Exklusiv-Interview 30.09.2008, 02:41 Uhr

"Wir haben keine Angst vor der Wolke"

Wie läuft Microsofts Server-Geschäft? Wie reagieren die Redmonder auf Trends wie Virtualisierung und Cloud-Computing? Microsofts Bob Kelly von der Abteilung für Infrastruktur-Server erläutert die Position der Software-Gigantin gegenüber Computerworld.
Bob Kelly von Microsoft möchte derzeit nicht in der Haut von VMware-Chef Paul Maritz stecken.
Mit Windows Server 2008 und SQL Server 2008 hat Microsoft dieses Jahr einiges unternommen, um auch in der Informatik von Grossfirmen besser Fuss zu fassen. Doch die Konkurrenz, unter anderem Oracle und VMware, schlafen nicht. Microsofts Bob Kelly, verantwortlich für das Marketing im Bereich Infrastruktur-Server, steht gegenüber Computerworld Red' und Antwort zu den brennenden Themen Adaption von Windows Server 2008, VMwares postuliertes "Virtual Data Center OS", die Finanzkrise und Oracles Pläne in Sachen "Cloud-Computing".
Computerworld: In Sachen Adaption von Windows Server 2008 und SQL Server 2008 herrscht derzeit seitens Microsoft Funkstille. Wie läuft das Update-Geschäft, gibt es Anwender die beispielsweise von Oracle-Datenbanken auf SQL Server umsatteln?
Kelly: Unser Job ist es, Software herzustellen, mit der die Anwender ihre geschäftskritischen Applikationen betreiben können. Nicht zu unserem Aufgabenfeld gehört dagegen, Oracle zu schlagen oder Oracle Kunden abzujagen. Microsoft will alles tun, um die User zufrieden zu stellen. Wenn wir das schaffen, wählen sie automatisch uns als Hersteller.
Nun zur Adaption von Windows Server 2008 und SQL Server 2008: Die Produkte wurden wirklich gut angenommen. Wir haben noch nie zuvor eine so schnelle Adaptionsrate eines Betriebssystems erlebt wie mit Windows Server 2008. Dafür gibt es einige Gründe: Die Qualität des Produkts, die Berücksichtigung der Verteilung von Arbeitslast und das Powermanagement um nur einige zu nennen.
Sie sprechen von der schnellsten Umstiegsrate, können Sie das quantifizieren?
Wir haben den grössten Anteil in der x86er-Welt ergattern können, den wir je hatten, und zwar nach Angaben der Marktforschungsinstitute Gartner und IDC. Wir werden bald eine Million aktive Lizenzen pro Quartal erreichen. Für mich bedeutet dies eine phänomenale Adaptionsrate.
Vor Kurzem hat Paul Maritz - er ist nicht nur CEO von VMware, sondern auch jemand, der Microsoft ziemlich gut kennt - erklärt, das Server-Betriebssystem sei obsolet geworden und seine Firma baue jetzt das "Virtual Data Center OS", um Applikationen zu verwalten. Wie interpretieren Sie diese Ankündigung? Was steckt dahinter?
Windows wurde von zahlreichen Leuten zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der Computer-Geschichte für tot erklärt. Ich verstehe diese Aussagen durchaus. Sie dienen dazu, das eigene Produkt besser zu positionieren.
Ich kenne ja Paul ziemlich gut. Er ist ein grossartiger Kerl. Derzeit beneide ich ihn allerdings nicht. Denn er hat in ein Wespennest gegriffen. Nicht unbedingt wegen Microsoft: Wir sehen Virtualisierung als Mittel zum Zweck. Für uns ist die Technik eine Funktion des Betriebssystems, so wie das in Grossrechnern und bei Linux schon seit eh und je der Fall ist. Maritz ist allerdings jetzt in einen Markt vorgedrungen, den viele seiner Geschäftspartner bereits besetzen. Und ich verrate Ihnen auch, welcher von denen VMware am gefährlichsten werden wird: Hewlett-Packard (HP).
HP hat sprichwörtlich Milliarden Dollar ausgegeben und Firmen aufgekauft, um Herrin im Rechenzentrum zu sein. Ich denke an Opsware, an EDS und an Neoware. Das ist ein riesiges Arsenal an technischem Know-how in diesem Gebiet. Und jetzt kommt VMware daher und erklärt: "Wir wollen all diese Produkte ersetzen". Das Echo auf die Ankündigung wird entsprechend sein. All diese Anbieter werden sich am Kopf kratzen und protestieren, dass VMware nun bei ihnen über den Hag frisst. Es ist eine interessante Situation, in die sich Paul Maritz maneuvriert hat. Aber wie gesagt: Ich möchte derzeit nicht in seiner Haut stecken.
Die Wall Street hat in den letzten Tagen und Wochen für schlechte Schlagzeilen gesorgt - um es einmal milde auszudrücken. Wie sieht Microsoft die wirtschaftliche Situation? Wird das die Adaptionsrate von Windows 2008 beeinflussen?
Unsere Anwender sollen mit möglichst wenig Kosten, neue Funktionen und Applikationen ihrem Unternehmen bereitstellen. Daher sehen wir unserer Rolle darin, ihnen bei der Reduzierung der IT-Kosten zu helfen.
Werden aber Firmen derzeit nicht lieber ihre bisherigen Systeme weiterpflegen und den nächsten Update erst dann vornehmen, wenn sich die Wirtschaft ein bisschen erholt hat?
Das kommt auf den Kunden an. Ein riesiger Vorteil von Windows Server 2008 ist die Virtualisierungstechnik. Früher mussten sie 3000 Dollar für eine "Enterprise Edition"-Lizenz ausgeben, und für jeden virtuellen Server mussten weitere 3000 Dollar berappt werden. Jetzt, da wir unsere Lizenzen geändert haben, laufen ohne Aufpreis vier virtuelle Maschinen auf dem Betriebssystem. Das heisst: Für 3000 Dollar können sie jetzt fünf Server betreiben statt nur einem.
Ein Windows-Kunde kann somit seine Software- und Hardware-Umgebung drastisch konsolidieren. Dadurch reduziert sich nicht nur der Preis für Lizenzen und Hardware. Die Management-Ausgaben und die Rechnung für Energie werden ebenfalls reduziert.
Oracle und Amazon haben bekanntgegeben, dass die Datenbank Oracle 11g und andere Applikationen künftig als Teil von Amazons Dienstleistung "Elastic Compute Cloud" erhältlich sind. Hat Microsoft vergleichbare Pläne in Sachen Cloud-Computing?
Ich muss Sie diesbezüglich auf unsere Professional Developers Conference (PDC) Ende Oktober vertrösten. Dann wollen wir Genaueres über unsere Pläne verraten. Nur schon so viel: Microsoft ist Anbieterin einer Plattform. Deshalb sehen wir unsere Rolle innerhalb des Cloud-Computing auch in diesem Bereich. Aus Sicht des Entwicklers werden wir jedenfalls danach streben, dass die Funktionsweise der Software auf der eigenen Infrastruktur dieselbe sein wird wie in der "Wolke". Anwender sollen keinen Unterschied merken, ob eine Anwendung von der lokalen IT bereit gestellt wird oder aus der Computing-Wolke stammt.
Um es klar zu sagen: Es gibt nichts in Sachen Cloud-Computing, was uns Angst einjagen würde. Es handelt sich dabei schlicht und ergreifend um ein weiteres Vehikel, mit dem Applikationen bereitgestellt werden. Auch vor den Firmen, die im Cloud-Computing mitmischen wollen, haben wir keine Angst. Wir vertrauen da ganz auf unsere Plattform. Diese wurde von zahlreichen Anwendern bewusst für die eigene IT-Infrastruktur gewählt und bezahlt. Und glauben Sie mir: Wir werden ihnen etwas Gleichwertiges in der Wolke anbieten können.



Das könnte Sie auch interessieren