20.09.2012, 11:36 Uhr

Bund stoppt Insieme

Das Informatikprojekt des Bundes, Insieme, wurde gestoppt. Damit verliert der Staatshaushalt 150 Millionen Franken. Wer aber die Gründe für den Projektabbruch kennt, ist froh, dass dem Schrecken nun ein Ende gesetzt wurde.
Der Bund hat entschieden: Insieme gibt es nicht mehr.
Insieme war das IT-Thema des Sommers 2012: ein Projekt, das bisher über 150 Millionen Franken verschlang, Misswirtschaften in der Regierung aufdeckte und zu Entlassungen führte. Jetzt wurde entschieden, dass der Negativschlagzeilen genug seien. Insieme wird beerdigt, sagt der Bund. «Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse und Fakten wird eine Weiterführung des Projekts INSIEME heute als zu risikobehaftet beurteilt, weshalb sich ein Projektabbruch aufdrängt», steht in der Medienmitteilung. Über die Hintergründe und Konsequenzen dieses Entscheids hat EFD-Vorsteherin Eveline Widmer-Schlumpf gestern die Finanzdelegation der Eidgenössischen Räte informiert, heute wurden die Gründe der Öffentlichkeit zugänglich gemacht - und wer sich die Mitteilung durchliest, kommt aus dem Staunen nicht heraus.
Dort steht, dass «zwar mittlerweile» - nach fast fünf Jahren «ein Gesamtkonzept für Insieme erstellt ist», die Programmierarbeiten seien aber nur «zu 10 Prozent fortgeschritten». Und weiter: «Nebst dem anfänglichen Fehlen einer die IT- und die Organisationsdimension abdeckenden Gesamtplanung wirkt sich langfristig auch die bis Oktober 2011 fehlende fachliche Führung des Projektes negativ aus.» Weiter stellte die seit Oktober 2011 neu eingesetzte Projektleitung fest, dass die Bereinigung der beschaffungsrechtlichen Probleme Verzögerungen des Projektes mit sich bringen und nicht sicher gestellt werden kann, dass die gesprochenen Mittel bis Ende 2015 genügen. Ein Fass ohne Boden also, nach dem Fhrungssystem der Schweizer Armee FIS HE, das bisher 700 Millionen Franken verschlang, der zweitgrösste IT-Flop des Landes. 

Die Folgen

Das Gute an Insieme: Der Bund scheint Konsequenzen zu ziehen. So soll künftig bei Grossprojekten die Führung gestärkt werden, solche IKT-Schlüsselprojekte will man künftig durch eine Qualitätskontrolle begleiten  lassen. Die Entwicklung solcher Projekte im strategischen Controlling soll zuhanden des Bundesrates verfolgt werden und der Erfahrungsaustausch unter Verantwortlichen solcher Projekte wird gefördert. Zudem sollen Standarddienste für die ganze Bundesverwaltung künftig zentral geführt werden. Weiter wird mit der anlaufenden Einführung des Beschaffungscontrollings durch das Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) die Überprüfung und Steuerung der Ordnungsmässigkeit bei den Beschaffungen des Bundes durch Schaffung von Transparenz ermöglicht. Dabei soll die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben, insbesondere der Schwellenwerte und der Bestimmungen für freihändige Vergaben, im Fokus stehen. Mit den Instrumenten der Statistik von Beschaffungszahlungen, einem Vertragsmanagementsystem und dem Monitoring für nachhaltige Beschaffung werden die Analyse über getätigte Vergaben, abgeschlossene Verträge, vollzogene Zahlungen sowie Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit ermöglicht.  Lesen Sie auf der nächsten Seite: Das war Insieme

Die Geschichte

Seit 2005 wurde am Projekt Insieme gearbeitet, mit dem die eidgenössische Steuerverwaltung ihre teils 30-jährigen IT-Systeme ablösen wollte. Das Projekt entpuppte sich als eines der grössten IT-Flop-Projekte der Schweizer Geschichte. Über 150 Millionen Franken wurden bisher investiert, ohne das irgendetwas geschah. Im Frhjahr kritiserte die Finanzdelegation (FinDel) in ihrem Ttigkeitsbericht die Verantwortlichen deswegen stark und sah das Projekt gefährdet. Das hätte eine Warnung sein müssen, passiert ist aber weiterhin nichts. Bis Departementsvorsteherin Eveline Widmer-Schlumpf der Geduldsfaden riss: Sie stellte Urs Ursprung, den Chef der eidgenössischen Steuerverwaltung auf die Strasse. Doch Ursprung war nur der Anfang, nun begann der Skandal Ausmasse anzunehmen, die sich wohl niemand hätte ausmalen können. Die Sonntags- und Boulevard-Presse  fand in Insieme ein gefundenes Fressen, um über Vetternwirtschaft und Mauscheleien in Bundesbern herzuziehen,  umgangene WTO-Richtlinien gaben die Rechtfertigung für die Hexenjagd. Dies führte so weit, dass kürzlich in Bern eine IT-Beschaffungskonferenz abgehalten wurde, auch wenn Teilnehmer einen Kausalzusammenhang dementierten. Nun also ist die Insieme-Schlagzeilen-Zeit vorbei. 150 Millionen sind damit verloren, aber lieber, um ins Phrasenschwein zu greifen ein Ende mit Schrecken als umgekehrt.



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