Start-up 23.05.2018, 14:30 Uhr

Nomoko bildet Städte millimetergenau in 3D ab

Niemand bildet Städte digital so präzise ab wie sie, sagen die Gründer von Nomoko. Die millimetergenauen 3D-Modelle des Start-ups sollen etwa Games realistischer aussehen lassen oder autonome Fahrzeuge schneller auf die Strasse bringen.
Die drei Nomoko-Gründer Kevin Mersch, Nilson Kufus und Vincent Pedrini (v.l.)
(Quelle: Nomoko)
Nilson Kufus, Vincent Pedrini und Kevin Mersch, die Gründer des Zürcher Start-ups Nomoko, haben sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Sie wollen einen digitalen Zwilling der Welt erschaffen – einen «Digital Twin», wie sie ihn nennen. Dabei geht es im Prinzip darum, ein virtuelles 3D-Modell beispielsweise einer Stadt zu kreieren, das der Realität bis ins Detail gleicht. Dafür überfliegt Nomoko ein bestimmtes Gebiet mit einer oder mehreren Drohnen, die mit einer speziellen, hochauflösenden Kamera bestückt sind. So kann das Start-up die Fläche mit allen Objekten millimetergenau aufzeichnen und seinen Kunden danach über eine Plattform zur Verfügung stellen.
Laut Nilson Kufus entstand die erste Idee dazu im Jahr 2014, als er an der Universität Maastricht studierte und sich intensiv mit der Fotografie beschäftigte. «Damals habe ich mir ganz allgemein die Frage gestellt, wie man eine kleine und kompakte Digitalkamera mit einer grösseren Auflösung herstellen könnte.» Besonders das Aufkommen verschiedener Technologien, um volumetrische (3D) Information aufzunehmen, habe dann als Inspiration dazu gedient zu erforschen, was man mit hochauflösenden Kameras sonst noch anstellen könnte. Dafür holte er anschliessend seine Mitstreiter Pedrini und Mersch ins Boot, um gemeinsam mit ihnen die Idee weiterzuentwickeln. Pedrini stieg als Mann fürs Finanzielle ein, Mersch war für die technologische Seite zuständig. Kufus brachte – wie er selber sagt – die unternehmerische «Crazyness» und Kreativität mit ins Team.

Gigapixel-Kamera als Grundlage

«Sehr schnell kam dann die Idee zur 3D-Abbildung, aber damals war diese Technologie noch kaum bekannt und greifbar – das kam dann erst später, beispielsweise mit dem Spiel ‹Pokémon Go›». In den ersten beiden Lebensjahren von Nomoko sei deshalb die Entwicklung der Kamera im Fokus gestanden, zudem habe sie als Alleinstellungsmerkmal gedient, erklärt Kufus. Sie ist aber insofern wichtig, weil sie dem Start-up mit ihren hochauflösenden Bildern die Basis für den digitalen Zwilling liefert. Gemeinsam mit einem japanischen Hersteller tüftelte das Jungunternehmen drei Jahre lang an der Kamera, die Fotos im Gigapixel-Bereich knipst. Zum Vergleich: Die Auflösung einer Spiegelreflexkamera bewegt sich meist im niedrigen Megapixel-Bereich.
In diesem Jahr sind die drei Nomoko-Gründer ihrem Ziel – einen digitalen Zwilling der Welt zu erschaffen – einen grossen Schritt näher gekommen. Ende letzten Jahres stellte Nomoko den dritten und mittlerweile voll funktionsfähigen Kameraprototyp fertig. Erste Testläufe konnte das Start-up damit auch bereits durchführen, die laut Kufus «sehr gut» verlaufen sind. Nun will der Mitgründer von Nomoko aber nicht mehr viele Worte über die Kamera verlieren. Denn das Start-up will sie nur für eigene Zwecke nutzen. «Wir realisierten, dass wir mit dem Erstellen von 3D-Modellen ein deutlich skalierbareres Geschäftsmodell haben», erklärt er. So könne ein Datensatz einmal generiert und beliebig oft verkauft werden. «Das ist im Endeffekt viel interessanter, als Kameras zu verkaufen.»

Verarbeitung mit Spezial-Software

Parallel zur Kamera entwickelte das Team eine passende 3D-Software, um die von der Kamera aus verschiedenen Perspektiven eingefangenen Bilder verarbeiten zu können. Sie fügt die 2D-Aufnahmen der Kamera erst zu einem komplett dreidimensionalen Modell zusammen und nimmt automatisch eine Segmentierung – gewissermassen eine Erkennung – aller Objekte vor. Die Software ist dabei in der Lage, besonders grosse Datensätze zu verarbeiten. Denn wer eine Stadt so genau abbilden will, der arbeitet zwangsläufig mit enormen Datenmengen und ist softwareseitig auch auf Massanfertigungen angewiesen. Pro Stadt entsteht un­gefähr ein 1 Petabyte grosser Datenberg, rechnet Kufus vor.
Kunden sollen die Modelle nun künftig über die sogenannte Nomoko-Plattform nutzen können. Das Start-up bietet dabei einen Workflow an, damit beispielsweise Wetterdaten in einen digitalen Zwilling integriert oder Games auf Basis der Daten entwickelt werden können. Weiter sei geplant, die Applikation komplett als Cloud-Service anzubieten. Um die Anwendung der 3D-Modelle zu demonstrieren, arbeitet Nomoko momentan daran, verschiedene «Exploration Zones» zu erstellen – erstmal ist es ein digitaler Zwilling des Kreis 5 in Zürich. Kunden sollen diesen nutzen können, um die Technologie auszutesten. Danach sollen weitere auf der ganzen Welt verteilte Testgebiete folgen.

Diverse Anwendungsgebiete

Die Plattform kann gemäss Kufus in vielen Bereichen eingesetzt werden. Genauere digitale Karten, welche die Präzision von GPS-Systemen verbessern, sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. Mit dem hochpräzisen Abbild können KI-Frameworks selbstfahrender Fahrzeuge virtuell trainiert werden, bevor die Autos in den realen Strassenverkehr geschickt werden. Architekten können die Plattform nutzen, um ihre CAD-Zeichnungen in die realitätsgetreue Um­gebung einzufügen. Game-Entwickler können die Modelle verwenden, um ihre Apps näher an die Realität zu bringen.
Über Nomokos 3D-Modelle lassen sich verschiedenste Datensätze legen
Quelle: Nomoko
Auch Städteplaner könnten sich die Technik zunutze machen. Weil Nomokos Karten mit Daten angereichert sind, können Planer beispielsweise nach Dächern suchen, auf denen sich die Installation einer Solaranlage eignet. Limiten sind offenbar kaum gesetzt. Zahlreiche Firmen zeigten bereits Interesse daran. Co-Gründer Kufus bestätigt, dass es auch mit Konzernen wie Google oder Tesla bereits erste Kontakte gab. «Interesse für eine Zusammenarbeit ist bestimmt von beiden Seiten da, nun müssen wir uns Gedanken machen, wie eine solche genau aussehen könnte.»

Ohne Team geht es nicht

Bei der Suche nach Geldgebern nahm sich das Start-up Zeit und wählte diese sorgfältig. In zwei Finanzierungsrunden brachten «Family, Friends and Fools» sowie professionelle Investoren laut Kufus insgesamt 4,7 Millionen Franken im Jungunternehmen ein. Auf einen breiteren Kreis an Beteiligten verzichteten die Gründer aus strategischen Gründen. Mit 4,7 Millionen Franken habe das Start-up von seinen Investoren einen zumindest für Schweizer Verhältnisse relativ grossen Betrag erhalten, gibt Kufus zu. «Das gab uns aber die Möglichkeit, Gas zu geben und viel grössere Wachstumsschritte zu machen. Sonst stünden wir heute bestimmt nicht an dem Punkt, wo wir jetzt sind.»
25 Mitarbeitende sind aktuell beim Start-up beschäftigt, jeden Monat stellt das Unternehmen laut Kufus jemand Neues ein. Die drei Gründer rekrutierten Studien­abgänger namhafter Universitäten im In- und Ausland, aber auch Spezialisten der grössten amerikanischen Tech- Firmen. Sie hätten viel Zeit darin investiert, die richtigen Leute zu finden – doch es habe sich gelohnt. «Am Ende ist es immer ein Team-Effort, den man nur zusammen schafft», sagt Kufus. Gemeinsam mit dem Nomoko-Team wolle er nun neue Anwendungsbereiche erschliessen und die Möglichkeiten ausloten, welche die Technologie bietet. Denn für viele Zukunftsinnovationen sieht er die Nomoko-Technologie als potenzielle Basis. «Unsere Vision ist, dass wir die totale Kreativität ermöglichen und schlussendlich einen digitalen Zwilling der ganzen Welt erschaffen – und irgendwann machen wir dann noch den Mond und den Mars», sagt der Mitgründer des Start-ups grinsend.
Zur Firma
Nomoko
wurde 2015 vom Schweizer Nilson Kufus und seinen beiden luxemburgischen Kollegen Vincent Pedrini und Kevin Mersch gegründet. An seinen drei Standorten in Zürich, Luxemburg und San Francisco beschäftigt das Jungunternehmen aktuell 25 Mitarbeitende. 2016 und 2017 schaffte es Nomoko auf die Liste der 100 besten Schweizer Start-ups – vor zwei Jahren erreichte die Firma Platz 40, 2017 rückte sie auf den 25. Rang vor. 2016 wurde die Geschäftsidee zudem mit dem Pionierpreis des Technoparks Zürich und der Zürcher Kantonalbank ausgezeichnet.



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