25.09.2009, 10:48 Uhr

Für jeden Geschmack das Richtige

Virtualisierungstechnologien haben mittlerweile fast die gesamte Schweizer IT erobert und auch letzte Zweifler überzeugt. Aber welche Schweizer Unternehmen arbeiten mit welchen Lösungen?
Der Megatrend und Dauerbrenner Virtualisierung ist seit Jahren die Nummer eins auf den von Computerworld erstellten Ranglisten - noch vor IT-Security und Mobile Computing. Und der Hype geht weiter: 47,1 Prozent der 500 umsatzstärksten ICT-Unternehmen der Schweiz sehen in den nächsten zwei Jahren Virtualisierungstechnologie als Zugpferd, ergab die von Computerworld durchgeführte Top-500-Umfrage 2009. Die Technik hat sich fest etabliert, eine Handvoll Anbieter kämpfen um Anteile am wachsenden Markt. Bereits im vergangenen Jahr hatten 60 Prozent der Schweizer Top-500-Unternehmen Virtualisierungs-Software im Einsatz. Der Prozentsatz dürfte sich trotz Krisensparens weiter erhöht haben, denn die wirtschaftlichen Vorteile überzeugen.

Reale Benefits

Zum technischen Hintergrund: Der Klassiker Storage-Virtualisierung vereint mehrere physische Einzelspeichermedien zu einer einzigen, administrierbaren virtuellen Festplatte. Server-Virtualisierung schlägt den umgekehrten Weg ein und teilt einen physischen Hardware-Server in mehrere, unabhängig voneinander nutzbare virtuelle Maschinen auf. Die mit beiden Techniken erzielten Benefits aber sind dieselben: effizientere Ressourcenausnutzung, Konsolidierung, leichtere Administrierbarkeit und letztlich sinkende Anschaffungs- und Betriebskosten. Der Marktführer VMware spricht von bis zu 50 Prozent reduzierten Anschaffungskosten. Die Betriebskosten sollen durch den Einsatz des Paradeprodukts vSphere 4 sogar um ambitionierte 60 Prozent sinken, heisst es in einer Firmenbroschüre.
Dabei streiten sich die Analysten, ob die durchschnittliche Server- und Storage-Auslastung in Schweizer Unternehmen 6, 10 oder 20 Prozent beträgt. Letztlich ist das aber nicht von Belang. Fest steht: Durch Virtualisierung lässt sich die Auslastung vorhandener Kapazitäten auf 60 bis 80 Prozent hochschrauben, ohne in Boomzeiten Versorgungsengpässe oder Ausfälle zu riskieren. Denn eine dedizierte 1:1-Zuordnung zwischen Applikationen, Datenbanken, Speicher und Computing-Power entfällt.

Victorinox setzt auf Citrix

Welche Virtualisierungslösungen eignen sich für welche Unternehmen? Dazu einige Beispiele aus der Unternehmenspraxis: Peter Dettelbeck, IT-Projektleiter bei der Victorinox AG, setzt seit den Tagen von Windows NT 4.0 auf Citrix XenApp. Vor einem guten Jahr entschloss sich Dettelbeck, mithilfe von XenServer 5.5 auch die Server des Unternehmens zu virtualisieren. «Wir hatten Probleme mit der Kühlung, und mit XenServer können wir unsere Server-Landschaft besser auslasten», erzählt Dettelbeck. Mittlerweile laufen auf den zehn bisher virtualisierten physischen Rechnern etwa 75 Virtuelle Maschinen (VM). Von den verbleibenden 30 dedizierten, physischen Servern werden pro Monat etwa drei bis vier weitere virtualisiert.
Einige Bare Metals, also dedizierte Server, will Dettelbeck aber beibehalten, unter anderem für kommunikative Aufgaben und für UBS- und COM-Schnittstellen. «Das kann die Citrix-Virtualisierungslösung noch nicht», begründet er seine Entscheidung. Vor der Einführung von XenServer haben die IT-Spezialisten von Victorinox auch mit Microsoft Virtual Server 2005 experimentiert. Letztlich hat Citrix aber durch einige technische Vorteile überzeugt. Mit Microsofts Virtualisierungslösung war es beispielsweise nicht möglich, Server-Pools einzurichten.

Warum XenServer?

Skalierbarkeit und Flexibilität, die oft genannten Keytrigger, spielten bei der Einführung von XenServer keine ausschlaggebende Rolle, weil die Serverlasten bei Victorinox relativ konstant bleiben. Die Hauptgründe hiessen Hardware-Konsolidierung, reduzierte Kosten und weniger Rechenzentrumsplatz. Schliesslich hat Dettelbeck und sein Team auch die Hochverfügbarkeit bei Ausfällen überzeugt. Im Ernstfall wechseln die VMs leicht auf einen noch intakten physischen Rechner.
Seit 20 Jahren unterhält Citrix eine strategische Partnerschaft mit Microsoft, die sich bisher auf Anwendungs- und Desktop-Virtualisierungslösungen erstreckte. Mit den Citrix Essentials für Microsoft Hyper-V, die ab April dieses Jahres erhältlich sind, weitete Citrix die Partnerschaft auf den Markt der Server-Virtualisierung aus. Hyper-V ist eine Virtualisierungsplattform für Windows Server 2008, und die Citrix Essentials statten Hyper-V-Administratoren mit weitergehenden Managementfunktionen aus. Die Essentials verbessern unter anderem die Integration von Storage-Lösungen, das dynamische Provisioning von Master-Images. Ausserdem automatisieren und vereinfachen sie den Lebenszyklus Virtueller Maschinen.

Mercuri Urval vertraut Hyper-V

Die Schweizer Niederlassung des Beratungsunternehmens Mercuri Urval hat mit Microsoft Windows Server 2008 Hyper-V seine Serverinfrastruktur konsolidiert. Das Rückgrad der neuen Infrastruktur bilden drei neue physische Server, auf denen Hyper-V redundant ausgelegte virtuelle Server verwaltet. Das Projekt wurde 2009 beendet und umfasst 80 Arbeitsplätze.
Mitarbeitende, die über eine Terminal-Server-Lösung auf Applikationen und Daten zugreifen wollten, ärgerten sich regelmässig über schlechte Performance, Systemunterbrüche und unfreundliche Login-Prozeduren. «Früher konnten die Mitarbeiter einen Kaffee trinken gehen, bis sie endlich im System waren; heute ist das eine Sache von wenigen Sekunden», sagt Caroline Mück, IT-Koordinatorin bei Mercuri Urval. Der Cluster mit redundanten, virtuellen Servern stellt ausserdem sicher, dass bei Ausfall eines Servers alle Daten und Applikationen unterbrechungsfrei weiter zur Verfügung stehen. Ausfallsicherheit und Performancegewinn sind die beiden Hauptvorteile der neuen Lösung.

Volles Potenzial nutzen

VMware, Marktführer in Sachen Virtualisierung, stellte auf seiner Hausmesse in San Francisco neue Komponenten vor, welche die vCenter-Virtualisierungssuite komplettieren. «Kunden sehen Virtualisierungslösungen heute mit anderen Augen», meint Martin Niemer, Senior Product Manager bei VMware. Vor 12 bis 18 Monaten ging es in erster Linie darum, die Kosten zu reduzieren. Heute hat sich der Blickwinkel geändert und das Hauptmotiv heisst Flexibilisierung. «Natürlich wollen Unternehmen auch weiterhin ihre Kosten reduzieren, aber sie wollen auch das volle strategische Potenzial der Virtualisierung nutzen», betont Niemer.
Helfen könnte ihnen dabei die neue vCenter-Komponente CapacityIQ, die Ende 2009 auf den Markt kommt. CapacityIQ erlaubt exaktere Prognosen über den zukünftigen Ressourcenbedarf und versetzt Unternehmen in die Lage, genauer am Bedarf zu planen. Das Tool simuliert unter anderem den Einfluss von Kapazitätsveränderungen durch Was-wäre-wenn-Analysen, warnt vor Engpässen und fordert proaktiv zusätzliche Kapazitäten an.
ConfigControl, das zweite neue vCenter-Modul, protokolliert Veränderungen des Konfigurationsstatus, wie sie etwa nach dem Einspielen von Patches auftreten können. Die Software stellt dadurch sicher, dass Compliance-Richtlinien eingehalten werden. Schon im Juli dieses Jahres stellte VMware vCenter AppSpeed vor, dass Effizienzgewinne beim Einsatz virtueller Instanzen misst.

Effizienzgewinn: 30 Prozent

Mit der Virtualisierungsplattform vSphere 4.0, die VMware-CEO Paul Maritz als «Betriebs- und Managementsystem der (internen, d. R.) Cloud» bezeichnet, sollten Effizienzgewinne von 30 Prozent möglich sein. Möglicherweise eine Option für das Schweizer Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT), das noch mit der alten Virtual Infrastructure 3.5, Virtual Center und VMotion arbeitet. Aber auch mit der alten VMware-Lösung kann sich das Einsparpotenzial sehen lassen. Die CPUs der meisten Rechner waren nur zu maximal 5 Prozent ausgelastet; Werte um 10 Prozent galten in der Microsoft-Umgebung schon als hoch, gibt die Schweizer Bundes-IT an.
Heute hat sich die CPU-Auslastung auf 20 bis 25 Prozent und die RAM-Auslastung auf 70 bis 80 Prozent erhöht. Innerhalb von 24 Stunden kann das Schweizer Bundesamt neue Server bereitstellen; früher musste man - kaum zu glauben - drei bis vier Wochen darauf warten. Auch mehr Rechenleistung zu erhalten ist in der Schweizer Bundesverwaltung kein Problem mehr. Früher hätte das sieben bis zehn Tage gedauert, heute ginge es «notfalls auch in der Mittagspause», sagt Robert Jonsen, Projektleiter VMware beim BIT. Ausserdem sparen die Bundes-ITler beim Rechenzentrumsplatz und bei den Energiekosten.

IDC-Studie: ROI 567 Prozent

Einen kompakten Eindruck von den Einsparpotenzialen, die mittels Virtualisierungs-Software erreichbar sind, gibt auch eine Return-on-Investment-Studie des Beratungsunternehmens IDC. Die Marktforscher analysierten und bezifferten die Effizienzgewinne, die BMC in seinem Rechenzentrum in Houston realisiert hatte (vgl. IT Management and Virtualization Software Reduce Cost and Energyx Consumption at BMC Datacenter: An ROI Case Study).
Demnach sank innerhalb eines Jahres die Anzahl der physischen Server von 3000 auf 2300, der Energieverbrauch ging um 23 Prozent zurück, ein notwendig gewordener Ausbau des Rechenzentrums verschob sich um mehrere Jahre und Administratoren arbeiten bedeutend produktiver. Summa summarum bescheinigt IDC der BMC-Lösung einen ROI von 567 Prozent. Da die Studie allerdings von BMC gesponsert wurde, liegt dieser ROI wohl eher an der oberen Grenze des Erreichbaren.



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