10.11.2009, 11:01 Uhr

Zukunftssicheres Rechenzentrum

In Schweizer Rechenzentren wird immer mehr virtualisiert. Die Ansprüche der Kunden an die Energieeffizienz und Flexibilität steigen. Wie stellen sich die Betreiber auf die Zukunft ein?
Rolf Finschi betreut als Head of Computing Services & Solutions die Schweizer Rechenzentren von T-Systems
Grosse Rechenzentren erinnern oft an einen lebenden Organismus: Er atmet, arbeitet und schwitzt auch schon mal unter der Last der ihm übertragenen Aufgaben. Um in Form zu bleiben, braucht er Energie, Kühlung, leichtes Training und ab und an eine Diät. Mit anderen Worten: Rechenzentren (RZ) sind komplexe Systeme, die viel Aufmerksamkeit und Pflege erfordern. Kleine Komponenten können unter ungünstigen Umständen grössere Ausfälle verursachen. Daher müssen die verantwortlichen Datacenter-Manager viel Verständnis für die vielfältigen Wechselwirkungen besitzen, denen ihre Infrastruktur ausgesetzt ist, und vorausschauend planen.

Die Technologie: Alles virtuell

Betreibt ein Unternehmen ein Rechenzentrum selbst, hat es auch seine Infrastruktur unter Kontrolle und kann bestimmen, welcher Hersteller, welche Software und welche Komponenten zum Einsatz kommen. Doch der Betrieb eines eigenen Datacenters gehört nur noch selten zu den Kernkompetenzen, die Unternehmen vertrauen ihre Server stattdessen immer öfter einem externen Dienstleister an.
In den Schweizer Rechenzentren von T-Systems stehen an den vier Standorten Zollikofen, Bern, Langenthal und Chur auf einer Fläche von 2000 m2 über 1500 physische Server, die es im Auftrag der Kunden optimal zu betreiben gilt. Die Zahl dieser dedizierten Systeme verringert sich laufend, die freie Fläche vergrössert sich - derzeit sind 700 m2 unbesetzt. Das hat seinen Grund in einem unaufhaltsamen Trend: Immer mehr Firmen wechseln auf standardisierte, hochgradig virtualisierte Systeme. Davon profitiert sowohl der Kunde als auch der Betreiber. Ersterer erhält die Möglichkeit, IT-Leistung bedarfsgerecht zu nutzen, Letzterer vergrössert seine einheitlich zu managende Plattform und reduziert durch Skaleneffekte seine Betriebskosten. Je mehr Kunden die Plattform nutzen, desto wirtschaftlicher wird für sie ihr externes Rechenzentrum.
Bei rund 80 Prozent aller Kundenanfragen kann heute die virtualisierte Plattform für Rechenkapazitäten, Daten, Speicher und Applikationen empfohlen werden. Rund 20 Prozent haben spezielle Bedürfnisse und brauchen etwa aufgrund einer Legacy-Software dedizierte Server. Ein eigenes RZ benötigt im Prinzip niemand mehr. Zudem kann meist nur noch ein externer Dienstleister die im globalisierten Markt erforderliche Verfügbarkeit rund um die Uhr garantieren.

Die Menschen: Hochspezialisiert

Die Technologie haben wir also längst im Griff, die lebenswichtigen Systeme sind doppelt und dreifach redundant ausgelegt. Trotzdem ist das Versagen von Komponenten nie ganz ausgeschlossen. Die Differenz machen die Menschen aus, die tagtäglich ihr Bestes geben, um den «Organismus» zu pflegen, präventiv Komponenten zu ersetzen und wenn nötig einzugreifen. Sie sind auch für das kontinuierliche Verbesserungsprogramm verantwortlich, das aus jedem Fehler ein Stückchen mehr Verfügbarkeit generiert. Ein grosser Anbieter hat es dabei leichter, die erforderlichen Spezialisten zu rekrutieren. Er kann zudem Synergien und Fachwissen aus seinem weltweiten Delivery-Netzwerk nutzen. Die Spezialisten sind elementarer Bestandteil eines Rechenzentrums. Entsprechend müssen sich Datacenter-Manager mit Personalfragen mindestens so stark beschäftigen wie mit technischen Herausforderungen.

Die Kunden: unter Kostendruck

Der Druck im Rechenzentrum ist grösser geworden. Wir müssen immer rascher und immer kostengünstiger neue Systeme aufsetzen, Kundendaten migrieren und Geschäftsprozesse implementieren. Das kann als Symptom eines globalen, heftigen Bewegungen ausgesetzten Marktes gesehen werden. Diese Anforderungen lassen sich nur umsetzen, wenn das Datacenter ganzheitlich gemanagt wird. Das fängt schon beim Verkaufsprozess an. Wer nicht die Sprache des Kunden spricht, seine Bedürfnisse nicht exakt erfassen kann, sich nicht als Partner des Kunden versteht, wird es mittel- bis langfristig nicht schaffen, seine Plattform optimal mit den Abläufen des Kunden zu verschmelzen. Nur so sind aber hochleistungs-fähige, sichere und zugleich wirtschaftliche RZ-Dienstleistungen möglich.

Die Schweizer: konservativ

Doch was fragen Schweizer Unternehmen nach? Sie denken eher konservativ, suchen sichere, hoch verfügbare Systeme und verlangen aktuell nur vereinzelt nach Technologie-Trends wie Cloud-, Grid Computing oder energieeffizienten Servern. Letztere sind aber für den Betreiber eine Notwendigkeit, um der mit der Virtualisierung zunehmenden Energiedichte pro Quadratmeter Herr zu werden. Im Schlagwort Green IT zeigt sich auch die Balance, die im Datacenter gehalten werden muss: Soll man in neue, energieeffiziente Systeme investieren oder alte, abgeschriebene Hardware weiter laufen lassen? Eine eindeutige Antwort ist nicht möglich. Welche Variante im Falle der dedizierten Systeme die bessere ist, müssen die Fachleute im Einzelfall prüfen und mit dem Kunden abstimmen. Es ist für den RZ-Betreiber wichtig, ständig die Zukunft im Auge zu behalten und die Innovationsbereitschaft zu stärken. Einerseits, um Kunden vorausschauend beraten zu können, andererseits, um die technische Entwicklung präziser vorauszusagen.

Die Zukunft: 100 % virtualisiert

Künftig wird noch weniger Stellfläche benötigt, der Virtualisierungsgrad wird sich der 100-Prozent-Grenze nähern, die Server-Auslastung wird auf nahezu 80 Prozent steigen. Und die Schweiz wird als Rechenzentrumsstandort attraktiver denn je sein, gestärkt durch die Vorteile der wirtschaftlichen und politischen Stabilität sowie teilweise durch gesetzliche Vorgaben, wonach Daten in der Schweiz gespeichert sein müssen.
Bei steigenden Stromkosten sind RZ-Betreiber gezwungen, ihren Energiebezug autarker und effizienter zu gestalten. Mit variablen Raumhöhen, verschiedenen Temperaturen und Luftfeuchtigkeiten sowie neusten Chips testen T-Systems und Intel im Münchner «Datacenter 2020» zum Beispiel, wie das ideale Rechenzentrum aussehen könnte. Dazu gehört neben einer hochgradig industrialisierten IT der Einsatz von intelligenter Klimatechnik. Rechenzentren der Zukunft werden selbst Energie produzieren, Teil eines Smart Grids sein und je nach Standort die unterschiedlichsten erneuerbaren Energiequellen nutzen. Der Trend geht damit auch in Richtung Mega-Rechenzentren von 10000 und mehr Quadratmetern. Das wird zu einer weiteren Konzentration der RZ-Anbieter, zu neuen Kooperationen und zu Spezialisierungen führen.
8 Schritte zum energieeffizienten RZ

1. Aktives Assetmanagement: Lückenlose Bestandsaufnahme der gesamten Hard- und Software (u.a. auch Räume, Racks, Stromversorgung, Klimatisierung, Kühlung).

2. Outsourcing: Dienstleister können langfristig flexiblere und energie-effizientere Services zu geringeren Kosten anbieten.

3. Standardisierung: Einheitliche Lizenzen und Releases bei Server-Betriebssystemen und Anwendungs-Software ermöglichen standardisierte Server & Produktionsblöcke und damit einen höheren Automationsgrad in der Bereitstellung.

4. Folgekosten bei der Beschaffung beachten: Schlank dimensionierte und verbrauchsarme Geräte entlasten das IT-Budget.

5. Server durch Virtualisierung besser auslasten: Reduktion der Hardware, Steigerung der Auslastung auf bis zu 80 Prozent.

6. Abwärme kühlen: Verbesserte Auslastung reduziert die Menge aller Stromverbraucher. Zunehmende Leistung und Prozessorverdichtung in den Rechnern erhöhen allerdings den Stromverbrauch und führen zu mehr Abwärme. Wichtig ist deshalb ein Konzept für den Kühl- und Klimatisierungskreislauf.

7. Die richtige Dimension für Räume und Racks finden: Gegebenenfalls müssen im Zuge von Umbauten und Sanierungen infolge des erhöhten Kühlungsbedarfs auch die Doppelböden, auf denen die 19-Zoll-Schränke stehen, etwas höher gelegt werden.

8. Alles überwachen und verbessern: Zu einem modernen, energieeffizienten und wirtschaftlichen Datacenter gehört ein umfassendes Monitoring vom virtualisierten Rechner-Pool, von der Stromversorgung und den Kühlsystemen. Ziel ist die Erhöhung der Lufttemperatur von 20 auf annähernd 25 Grad - das senkt den Verbrauch für Kühlung und Klimatisierung.
Rolf Finschi



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