02.03.2006, 17:52 Uhr

Zweiter Frühling für Midrange-Server

IBM will mit «System i5» an die Midrange-Tradition anknüpfen, gleichzeitig mit neuen Techniken und dem «All in one»-Konzept auch KMU ansprechen.
Vor kurzem hat IBM die Nachfolgegeräte der I-Series, vormals AS/400, gezeigt. Dabei hat der Blaue Riese der Serverreihe auch einen frischen Namen verpasst: «System i5». Neben der Hardware wurde auch das Betriebssystem überarbeitet. Es segelt unter der Bezeichnung «i5/OS V5R4». Computerworld hat sich mit Ian Jarman, weltweiter Produktmanager für IBMs «System i5» über das Midrange-Angebot und dessen Positionierung unterhalten.
Computerworld:Mit System i5 will IBM nach eigenen Angaben in den Mainstream vordringen. Wie wollen Sie das konkret anstellen?
Ian Jarman: Zunächst einmal, indem wir innerhalb der IBM-Angebotspalette in die Mitte vorstossen. Dies ist bereits geschehen. Von der Hardwareseite her setzen wir auf die Power-Prozessor-Linie und damit sind wir kompatibel mit anderen Serverlinien, allen voran der P-5-Reihe von Unix-Rechnern.Zudem haben wir diverse Softwareprodukte aus IBMs Portfolio integriert. Dazu gehören Websphere, Lotus Domino und DB2. Schliesslich haben wir auf der i5-Plattform Standards aus der Industrie aufgenommen, wie etwa Java und Apache. In einem weiteren Schritt ist die Aufnahme von PHP geplant. Daneben lassen sich nun mehrere unterschiedliche Betriebssysteme auf dem System i5 betreiben. Das erhöht nochmals die Zahl möglicher Anwender. Unser Angebot bietet sich somit einer breiten Benutzergruppe an.
Computerworld:Ich habe aber ihre Ankündigung so interpretiert, dass Sie i5 kleinen Unternehmen schmackhaft machen wollen, also Anwendern, die ein paar Windows-Server betreiben. Haben Sie auch für diese Klientel ein Angebot?
Ian Jarman:Viele unserer Applikationen richten sich an kleine Firmen. i5 läuft in vielen solchen Unternehmen.
Computerworld:Was ist ihre Definition von «klein»?
Ian Jarman:Nicht die Firmen mit 10 Arbeitsplätzen, eher solche mit 20 bis 100 Usern gehören für uns in diese Kategorie. Mittelgrosse Firmen haben dann bis etwa 500 Arbeitsplätze. Klar: Die ganz kleinen Firmen werden wohl meist Intel-Server mit Windows einsetzen. Aber wenn diese wachsen und sie verschiedene Unternehmensteile konsolidieren wollen, werden sie für uns wieder interessant.
Computerworld:Ihre Zielgruppe könnte sich somit auch für Unix-Server entscheiden...
Ian Jarman: Natürlich. Die Herausforderung von Unix ist aber, dass es sich um ein System handelt, das viele Möglichkeiten bietet. Es ist sehr flexibel, und man kann sich seine Wunschumgebung aus der eigenen Datenbank, der eigenen Kommunikationssoftware und den eigenen Sicherheitswerkzeugen zusammenstellen. Der Nachteil ist aber, dass es schnell komplex wird und Sie viele Spezialisten brauchen, um Ihre Umgebung zu warten. Bei i5 haben wir versucht, für diese mittelständischen Unternehmen die Middleware zu integrieren. Der Vorteil ist der, dass die Anwender sich auf die Applikationen konzentrieren können, die sie für den Geschäftsalltag benötigen.
Computerworld:Sie nennen das «all in one». Was verstehen Sie genau darunter, was ist genau in diesem Paket?
Ian Jarman:Aus Sicht von IBM erhalten Sie Speicherkapazität, einen Server, ein Betriebssystem, Middleware sowie die Lösung, die meist von einem dritten Softwareanbieter stammt. Es ist also eine stark integrierte Ansammlung von IBM-Software und -Hardware.
Computerworld:Sie bieten diese Server ab 12000 Dollar an. Was erhalte ich dafür?
Ian Jarman:Da ist einmal der Server, einige Harddisks, Speicher, das Betriebssystem, die Datenbank DB2 und Websphere Express. Was nicht dabei ist, weil wir es nicht selbst herstellen, sind etwa ein ERP-System oder eine Bankenlösung.
Computerworld:Wir haben i5 mit Unix verglichen, wie verhält es sich mit Linux und Windows?
Ian Jarman:Linux ist eine interessante Alternative - allerdings eher zu Windows. Anwender setzen Linux meist für Infrastrukturaufgaben ein, also als Web-, File- und als Mailserver. Ich würde Linux somit nicht als Konkurrenz zu i5 sehen. Wir ermutigen vielmehr Anwender, ihre Linux-Umgebung auf einer Partition unseres Systems laufen zu lassen. In Bezug auf Windows gibt es meiner Meinung nach einen wichtigen Unterschied. In der Praxis wird auf einem Windows-Server oft nur eine Funktion ausgeführt. Die Firmen haben also jeweils eine Wintel-Maschine als File-, als Print-, als Applikations-, als Datenbank- und als DNS-Server im Einsatz. Wenn sie dann weitere Funktionen oder Programme benötigen, werden weitere Rechner aufgestellt. Irgendwann wird dieses System sehr komplex und schwierig zu administrieren, die Total Cost of Ownership explodiert. Bei i5 können sie all diese Funktionen auf einem Rechner laufen lassen, hier liegt der Hauptvorteil unseres Angebots.
Computerworld:Wir leben bekanntlich nicht in einer perfekten Welt. Was wäre dann ein Nachteil von i5?
Ian Jarman: Ich würde es nicht einen Nachteil nennen. Aber Firmen werden nicht nur ein Betriebssystem einsetzen. Es gibt kein Unternehmen, das nur i5 einsetzt. Für viele ist es sinnvoll, für bestimmte Aufgaben einen Windows-, Linux- und Unix-Server einzusetzen. Deshalb bemühen wir uns ja so sehr, dass Sie auf einem i5-Rechner mehrere Betriebssysteme laufen lassen können. Derzeit sind das AIX, Linux und Windows.
Computerworld:Leidet darunter nicht die Performance, wenn all diese Betriebssysteme virtualisiert werden?
Ian Jarman:Nein. Unsere Virtualisierungstechnik erlaubt es, diese Umgebungen von einander zu trennen. Eine AIX-Partition kann physisch auf einem eigenen Prozessor laufen. Gleichzeitig kann sie etwa Speicher mit anderen Systemen teilen. Man kann das Ganze aber auch sehr flexibel handhaben. Wenn etwa die Finanzbuchhaltung am Jahresende mehr Rechenleistung benötigt, lassen sich zusätzliche Ressourcen bereitstellen.
Computerworld:Mit dieser Virtualisierungstechnik dringen Sie in den Mainframe-Bereich vor. Sie bedienen also von der kleineren Firma bis zum Grossunternehmen alle Spielarten. Wäre es nicht besser, sich auf den Mittelstand zu konzentrieren?
Ian Jarman: Erstens würde ich nicht behaupten, dass wir den Mainframe konkurrenzieren. Grossrechner werden immer skalierbarer und die richtige Wahl für Grossunternehmen sein. Wir haben allerdings einige Konzepte aus der Mainframewelt übernommen und auf der i5-Plattform implementiert. Bestes Beispiel ist hier die logische Partitionierung. Zweitens können wir nicht im mittleren Segment verweilen, weil viele unserer Kunden enorm gewachsen sind. Es waren diese Firmen, die uns gebeten haben, die Plattform weiter zu skalieren.
Computerworld:Warum haben Sie diesen Kunden nicht empfohlen, ihre Anwendungen auf den Mainframe zu portieren?
Ian Jarman: Natürlich wäre auch eine Portierung möglich. Diese Firmen haben aber viel in ihre Applikationen für die i5-Plattform investiert und sind glücklich damit. Statt für eine Migration viel Geld auszugeben, entwickeln sie lieber weitere Applikationen, die zum Wachstum des eigenen Geschäfts beitragen.
Computerworld:Ich möchte nochmals auf die kleineren Betriebe zurückkommen. Eine Kritik, die immer wieder bezüglich i5 geäussert wird, ist der Preis. Für viele ist ein i5-System zu teuer. Was entgegnen Sie hier?
Ian Jarman: Beim Preis sollte man auf die Lösung schauen und nicht auf die einzelne Komponente. Ich habe bereits dargelegt, wie es sich mit Windows-Servern verhält. Sie müssen bei einer Kostendiskussion einen i5 mindestens mit den Anschaffungskosten von etwa fünf Windows-Servern vergleichen. Werden zusätzlich die Administrationskosten dazugerechnet, ist ein i5-System eine günstige Alternative. Ein weiterer Punkt wird ebenfalls oft ausser acht gelassen. Wenn Sie eine Software für i5 geschrieben haben, können Sie diese auch auf zukünftigen Rechnergenerationen laufen lassen. Wir haben viele Anwender, die noch Programme im Einsatz haben, die für die AS/400 oder sogar deren Vorgänger System 38 geschrieben wurden und die ohne Änderungen noch heute laufen - dies ist übrigens auch der Grund, warum es uns noch gibt, aber weder die VAX, noch eine DEC. Das Grunddesign von i5, das von Frank Soltis vor 30 Jahren erdacht wurde, trennt die Software völlig von der Hardware, sodass die Anwendungen viele Technologiesprünge mitmachen können. Wenn man also all diese Faktoren berücksichtigt, dann ist i5 sogar sehr preiswert.
Computerworld:Bei den Administratoren haben Sie aber ein Problem. Es gibt tausende Windows-Spezialisten, aber nur wenige, die sich bei i5 auskennen. Was tun Sie dagegen?
Ian Jarman: Bei der Bedienung lassen sich durchaus auch Windows-Spezialisten beiziehen, denn unsere Administrationssoftware i5 Navigator ist an Windows angelehnt.Schwieriger wird es bei der Programmierung von Software für die Plattform. Hier haben wir zwei Strategien: Zum einen werden wir unser akademisches Ausbildungsprogramm intensivieren und mit zahlreichen Universitäten und Fachhochschulen zusammenarbeiten. Zum anderen integrieren wir zahlreiche offene Techniken in das i5-Betriebssystem. Beispielsweise haben wir die Skriptingsprache PHP einfliessen lassen. Java-Programmierer können auf i5 genauso programmieren wie auf einer anderen Plattform.



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