichkeit anbieten. Wir unterstützen sie dabei. Mit der Integration von Alipay und WeChat Pay können chinesische Kunden in der Schweiz wie zu Hause einkaufen», sagt Marc Schluep, CEO von Worldline in der Schweiz. Nach geglückten Pilotprojekten mit Händlern wird WeChat Pay derzeit an den POS-Terminals in der Schweiz ausgerollt.
WeChat als chinesisches Pendant zu WhatsApp hat über eine Milliarde aktive Nutzer. Allerdings ist WeChat kein reines Kommunikations-Tool, sondern kann unter anderem auch zum Bezahlen gebraucht werden. Der integrierte Dienst WeChat Pay zählt 800 Millionen aktive Nutzer. Ein riesiger Markt, der für die Schweizer Händler sehr inte­ressant ist: 2018 generierten chinesische Touristen einen Umsatz von über 656 Millionen Franken in der Schweiz. Und es wird immer mehr. Bis 2020 werden die Logiernächte hierzulande um 13,5 Prozent steigen, zeigen Prognosen. Aber auch bei Chinesen gilt die Macht der Gewohnheit: In einer Umfrage gaben unglaubliche 91 Prozent an, dass ihre Kauflust im Ausland durch die Akzeptanz der chinesischen Mobile-Payment-Marken steigen würde.

HTML5 als Bindeglied

Um WeChat Pay zu integrieren, konnte Worldline die bestehende Infrastruktur von rund 140 000 Bezahlterminals bei schweizweit ca. 85 000 Händlern nutzen. Die WeChat-Strukturen, die sich an Social-Media-Beziehungen orientieren, passen allerdings nicht direkt zu den kartenbasierten Zahlsystemen. Die Terminals arbeiten nach dem Request/Response-Prinzip, während WeChat über Publish/Notify funktioniert. Worldline hat deshalb Experten der verschiedenen Systeme zusammengenommen, um die Accounts
bei WeChat auf die Händlerhierarchien, Währungen, die Firmengliederung Schweiz/Europa sowie auf den Produktions- und Testumgebungen abzubilden.
Für die Entwickler war klar, dass die Mobile-App des Benutzers stets die treibende Kraft im Ablauf bleibt, während die Host-Systeme eher informativ dienen sollen. Als primäres Bindeglied hat man sich deshalb für eine HTML5-Seite entschieden, die im Hintergrund das Pairing, also den Scan vom QR-Code bis zur Betragspräsentation an den Käufer orchestriert. Parallel delegiert die Seite die Zahlungsbestätigung an die App zur sicheren PIN-Eingabe.
Als besondere Herausforderung stellte sich dabei die Sicherheitsarchitektur für die verteilten Komponenten und deren Zusammenspiel heraus. Denn letztlich funktioniert die Lösung mittels In-App-Browser auf mobilen Geräten bei einer Milliarde Benutzer. Dies passt nicht mehr ins tradi­tio­nelle Host-to-Host-Schema mit privater VPN-Connectivity, wie man es von den traditionellen Zahlungssystemen der Banken kennt. Zudem haben die chinesischen Anbieter eine andere Vorstellung, welche Funktionalitäten im Perimeter abgedeckt werden müssen. Um hier eine durchgängige End-to-End-Verschlüsselung zu erreichen, mussten interne und externe Sicherheitsprofis beigezogen werden.

Schulterschluss mit Tencent

Um das Projekt verwirklichen zu können, musste auch der WeChat-Entwickler Tencent mitmachen und der Scanner-Funktion in der App ein Update verpassen. Der Schulterschluss mit einem der grössten IT-Unternehmen der Welt erwies sich aber als problemlos: «Hinter WeChat Pay steckt mit Tencent ein hochprofessioneller und dabei sehr agiler Tech-Gigant. Wir haben von der Zusammenarbeit immens profitiert – und mit unserem spezifischen Zahlungsverkehrs-Know-how punkten können», sagt Schluep.
“Mit der Integration von Alipay und WeChat Pay können chine­sische Kunden in der Schweiz wie zu Hause einkaufen„
Marc Schluep, Worldline Schweiz
Vorteilhaft war, dass Worldline selbst einige chinesische Angestellte hat. Zwar funktionierte die Projektkommunikation problemlos auf Englisch. Dennoch liessen sich einige Anliegen an Fachstellen, die sich in der Projektorganisation in zweiter Reihe befinden, zeitnah in chinesischer Sprache lösen. Dabei half auch, dass Worldline seit 2006 mit Union Pay sowie seit 2016 mit Alipay kooperiert und bereits Erfahrungen mit chinesischen Partnern gesammelt hat.
Gemeinsam konnte ein Service realisiert werden, der europaweit einzigartig ist: Der Verkäufer gibt am Terminal den zu zahlenden Betrag ein. Dieser wird mit einem QR-Code versehen. Der Konsument scannt den Code mit seinem Smartphone, prüft den Betrag und bestätigt die Zahlung. Dabei ist es gleichgültig, welche App der Konsument verwendet, sei es Alipay, Twint oder eben neu WeChat Pay. Der QR-Code ist mit allen Payment-Lösungen kompatibel.



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