Blick zurück in die Zukunft von 1991

Kein papierloses Büro, kein Heimbüro

Überdies arbeitete kaum jemand in den eigenen vier Wänden. Die Gründe: wenig Platz, Familienkonflikte, Einsamkeit und Lärm. Auch im Schulzimmer hielt sich die Computer-Revolution in Grenzen. So wurden bisher keine Lehrer ersetzt, weil die Lernprogramme nur von begrenztem erzieherischen Wert sind. Zwar wurde in den amerikanischen Schulen viel in Hard- und Software investiert, doch viele Erzieher seien der Meinung, man solle wieder mehr Geld für Schulbücher und bessere Lehrer ausgeben.
Pen-Computing, Bildtelefon und Multi­media: auch 1991 noch visionäre Technologie
Quelle: Computerworld Schweiz
Eine der grössten Fehlprophezeiungen sei nach dem Bericht der Computerworld aber das papierlose Büro. Trotz Personalcomputer und Textverarbeitungsprogrammen sei in den letzten Jahren immer mehr Papier produziert worden. Eine Studie von IBM schätzte, dass heute immer noch 95 Prozent der Geschäftsinformationen auf Papier gespeichert ist. Zu den schwersten Niederlagen der Propheten gehört weiter, dass die Produktivität im Büro durch die Informationstechnik kaum gestiegen ist, wie Studien zeigen.

«Wes Brot ich ess, des Lied ich sing»

Der amerikanische Wissenschaftler Steven Schnaars fand heraus, dass die Trefferquote der Vorhersagen allenfalls 15 Prozent betrug. Dabei lagen nicht nur die Expertengruppen und Wissenschaftler, sondern auch die Marktforscher regelmässig voll daneben. Ergänzend stellte Professor Richard Brody fest, dass Hochrechnungen – beispielsweise für Homebanking, Homeshopping und Informations-dienste – stets viel zu optimistisch ausfielen. Der Grund: Einerseits erhielten sie von den Herstellern bereits geschönte Zahlen, andererseits wollten sie den Auftraggebern gefallen. Das alte Sprichwort «Wes Brot ich ess, des Lied ich sing» gelte auch noch in der Informationsgesellschaft. Zudem zeigten sich die Marktforscher recht arbeitsscheu. Denn beim Thema Teleshopping hätte eine kurze Analyse der vielen Modestudien gezeigt, dass der Einkauf für die meisten Menschen ein soziales Ereignis ist und bleiben wird, weil es neben dem Einkaufserlebnis die Chance bietet, ausser Haus zu gehen und Freunde zu besuchen.
Der Hauptgrund für die falschen Voraussagen liege indessen darin, dass die Propheten aus naiver Technikgläubigkeit der Technik eine viel zu grosse Rolle zuschrieben. Dagegen würden menschliche Bedürfnisse und Fähigkeiten viel zu wenig in Betracht gezogen. Viele neue Techniken hätten sich nicht im erwarteten Mass durchgesetzt, weil sie grösstenteils in alten enthalten sind oder für die Masse kaum etwas Neues bringen. So nutzt weniger als 1 Prozent der amerikanischen Haushalte einen Informa­tionsdienst, 5 Prozent sollten es mehreren Studien zufolge sein. Die Konsumenten seien nicht bereit, für belanglose Informationen zu zahlen. Einzig die Sexdienste liessen die Kassen der Anbieter klingeln.
Unrealistische Prognosen wurden aber auch – beispielsweise auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz (KI) – absichtlich hinausposaunt, um dem Staat das Geld für mil­liardenschwere Forschungsprogramme aus der Tasche zu ziehen. Immerhin macht KI-Häuptling Marvin Minsky keinen Hehl daraus, so Computerworld.

Unvorhergesehene Tücken der Technik

Die Prognostiker hätten Entwicklungen vorausgesagt, die nicht eintrafen. Tatsächlich seien aber Wirkungen eingetreten, die niemand vorausgesagt habe. Dazu gehören etwa Probleme, die durch unzuverlässige Software, Computerkriminalität, Hacking und Viren sowie fehlenden Datenschutz entstehen. Falsch oder nicht richtig funktionierende Hard- sowie Software und deren Ausfall sei viel verbreiteter als bekannt, erklärte das Analystenhaus Forrester 1991. Beispielsweise mussten 22 Soldaten wegen Software-Fehlern in Blackhawk-Helikoptern ihr Leben lassen. Unumwunden gaben Programmierer 1991 zu, dass es unmöglich sei, eine komplexe Software ohne Fehler zu entwickeln. Ausserdem zeige die Erfahrung, dass sich bei jeder Korrektur wieder neue Fehler ins Programm einschleichen. 
Der britische Computerwissenschaftler John Collyer nahm in einem Forschungsbericht sogar an, dass falsch programmierte Rechner in den kommenden Jahren «in grossem Stil» Menschenleben fordern werden. In diesem Zusammenhang kritisierte der Philosoph Hans Lenk, dass die Kompetenzen immer mehr an integrierte Gesamt­systeme übergehen. Damit werde die Verantwortung entwertet, da diese jetzt im System stecke.



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