04.01.2008, 08:39 Uhr

«Freiberufler werden immer begehrter»

Peter Kosel, Managing Director der Rekrutierungs- spezialistin Hays Schweiz, zur Entwicklung des hiesigen IT-Arbeitsmarktes und der gewandelten Rolle externer Spezialisten in der Informatik.
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Peter Kosel, ManagingDirector von Hays Schweiz: «Freiberufliche Spezialisten werden 2008 noch gefragter werden.»
Computerworld: Herr Kosel, wie wird sich der IT-Arbeitsmarkt 2008 wandeln?

Peter Kosel: Der Bedarf an externen Spezialisten wird weiter wachsen. Aktuell sind in der Schweiz etwa 12000 bis 15000 Stellen für IT-Spezialisten unbesetzt. Den betroffenen Unternehmen bleibt nichts anderes übrig, als sich externe Projektunterstützung ins Haus zu holen. Generell wird - gerade im Zuge der Globalisierung - die Nachfrage nach flexibel einsetzbaren Arbeitskräften mit Expertenwissen weiter steigen.

Wie präsentiert sich der Schweizer Markt für die Vermittlung von Zeit-Fachkräften?

Dieses Jahr haben wir rund 400 Positionen mit Spezialisten in der Schweiz besetzt. 2008 werden es 550 sein. Weltweit wurden 2006 rund 245000 Temporärstellen vermittelt - 2004 waren es nur 43000. Die Lohnsumme temporärer Arbeitskräfte stieg von rund 3 Milliarden im Jahr 2006 auf rund 4,5 Milliarden Franken in diesem Jahr.
Damit wird deutlich: Überall auf der Welt wird stärker projektbezogen gearbeitet - und die Schweiz macht da keine Ausnahme. Weil die Personalrekrutierung nicht zum Tagesgeschäft gehört und für die Unternehmen enormen Aufwand bedeutet, wird die Auslagerung der kompletten Rekrutierung an Personaldienstleister zweifellos zunehmen.

Der Arbeitsmarkt ist ausgetrocknet. Woher nehmen Sie da die potenziellen Mitarbeiter?

Einerseits werden von unseren Experten interessierte neue Kandidaten weiterempfohlen. Andererseits können wir auf bestehende Netzwerke zurückgreifen. Wir sind an Fachmessen vertreten, und unsere Website ist mittlerweile ein bekanntes Jobportal. Wir rekrutieren bereits, bevor der Kunde bei uns Spezialisten nachfragt. So können wir bei Bedarf rasch reagieren. Dabei stammt ein grosser Teil unserer Kandidaten aus dem deutschsprachigen Raum.

Weshalb lassen sich Spezialisten auf Zeitarbeitsverhältnisse ein?

Oft ist es Abenteuerlust und der Wunsch, in der Welt herumzukommen. Zeitarbeit erlaubt Ortswechsel ohne aufwändige Organisation. Und es ist verlockend, sich voll auf ein Projekt konzentrieren zu können und weniger Aufmerksamkeit auf Unternehmenskultur oder organisatorische Dinge legen zu müssen, als interne Mitarbeiter dies zu tun haben.

Wie entscheidend sind die materiellen Anreize für die Freiberufler?

Externe verdienen etwa die Hälfte mehr als Festangestellte. Dafür gehen sie das Risiko ein, Zeiten ohne Einsatz, also ohne Einkommen überbrücken zu müssen. Auch erhalten sie keine Zusatzleistungen vom Arbeitgeber und sind selbst sozialversicherungspflichtig. Der Tagesverdienst der von uns vermittelten Experten beläuft sich aktuell auf 900 bis 1500 Franken.

Welche Kosten kommen auf den Auftraggeber zu?

Der Experte muss natürlich eingearbeitet werden. Da dieser jedoch Erfahrung mit Projektarbeit hat, beschränkt sich die Einarbeitungszeit je nach Komplexität des Projekts auf wenige Tage bis maximal zwei Wochen. Die nicht produktiven Kosten sind daher relativ tief. Im Gegenzug spart das Unternehmen Zeit und Geld für die Rekrutierung.

Welche Kriterien sind bei externen Mitarbeitern zu beachten?

An erster Stelle stehen fachliche Qualifikation und Branchenerfahrung. Auch Auslandserfahrung wird häufig vorausgesetzt. Zudem muss der Kandidat flexibel und mobil sein und sich kommunikationsfreudig und anpassungsfähig zeigen.

Wie gut werden die externen Mitarbeiter in den Unternehmen akzeptiert?

Freiberufler sind zu einem festen Bestandteil der Projektarbeit geworden und werden von internen Mitarbeitern nicht mehr als Bedrohung des eigenen Arbeitsplatzes wahrgenommen. Am beliebtesten sind Freelancer, welche die Festangestellten von ihrer Kompetenz und Erfahrung profitieren lassen. Zudem wirken Freiberufler nicht an firmenpolitischen Machtspielen mit, die mit dem Projekt nichts zu tun haben. Das kommt der Zusammenarbeit zugute. Externe sind es vielmehr gewohnt, die Regeln des jeweiligen Unternehmens zu akzeptieren. Allerdings sind für sie Softskills noch wichtiger, als für interne Mitarbeiter. Freiberufler müssen sich rasch in ein Team integrieren, unkompliziert auftreten, zuhören, mit Weitblick planen und auch Ideen umsetzen können.

Welche Potenziale und Grenzen sind bei Zeitverträgen zu berücksichtigen?

Das grösste Potenzial ist die Flexibilität. Das Unternehmen kann Lücken im Mitarbeiterbestand rasch ausgleichen und muss nach Projektabschluss oder bei schwächerer Auftragslage keine Mitarbeiter beschäftigen, die nicht zwingend benötigt werden - oder gar Entlassungen aussprechen. Zudem können wir für jede Aufgabe einen geeigneten Kandidaten vermitteln - egal, worum es geht.
Natürlich kann die zeitliche Beschränkung auch Nachteile bergen. Jedes Unternehmen sollte sich vor dem temporären Einsatz eines Spezialisten überlegen, was in sechs bis zwölf Monaten geschieht, wenn der Externe das Unternehmen wieder verlässt.
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Hays Schweiz

Die Personalvermittlerin Hays beschäftigt 70 ständige Mitarbeiter in schweizweit drei Filialen. Sie rekrutiert Spezialisten für zeitlich begrenzte Projekteinsätze und zur Festanstellung. In der Schweiz ist Hays seit sieben Jahren tätig und auf die Berufsgruppen IT, Engineering, Finance, Pharma und Legal spezialisiert.
Studie

Gemischten Projektteams gehört die Zukunft

Freiberufler haben den Aufstieg geschafft. Sie haben sich vom Lückenbüsser zum gut bezahlten Objekt der Begierde entwickelt. Der ausgetrock-nete IT-Arbeitsmarkt kann auf die als effizient, leistungsstark und innovativ geltenden Spezialisten auf Zeit nicht mehr verzichten. Die Unternehmen sind auf das Fachwissen von Spezialisten angewiesen, deren Fest-anstellung entweder zu teuer wäre - oder die auf dem Arbeitsmarkt nicht rasch genug zu finden sind.

Externe in allen Bereichen

In der Not holen sich die Firmen die Spezialisten von draussen, bilden Projektgruppen und integrieren die Zeitarbeiter befristet in gemischte Teams. So werden Freiberufler in allen Bereichen der IT eingesetzt. Sie implementieren neue Software, schu-len die internen Mitarbeiter auf SAP-Systemen, richten Datenbanken ein oder helfen, das Security-Umfeld zu modernisieren.

Externe bringen Tempo mit

Die Unternehmen, das zeigt eine Studie von Hays unter 489 Managern diverser Branchen in Deutschland, profitieren von den gemischten Teams. Letztere erachten fast zwei Drittel der Befrag-ten für produktiver. Der Transfer von Fach- und Methodenwissen funktioniert besser, Probleme werden rascher erkannt, verkrustete Strukturen effizienter aufgebrochen. Weil Externe eher bereit sind, mit Tabus zu brechen und nicht in firmenpolitische Querelen verstrickt sind. So attestieren 64 Prozent der befragten Manager den gemischten Teams, dass diese Zeitvorgaben besser einhalten und tragfähigere Alternativen entwickeln. Zudem sorgt der Wissens-transfer von den externen auf die internen Mitarbeiter dafür, dass das interne Know-how mitwächst.
An Grenzen stösst der Einsatz externer Spezialisten dort, wo an den Grundlagen eines Unternehmens gearbeitet wird, also beispielsweise in der Forschungsabteilung. Müssen hier dennoch externe Mitarbeiter eingesetzt werden, ist darauf zu achten, dass das vom Freiberufler erworbene Wissen sauber dokumentiert und durch Geheimhaltungsabkommen «abgesichert» wird.

Klare Verträge sind nötig

Generell ist bei Einbeziehung von Freiberuflern auf klare vertragliche Definitionen zu achten, etwa zu deren Funktionsumfang oder zum Zeitfenster des Projektes. Überdies empfiehlt es sich, die Leitung des Gesamtprojektes und grösserer Teilprojekte mit Mitarbeitern aus den eigenen Reihen zu besetzen. So können Verzögerungen vermieden werden und die Hierarchien sind klar strukturiert. Unnötige Reibereien im Team und dadurch verursachte Effizienzverluste können so gezielt vermieden werden.
Marco Bischof



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