Konjunkturprognosen 2023/24 07.06.2023, 06:15 Uhr

Konjunktur ist auf Erholungskurs

Die Schweizer Wirtschaft dürfte 2023 weiter wachsen, wenn auch nur moderat. Für 2024 sind die Konjunkturexperten von KOF, SECO und UBS positiver, obwohl Abwärtsrisiken bestehen.
(Quelle: Pixabay/Gerd Altmann)
Corona-Pandemie, Lieferkettenstörungen, Ukraine-Krieg, Energieknappheit, Teuerung, Fachkräftemangel … Gefühlt jagt in jüngster Zeit eine Krise die nächste … Doch trotz dieser Spannungsfelder hat sich die Weltwirtschaft im vergangenen Jahr einigermassen gut gehalten, wie der jüngst von der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich veröffentlichten Frühlings-Konjunkturprognose zu entnehmen ist. Ja, sie habe sogar die Erwartungen übertroffen. Insbesondere habe sich die US-Wirtschaft viel stärker als erwartet entwickelt und zur Stabilisierung der globalen Konjunktur beigetragen. Und aufgrund des milden Winters und staatlicher Interventionen sei die Weltwirtschaft 2023 weniger von der Energiekrise betroffen als befürchtet. Dies wirke sich auch positiv auf die Schweizer Wirtschaft aus. Wie die KOF-Forscher schreiben, zeichne sich diese durch eine hohe Resilienz aus, weshalb sie von einer möglichen Energiekrise im Vergleich mit anderen Ländern weniger stark betroffen gewesen wäre. Das wiederum bedeute aber auch, dass die Abmilderung dieser Krise wohl eine geringere positive Auswirkung auf die hiesige Wirtschaft haben werde. Ebenso dürfte die Teuerung 2023 und auch 2024 etwas stärker als erwartet ausfallen und damit die Reallohnentwicklung belasten.
Laut des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) hängt der weitere Konjunkturverlauf wesentlich von der weltwirtschaftlichen Entwicklung sowie von der Energieversorgungslage ab, die sich seit Dezember spürbar entspannt hat. Die europäischen Gasspeicher seien nach dem milden Winter besser gefüllt als erwartet und entsprechend die Energiepreise im europäischen Grosshandel stark gesunken, auch wenn sie weiterhin deutlich über historischen Niveaus liegen würden. Zudem dürfte die Aufhebung der Covid-Massnahmen in China die internationale Konjunktur zumindest kurzfristig stützen. Die Stimmungsumfragen bei der Wirtschaft hätten sich in den vergangenen Monaten insgesamt verbessert, seien aber heterogen geblieben, ebenso habe sich die Konsumentenstimmung im Januar stark aufgehellt. Zudem sei der Purchasing Managers Index (PMI) der Dienstleistungen wieder in den Wachstumsbereich geklettert. Dagegen sei der PMI der Industrie spürbar zurückgegangen und im Januar leicht unter die Wachstumsschwelle gerutscht.

UBS zurückhaltender als KOF und SECO

Das KOF geht davon aus, dass das reale Bruttoinlandprodukt 2023 voraussichtlich um 0,8 Prozent respektive um 1,1 Prozent ohne grosse internationale Sportanlässe und im Jahr 2023 sogar um 2,1 Prozent beziehungsweise um 1,7 Prozent ohne grosse internationale Sportanlässe ansteigen wird. In der Winterprognose erwartete die KOF für 2023 noch ein Wachstum von 0,7 Prozent (ohne grosse internationale Sportanlässe: 1,0 Prozent). Die KOF hat ihr Konjunkturbild für die Schweiz also im Vergleich zur Winterprognose leicht verändert und ihre BIP-Prognose leicht nach oben revidiert, da die Verlangsamung im ersten Halbjahr weniger ausgeprägt ist.
Auch die Expertengruppe des SECO erwartet für 2023 ein Sporteventbereinigtes Wirtschaftswachstum in der Schweiz von 1,1 Prozent (im vergangenen Dezember prognostizierte sie noch ein solches von 1,0 Prozent). Damit würde sich die Schweizer Wirtschaft zwar unterdurchschnittlich entwickeln, aber immerhin nicht in eine Rezession rutschen. Im weiteren Verlauf des Jahres dürften sich die Energielage in Europa weiter normalisieren und die Inflationsraten global allmählich zurückgehen. Das SECO geht davon aus, dass sich dies auch auf die Schweiz überträgt. Allerdings falle die Erholung etwas langsamer aus, als noch im Dezember erwartet wurde.
BIP-Entwicklung Schweiz laut KOF, SECO und UBS
Quelle: KOF, SECO, UBS
Dagegen geht die UBS in ihrem «Outlook Schweiz» vom Februar von einem geringeren Wachstum für 2023 aus als die KOF und das SECO. «2023 steht für einen Richtungswechsel», sagt Florian Germanier, Ökonom UBS Schweiz. «Während sich die Konjunktur 2022 robust zeigte und Inflationssorgen dominierten, dürften in diesem Jahr die Teuerung zurückgehen und die Konjunkturrisiken überwiegen.» Das Chief Investment Office von UBS Global Wealth Management (UBS CIO GWM) erwartet deshalb für 2023 ein Schweizer BIP-Wachstum von lediglich 0,7 Prozent, dies bei einer Inflation von 2,1 Prozent.

Optimistische Weltwirtschaft

Laut der KOF verzeichnete 2022 die weltweite Produktion aufgrund von Lieferkettenproblemen, der Energiepreissteigerung und Unsicherheiten im Zuge des Ukraine-Krieges ein unterdurchschnittliches Wachstum. Für das aktuelle Jahr erwartet die Forschungsstelle jedoch eine Erholung in Europa, worauf viele Konjunkturindikatoren hinweisen würden. Allerdings würden die Energiekrise und die geldpolitische Straffung immer noch dämpfend auf die Konjunkturentwicklung in einigen europäischen Ländern wirken. In den USA dürfte die BIP-Dynamik im Verlauf des ersten Halbjahres 2023 wieder etwas abflachen, da sich das Wachstum des privaten Konsums abschwächen werde. Hingegen erwarte die KOF für das erste Halbjahr 2023 einen starken Konsum-Nachholbedarf in China, der sich positiv auf die Weltwirtschaft auswirken dürfte. Nach Einschätzung der ETH-Forscher wird das mit Schweizer Exporten gewichtete Welt-BIP im laufenden Jahr voraus­sichtlich um 1,4 Prozent steigen.

Starker Arbeitsmarkt

Für den Schweizer Arbeitsmarkt war das vergangene Jahr ausserordentlich gut – fast alle wichtigen Kennzahlen erreichten oder übertrafen ihre historischen Höchststände, während die Arbeitslosenquote auf einen Tiefstand sank. So entwickelte sich der Arbeitsmarkt auch im vierten Quartal besser als prognostiziert. So stieg die Beschäftigung in Vollzeitäquivalenten um 0,6 Prozent (die Winterprognose ging noch von 0,3 Prozent aus). Insbesondere konnten sich die besonders stark von Covid betroffenen Branchen Gastgewerbe sowie Kunst und Erholung verbessern. 2023 dürfte die Beschäftigung gemäss den Vorkaufindikatoren weiter steigen, ebenso 2024, wenn auch auf einem etwas tieferen Niveau als die Jahre zuvor. Laut dem SECO dürfte die Arbeitslosenquote 2023 weiter sinken und bei 1,9 Prozent zu liegen kommen, um dann 2024 auf 2,2 Prozent leicht anzusteigen. Die für internationale Vergleiche geeignete ILO-Arbeitslosenquote wird wie immer auf einem höheren Niveau parallel verlaufen und im Jahresmittel 2023 voraussichtlich 4,1 Prozent und im kommenden Jahr 4,2 Prozent betragen.
Nach mehreren Jahren des stetigen Rückgangs ist im Bausektor eine langsam anlaufende Erholungsphase in Sicht. Darauf deuten unter anderem die aktuellen KOF-Konjunkturumfragen hin. Demnach beurteilt ein grosser Teil der Bauunternehmen ihre aktuelle Geschäftslage als gut. Zudem erwarten viele Unternehmen eine Verbesserung ihrer Geschäftslage im ersten Halbjahr 2023. Gleichzeitig wächst jedoch auch die Sorge bei den Unternehmen, dass der Arbeitskräftemangel das weitere Wachstum hemmen könnte. Für das laufende Jahr dürften die Bauinvestitionen ihre Talsohle erreicht haben, aber im Vorjahresvergleich noch leicht schrumpfen. Ab dem kommenden Jahr erwartet die KOF ein moderates Wachstum für die Gesamtinvestitionen im Bausektor.



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