Co-Founderin von Futurae Technologies 16.07.2019, 09:36 Uhr

Geschäftssinn im Blut

Nach einigen Stationen in der Tech-Branche machte sich Sandra Tobler 2016 selbstständig und gründete Futurae Technologies. Überschüssige Zeit ist für sie seither zur Rarität geworden. Tobler bereut es aber überhaupt nicht.
Seit 2016 ist Sandra Tobler selbstständig, nun leitet sie das Geschäft von Futurae Technologies als CEO
(Quelle: Markus Senn)
Bei Sandra Tobler geht alles zack, zack. Herum­trödeln ist nicht ihr Ding. Sie konzentriert sich stets aufs Wesentliche. Das hat einen Grund: Zeit hat die Zürcherin nicht mehr viel, seit sie sich vor drei Jahren selbstständig gemacht hat. 2016 gründete Tobler mit Claudio Marforio und Nikos Karapanos die Firma Futurae Technologies. Auch als wir uns zum Interview treffen, sitzt ihr bereits der nächste Termin im Nacken. Angespannt wirkt sie trotz vollem Terminkalender nicht – im Gegenteil. Die Rolle scheint Tobler auf den Leib geschnitten. Unternehmergeist liegt ihr in den Genen, schliesslich leiteten ihr Vater und Grossvater die sich im Familien­besitz befindende Lack- und Farbenfabrik. Für sie sei es aber trotzdem eher ungeplant gewesen, selbst eine Firma auf die Beine zu stellen, erklärt Tobler. «Irgendwie zog es mir dann doch den Ärmel rein.» Nur bei der Branche traf sie eine komplett andere Wahl als ihre Familie. Futurae Technologies ist im Bereich IT-Security tätig und hat eine Authentifizierungs-Suite entwickelt für Finanz-, Versicherungs- sowie Gesundheitsunternehmen.

Doktorarbeit als Blaupause

Gefunden hat sich das Trio, als Marforio und Karapanos noch an der ETH Zürich doktorierten und Teil der System Security Group waren. Die Forschungsgruppe ist dem Institut für Informationssicherheit angegliedert. Toblers Angaben zufolge dachten die beiden zu diesem Zeitpunkt darüber nach, ein Forschungsprojekt zu kommerzialisieren. Die Idee dabei: Technologien sollen den Authentifizierungsprozess besonders nutzerfreundlich gestalten – ohne Abstriche bei der Sicherheit machen zu müssen. Heute bietet das ETH-Spin-off eine Suite an, in der verschiedene Zwei- oder Mehr-Faktor-Authentifizierungsmethoden vereint werden.
Eine davon nennt sich «Zero-Touch». Die Idee dafür entstand im Rahmen der Doktorarbeit von Marforio und Karapanos. Zur Authentifizierung einer Person werden über die Mikrofone des PCs und des Smartphones innert Sekunden die Umgebungsgeräusche abgeglichen. Die Software stellt sicher, dass sich beide Geräte am gleichen Ort befinden. Mittlerweile setzt das Start-up hierzu auch hochfrequente Töne sowie Sensorsignale ein. Der Login-Vorgang klappt mit der Technologie vollautomatisch und soll sogar funktionieren, wenn sich das Smartphone in der Hosen­tasche befindet. Benötigt würden keine sensitiven Informa­tionen, auch anonymisiere die Software sämtliche Daten. Das Verfahren bietet damit eine Alternative zu Lösungen wie SMS-, Push- oder QR-Codes, die Futurae auch anbietet.
Entstanden sei die Zusammenarbeit des Gründer-Trios nicht zuletzt auch durch ihr gemeinsames Interesse an Datenschutzthemen. «Ich ärgere mich immer darüber, dass IT-Sicherheit stiefmütterlich behandelt wird. In grossen Projekten wird das Budget dafür oft zusammengestrichen. Dabei könnte die IT-Sicherheit auch ein Business Enabler sein.» Der Ansatz des Start-ups mache die Sicherheit nun zu einem integralen Bestandteil eines digitalen Produkts, ohne Nachteile für die User punkto Interaktion.
Mehr zum Geschäftsmodell von Futurae Technologies, zur Funktionsweise der Lösungen und vielen anderen Themen hat Sandra Tobler kürzlich im Gespräch mit Cédric Bollag von GlobalTechBox.com verraten.
Kooperation
In der wöchentlich erscheinenden Serie «The StartupShow» spricht Cédric Bollag, Initiant von GlobalTechBox.com, mit den Gründern vielversprechender Jungunternehmen. Im Rahmen einer Kooperation präsentiert Computerworld regelmässig Bollags Interviews und Porträts.

Breiter Background in der IT

In der IT ist Sandra Tobler schon seit Längerem unterwegs. Bereits, als sie noch an der Universität Genf studierte, habe sie sich mit der Branche beschäftigt, sagt die Co-Gründerin von Futurae Technologies. Später arbeitete sie in verschiedenen Rollen bei IBM – unter anderem managte sie dort Projekte oder führte Vertragsverhandlungen im Bereich Outsourcing. Einen Abstecher machte sie auch nach Nordamerika. In San Francisco war Tobler knapp zwei Jahre lang als Trade Commissioner für das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten und den Swiss Business Hub tätig. «Dort erhielt ich die Chance, das Büro aufzubauen. Und weil ich aus der IT-Industrie kam, betreute ich dort vor allem Tech-Themen.» Sie half beispielsweise dabei, Schweizer ICT-Know-how im Ausland zu positionieren und die Ansiedlung internationaler ICT-Unternehmen in der Schweiz zu unterstützen.
Sandra Tobler kümmerte sich anfangs beim Start-up um Aufgaben wie das Fundraising, Recruiting oder den Verkauf
Quelle: Markus Senn
Entsprechend haben die drei Gründungsmitglieder von Futurae Technologies ihre Rollen aufgeteilt: Tobler leitet das Start-up als CEO, während Marforio als COO für das operative Geschäft zuständig ist. Verantwortlich für die Technik ist CTO Karapanos. Wie die Zürcherin erläutert, übernahm sie als Geschäftsleiterin ganz unterschiedliche Aufgaben – vor allem in der Anfangsphase. So war sie etwa für die Strategie und Vertragsabwicklungen zuständig, kümmerte sich um den Verkauf, das Fundraising oder auch das Recruiting und pflegte Kundenbeziehungen. Dabei habe Tobler von ihrem breiten IT-Background profitiert: «Aufgrund meiner Erfahrungen kenne ich die IT mittlerweile in- und auswendig – von der Software und den Services über die Hardware bis hin zum Serverraum und den Racks.»

Fünf Schritte vor, zehn zurück

Doch wer selbstständig ist, steht zwangsläufig vor Herausforderungen. Nicht immer läuft alles nach Plan. «Es ist immer eine Achterbahnfahrt», sagt Tobler dazu. «An einem Tag hast du das Gefühl, du kommst fünf Schritte weiter, und am nächsten Tag wirft es dich zehn Schritte zurück. Aber das gehört nun mal dazu.» Die Start-up-Gründerin erzählt, dass sie im Bereich der IT-Security beispielsweise mit dem Henne-Ei-Problem konfrontiert wurde. Denn für eine junge Firma sei es zu Beginn prinzipiell schwierig, Referenzen vorweisen zu können. Man sei hierfür schlichtweg zu wenig lange am Markt. «Oftmals erhält man auch nicht die nötige Zeit, bei einem potenziellen Kunden den Nachweis zu erbringen, dass die Lösung viele Jahre produktiv im Einsatz ist.» Von Unternehmerinnen und Unternehmern sei deshalb Ausdauer gefragt. Auch von Kritik dürfe man sich nicht gleich destabilisieren lassen. «Vielmehr sollte man sich aufs Wesentliche konzentrieren und an alle glauben, die gemeinsam mit dir die Dinge vorwärtsbringen wollen.»
Die erste grosse öffentliche Referenz bezeichnet Tobler deshalb auch als einen der wichtigen Meilensteine in der noch jungen Geschichte von Futurae Technologies. «Mit der SIX Group konnten wir einen ersten Kunden präsentieren, der nicht nur hierzulande, sondern auch im Ausland bekannt ist. Für unsere Glaubwürdigkeit war das am Anfang sehr wichtig.» Auch, weil es in der IT-Sicherheit oft nicht möglich sei, Referenzen öffentlich zu machen.
Eine grosse Herausforderung für ein Start-up mit einem kleinen Team sei auch das Jonglieren mit den begrenzten Ressourcen. «In einen potenziellen Kunden viel Zeit zu investieren, daraus am Ende aber kein Projekt zu machen, das kann für ein Start-up unter Umständen tödlich sein», sagt die Zürcherin. Man müsse deshalb sehr vorsichtig sein, worauf man sich konzentriere, und genau prüfen, wo effektiv Chancen bestehen, etwas zu erreichen. «Jede Person muss mit der Zeit, die sie zur Verfügung hat, das Bestmögliche für die Firma machen», betont Tobler.
Zur Person
Sandra Tobler
wuchs in Zürich auf und studierte an der Univer­sität Genf Internationale Beziehungen. Sie arbeitete mehrere Jahre für IBM, das Eidgenössische De­partement für auswärtige Angelegenheiten und Switzerland Global Enterprise. Zusammen mit Claudio Marforio und Nikos Karapanos machte sie sich schliesslich selbstständig. 2016 gründete das Trio Futurae Technologies.

Mit einem guten Team zum Erfolg

Namhafte Kunden und der kürzliche Abschluss einer Finanzierungsrunde über 2 Millionen Schweizer Franken zeigen, dass die Jonglage dem Jungunternehmen um Geschäftsleiterin Sandra Tobler gelingt. Auch wurde Futurae Technologies vom Analystenhaus Gartner als «Cool Vendor 2018 in Identity and Access Management» ausgezeichnet. Der Risikokapitalist Andreas Göldi attestierte dem Futurae-Team kürzlich denn auch «ein sehr breites Verständnis vom Geschäft». Auch technisch ist es aus seiner Sicht «hervorragend aufgestellt».
Wie Mitgründerin Sandra Tobler erklärt, ergänzt sich das Team sehr gut – sowohl fachlich als auch kulturell und menschlich. «Das ist ein gros­ses Asset – gerade in der IT, wo oftmals eine sehr homogene Art von Leuten arbeitet.» Kreativität ist gefragt. Denn das Start-up wolle einen anderen Zugang zur IT-Sicherheit vermitteln. «Etwa indem wir Passwörter eliminieren, damit keine Reset-Probleme mehr bestehen, oder im Finanz­umfeld mit neuen Ansätze versuchen, Social-Engineering-Betrug zu verhindern.» Hierfür brauche Tobler Leute, die intrinsisch motiviert sind, Freude an der Thematik haben, etwas bewegen wollen, sehen, wo Potenzial besteht, und Wich­tiges von Unwichtigem trennen können. Auch ein fundiertes Industrie-Know-how brauche es dafür. Alles Weitere könne man dazulernen. «Zu einem gewissen Grad schaffen wir auch eine neue Industrie, weshalb wir stark daran interessiert sind, wohin unsere Reise geht.» Der Co-Gründerin zufolge steht dabei im Zentrum, welche Nutzer-Inter­faces es in der Zukunft geben wird oder wie Endgeräte künftig aussehen werden. Bestückt habe Tobler das Team deshalb mit Erfindern und Tüftlern mit Realitätsblick.
Von der intensiven Start-up-Welt erholt sich Sandra Tobler beim Kochen, Gärtnern und Musikmachen
Quelle: Markus Senn
Ein wichtiges Thema sei für sie in diesem Zusammenhang auch Diversität, die gerade in der IT einen Mehrwert für die Qualität bringe. «Leider findet sich in der Industrie – und noch mehr in der IT-Sicherheit – sehr wenig Vielfalt von Ansichten und Ansätzen.» Wenn man den neuen digitalen Gefahren gerecht werden wolle, sei es jedoch enorm wichtig, alle Leute anzusprechen, abzuholen und einzubeziehen. Um gegen diese Homogenität zu arbeiten, müssen aus ihrer Sicht deshalb vermehrt junge Talente aufgebaut werden – unabhängig von Hintergrund oder Geschlecht.

Wichtiges Kontrastprogramm

Bei der Arbeit ist Sandra Tobler viel unterwegs. Denn der Fokus liegt bei Futurae Technologies momentan auf den Märkten der Schweiz, Deutschland, Österreich und Grossbritannien. Und obwohl sich die Zürcherin nicht über mangelnde Arbeit beklagen kann, findet sie noch Zeit für den regelmäs­sigen Austausch mit anderen Gründerinnen und Gründern. Denn als Unternehmerin könne man sehr einsam werden, erklärt Tobler. Sie seien die einzigen Leute, die verstehen würden, wie der Alltag aussehe und mit welchen Problemen man konfrontiert werde. «Für das private Umfeld ist es oftmals nicht einfach, das nachzuvollziehen.» Für sie sei es deshalb wichtig, ein starkes Netzwerk von Entrepreneuren zu haben, die eine Firma mit einer vergleichbaren Maturität leiten. Zur Abwechslung leistet sich Tobler auch ein Kontrastprogramm mit Kochen oder Gartenarbeit, wie sie erklärt. Hauptsache radikal anders als ihr Arbeitsalltag. Ein Ventil sei für die Unternehmerin auch die Musik. Tobler singt in einer Band, die sich dem Desert Rock verschrieben hat.
Ein Start-up zu gründen, bedeutet aus ihrer Sicht, viel Arbeit auf sich zu nehmen und Leute zu ignorieren, die sagen, dass es unmöglich ist. «Es entspricht nicht jeder Person, sich auf diesen Wahnsinn einzulassen. Aber ich bereue es überhaupt nicht.» Sie habe viel Freiraum, könne eine Kultur prägen und mit ihrer täglichen Arbeit etwas bewirken. Das sei eine «extreme Bereicherung». Ob sie es sich aber vorstellen könnte, von der Selbstständigkeit nochmals in einen Konzern zu wechseln? «Ich weiss nicht, ob ich es mit dieser Erfahrung schaffen würde, nochmals zurückzugehen.»
Zur Firma
Futurae Technologies
ist ein ETH-Spin-off mit aktuell zehn Mitarbeitenden. Das Start-up bietet eine Authentifizierungs-Suite an, um beispielsweise Logins für das E-Banking oder Mobile- und Smart-Home-Geräte abzusichern. Bedient werden damit Unternehmen aus hochregulierten Industrien. 2018 nahm die Firma mit einer Finanzierungsrunde 2 Millionen Franken ein. Nun stehen die Weichen bei Futurae Technologies auf Wachstum. Zu den Kunden zählen Firmen wie die SIX Group oder eine der grössten Banken weltweit.



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