10.02.2006, 19:02 Uhr

Speicher-Dienstleister müssen umdenken

Die immer grösser werdende Datenflut, die kürzere Halbwertszeit von Informationen sowie die höhere geschäftliche Relevanz dieser Daten könnten im Storage-Segment neue Märkte öffnen und die Kräfteverhältnisse ver­schieben. Storage-Hersteller und -Dienstleister werden sich neu positionieren müssen.
Im Kontext einer Projektarbeit des Executive MBA HSG an der Universität St.Gallen wurden der Schweizer Storage-Markt untersucht und strategische Empfehlungen an Dienstleistungs-KMU formuliert. Zu Beginn der Arbeit standen die folgenden Thesen, die sich auf Erfahrungswerten, Vermutungen und auf verschiedenen Gesprächen mit CIO abstützen:
Die Bedürfnisse der Unternehmen in der Schweiz werden sich mittelfristig (bis 2008) ändern und unterschiedlich stark wachsende Teilmärkte ermöglichen. Zudem besteht ein Bedürfnis nach ganzheitlichen und homogenen Lösungen.
Die verschiedenen regulatorischen Vorschriften hinsichtlich der Datenspeicherung generieren laufend neue Anforderungen an die Storagesysteme. Dies führt zu neuen Herausforderungen an die Unternehmen, um sämtliche geschäftsrelevanten Daten nach spezifischen Kriterien abzulegen und bei Bedarf oder Anfrage vollständig bereitzustellen.
Diese veränderten Bedürfnisse ermöglichen neue Positionierungen und Serviceportfolios für kleine und mittelgrosse IT-Dienstleister.
Für die Beurteilung des Schweizer Marktes wurden rund 130 Unternehmen aus verschiedenen Industriezweigen befragt.

Regulatoren

Seit einiger Zeit vollzieht sich in den Unternehmen ein Wandel von der papierbasierten zur elektronischen Organisation. Diese Aussage bezieht sich nicht auf das «papierlose Büro», sondern darauf, dass immer weniger geschäftsrelevante Daten und Dokumente in gedruckter Form zur Verfügung stehen und somit nicht mehr in physischer Form archiviert werden können. Parallel dazu erhöht sich die Anzahl an Regelwerken zur Aufbewahrung elektronischer Daten. Diese Gesetze und Vorschriften, die allgemein unter dem Begriff «Compliance Anforderungen» zusammengefasst werden, treiben den Markt für ganzheitliche Datenarchivierungssysteme an.
Zwar steigt das Bedürfnis der elektronischen Datenarchivierung. Gleichzeitig jedoch macht sich eine Unsicherheit breit, welche Daten nun genau für wie lange aufbewahrt werden müssen. In diesem Dilemma lassen sich viele Unternehmen dazu verleiten, sämtliche Daten über die Dauer von zehn Jahren zu archivieren, um damit den Compliance-Anforderungen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu genügen. Diese Betriebe gehen von einem falschen Ansatz aus, denn es geht nicht ausschliesslich um die Speicherung. Die Daten müssen auch, je nach Anforderung, in unveränderbarer Form und vor allem innerhalb einer vernünftigen Frist auffindbar sein und vollständig zur Verfügung stehen. Compliance-Anforderungen umzusetzen bedeutet für viele Unternehmen eine grundlegende Revision des Datenmanagements. Die Gleichbehandlung von digitalen Dokumenten mit elektronischer Signatur und herkömmlichen Papierdokumenten sind nur die Spitze des Eisbergs. Jedes Land hat seine eigenen Gesetze und Standards zu diesen Themen. Fest steht, dass grössere Disks und leistungsfähigere SAN nicht ausreichen, um dieser Problematik gerecht zu werden. Vielmehr braucht es neue Konzepte, um Daten selektiv zu speichern und bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen.
Die Marktbefragung zeigt, dass sich dieses Bewusstsein bei Firmen auf dem Schweizer Markt gebildet hat. Entsprechende Projekte werden initialisiert, jedoch sind nur wenige Firmen mit diesen Konzepten vertraut (Grafik 1).Die sich abzeichnende Entschlossenheit, solche Projekte umzusetzen bei der gleichzeitig feststellbaren Unsicherheit bezüglich der konzeptionellen Anforderungen lässt vermuten, dass sich hier ein Potenzial für Beratungsdienstleistungen ergibt.

Veränderte Nachfrage

Aus der Auswertung der gewünschten Dienstleistungen geht zudem hervor, dass das Angebot an Beratung hinsichtlich Speichervorschriften der Nachfrage zur Zeit noch nicht gerecht wird. Diese Beratungs-Nische kann derzeit durch innovative und kompetente Anbieter besetzt werden. Ein ähnliches Bild zeichnet sich für das Thema «Storage Ressource Management Beratung» ab (Grafik 2).Wichtig für alle Dienstleistungsanbieter, die sich auf Herstellerfirmen ausrichten, ist die Tatsache, dass sich die strategische Bedeutung dieser Hersteller mittelfristig verändern wird. EMC und IBM werden vermutlich auf dem Markt Schweiz eher stark, Veritas (Symantec) und Hewlett-Packard eher leicht an Bedeutung gewinnen (Grafik 3 und Grafik 4 auf Seite 18).
Die Strategie der Kunden, nach der sie Storage-Umgebungen auf- und ausbauen, insbesondere die Kriterien, nach welchen sie Hard- und Software beschaffen, lässt Ausgewogenheit zwischen «Best of Breed»- und Homogenitäts-Strategien beobachten. Ein signifikanter Anteil der befragten Unternehmen wird aber nach homogenen Gesamtlösungen (Hard- und Software) nachfragen, was unter anderem den Rückgang der strategischen Bedeutung einiger Hersteller erklärt. Hersteller mit einem vollständigen Lösungsportfolio und «Best of Breed»-Produkten innerhalb ihres Portfolios können mit hoher Akzeptanz bei den Kunden rechnen und sind daher gut positioniert.

Empfehlungen

Aus der Analyse des IT Storage Markts lassen sich unterschiedliche strategische Positionen für Dienstleister im Schweizer Markt identifizieren, die unabhängig voneinander eingenommen werden können. Zurzeit zeichnen sich in der Schweiz die folgenden neuen, respektive unbefriedigten Marktnachfragen ab:
Beratung im Bereich der regulatorischen Vorschriften: Im Bereich der regulatorischen Anforderungen an die Datenspeicherung hat sich die Nachfrage nach Beratungsdienstleistungen stärker entwickelt als die effektiv genutzten Services. Gründe dafür können die neuen gesetzlichen Vorschriften wie SOX und Basel II und eine allgemeine Verunsicherung der Corporate IT sein, da diese Herausforderung eine Kombination juristischer und technischer Kriterien darstellt. Anbieter solcher Dienstleistungen sollten juristische wie auch technische Kompetenz aufweisen, um von der Nachfrage nachhaltig profitieren zu können. Für dieses neue Beratungsprodukt sind mögliche Anbieter mit neuen Ansprechpartnern auf der Kundenseite konfrontiert. Es sollte davon ausgegangen werden, dass die Thematik auf Kundenseite mit sowohl technischem als auch juristischem Personal abgedeckt wird. Folgende Voraussetzungen werden daher angenommen:
Juristische Kompetenz im Bereich der gesetzlichen Datenerhaltung
Kompetenz in der technischen Speicher-Konzeptberatung
Umsetzung eines neuen Geschäftsmodells, das ein breiteres Kontaktnetz als Voraussetzung hat.
Dienstleistungen im Bereich der technischen Datenspeicherungsanforderungen: Weitere Möglichkeiten ergeben sich in den Bereichen Storage Ressource Management und Information Lifecycle Management. Unternehmen mit entsprechender Kompetenz, insbesondere in der Konzept-Beratung, ermöglicht die Nachfrage gute Entwicklungsmöglichkeiten. Möglichen Beratungs- und Lösungsanbietern (Hardware und Software) wird eine Zusammenarbeit mit gut positionierten Herstellern, die eine steigende strategische Bedeutung auf dem Schweizer Markt ausweisen, empfohlen. Bei der Wahl des Lieferanten stützen sich die Unternehmen primär auf die bisherigen Erfahrungen und die Kompetenz im jeweiligen Fachgebiet. Gründe, die zu dieser Empfehlung führen, sind: 55 Prozent der Unternehmen in der Schweiz kennen Konzepte, die ein selektives Speichern von Daten ermöglichen, nicht oder nur teilweise. Um dem Datenwachstum gerecht zu werden, gedenken aber 22 Prozent der Firmen, solche Konzepte umzusetzen. 54 Prozent werden sich in den nächsten 12 Monaten mit solchen Projekten befassen. Für Dienstleistungsanbieter mit entsprechender Kompetenz eröffnet sich somit ein neuer Markt. 22 Prozent der Unternehmen in der Schweiz reagieren mit einer grösseren Storage-Infrastruktur auf die zunehmende Datenmenge. Die Nachfrage nach entsprechender Hardware, insbesondere nach RAID-Systemen, wird demzufolge anhalten. Gemäss Analyse sind die technischen Möglichkeiten, den heutigen funktionalen Anforderungen gerecht zu werden, bei fast allen Hardware-Herstellern gegeben. Eine sehr gute Position kann ein Dienstleistungsunternehmen erlangen, indem es sich die Kompetenzen der Bereiche Storage Ressource Management und Information Lifecycle Management-Methoden aneignet und gleichzeitig die entsprechende Hard- und Software wiederverkaufen kann. Die Marktuntersuchung zeigt, dass eine grosse Nachfrage nach herstellerunabhängiger Beratung besteht. Kann sich ein Dienstleistungsunternehmen mit verschiedenen Herstellern auf Wiederverkaufs-Vereinbarungen einigen, so wird es auch dieser Anforderung gerecht, was die Ausgangslage vermutlich optimiert.
Patric Märki, Moreno Plozza, Vennemann Daniele



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