15.04.2008, 08:23 Uhr
Konvergenz ist noch ein Mosaik
Sprach- und Datennetze wachsen immer stärker zusammen. Unternehmen nähern sich dieser Konvergenz aber nur langsam und schrittweise - das belegt eine aktuelle Studie.
Joachim Trickl ist Geschäftsführer von Vanco.
Unternehmen setzen immer mehr auf das Zusammenwachsen von Informations- und Telekommunikationstechnologie. Fachleute prägten dafür den Begriff Konvergenz. Die Idee: Verschiedene Netze, die aus unterschiedlichen Anwendungskomponenten bestehen, entwickeln sich zu einer in-tegrierten Kommunikationsinfrastruktur. -Datennetze, lokale Netzwerke, WLAN, Telefonleitungen, Nebenstellenanlagen und Mobilfunknetze verschmelzen auf Basis des Internetprotokolls (IP). Die technischen Regeln des Internetprotokolls bilden den gemeinsamen Nenner, auf dem Anwendungen zusammenfinden, Daten ausgetauscht werden sowie unterschiedliche Technologien und Endgeräte andocken.
Konvergente Netze kommen
Aber wie verbreitet sind konvergente Netze inzwischen wirklich? Ist das Thema Konvergenz in den Führungsetagen der Unternehmen angekommen? Wie sind die Projekte zur Einführung von Konvergenzlösungen organisiert? Und entspricht die Technik überhaupt den Erwartungen? Marktforscher von MB Medien befragten 287 CIOs, wie es um das Thema Konvergenz bestellt ist. Die Studie zeigt, dass die neuen Netze Stück für Stück die alte Telekommunikationstechnik ablösen. Die duale Infrastruktur mit dem Datennetz auf der einen und dem Telefonnetz auf der anderen Seite verschwindet.
Ein Grund dafür ist die steigende Anzahl von Handys, Smartphones, Laptops und anderen Mobilgeräten. Denn diese Geräte lassen sich auf Basis von konvergenten Infrastrukturen leichter warten und administrieren als mit heterogenen Netzwerken. Deshalb strebt mehr als die Hälfte der CIOs eine Integration der Mobilgeräte in das Einheitsnetz an. Für 31 weitere Prozent ist die Integration von Mobiltechnologie sogar der Hauptantrieb ihrer Konvergenzprojekte.
Nur 2,5 Prozent der Firmen verfügen bislang über ein voll integriertes Konvergenznetz. Dagegen setzen bereits 41 Prozent der Firmen regelmässig Konvergenztechnik auf Applikationsebene ein. Weitere 32 Prozent sammeln in Pilotprojekten Erfahrungen. Nur etwas mehr als ein Fünftel der IT-Entscheider nutzt die Technologie gar nicht bis kaum. In den nächsten drei Jahren wird sich diesbezüglich viel ändern. 41 Prozent der CIOs rechnen damit, dass ihr Unternehmen 2010 mit einem voll integrierten Konvergenznetz arbeitet. Fast die Hälfte kündigt an, dass es Erweiterungen auf der Applikationsebene geben wird. Nur drei Prozent prognostizieren, dass es auch 2010 keine Planung in Sachen Konvergenz gibt.
Konvergenz ist noch ein Mosaik
Vorreiter: IP-Telephonie
Der wichtigste Einsatzbereich der Technik ist die IP-Telefonie. Die Verbindungen sind inzwischen relativ stabil und das Sprachniveau akzeptabel. Deshalb nutzen Unternehmen die Einsparungen, die durch das Zusammenführen von TK- und IT-Netz möglich sind. Folglich werden mehr als die Hälfte aller geplanten Investitionen in den Ausbau von Sprachdatenlösungen aufgewendet.
Dabei zeigt sich ein Wandel bei der organisatorischen Aufhängung der Projekte. Nur bei drei Prozent der Projekte liegt die Federführung im Fachbereich TK. In 36 Prozent der Fälle liegt sie bei der zentralen IT, und jedes fünfte Unternehmen siedelt sie sogar als strategische Entwicklungsprojekte direkt beim CIO an. Dass die Topetage die Entscheidungen trifft, zeugt von der Einsicht, dass Wildwuchs die Unternehmen am Ende oft teuer kommt. Der Aufbau der Kommunikationsinfrastruktur von morgen ist deshalb für viele CIOs ein strategisches Projekt, das von ganz oben gesteuert werden muss.
Schritt für Schritt statt radikal
Trotz allem werden Firmen, die durchgängig auf IP-basierte Netze und vor allem Endgeräte setzen, auch noch in drei Jahren die Ausnahme sein. Kaum jemand plant, die eigene Infrastruktur radikal umzubauen. Die meisten Unternehmen setzen dagegen auf kleine Entwicklungsschritte. Etliche Firmen betreiben bereits weltweite Netze auf IP-Basis, an die auch die alten Telefonanlagen von Filialen angebunden sind, oder lassen entsprechende Netze von Dienstleistern betreiben. Doch die Endgeräte werfen sie nicht alle auf einmal raus. Haben die alten Telefonanlagen ausgedient, ersetzen die Unternehmen sie grundsätzlich durch IP-fähige Komponenten. Viele investieren vor allem dort in Konvergenztechnologie, wo die Kunden spürbare Vorteile haben - zum Beispiel in den Call Centern.
Viele Verantwortliche nähern sich der Konvergenztechnologie nur schrittweise, weil ihre ersten Erfahrungen in diesem Bereich nicht nur positiv waren. Das Leistungsvermögen der eingekauften Technologien überzeugt zwar vier Fünftel der Kunden, aber mehr als ein Drittel der CIOs ist mit der Stabilität und der Zuverlässigkeit der eingekauften Lösungen unzufrieden. 26 Prozent sehen die mangelnde Betriebsstabilität sogar als Hindernis für den Ausbau der Konvergenzinfrastruktur. 38 Prozent ärgern sich über Mängel bei Service und Support.
Konvergenz ist noch ein Mosaik
Outsourcing von Konvergenzprojekten
Anbieter, die hier positive Akzente setzen, haben gute Chancen im Markt. 68 Prozent der CIOs erwarten, dass die Landschaft der IT-Dienstleister und Zulieferer durch die Konvergenztechnologie in Bewegung gerät. Immerhin wird inzwischen ein Sechstel aller Konvergenzprojekte von externen Dienstleistern verantwortet. Dabei halten 36 Prozent der CIOs das Outsourcing für eine gute Methode, um die hohen Investitionskosten bei Konvergenzprojekten auch bei unklarem Return-On-Investment im Rahmen zu halten.
Ein weiterer Grund für die Auslagerungen: 38 Prozent der Befragten nennen das fehlende Know-how im eigenen Haus als Hindernis für Konvergenzprojekte und vertrauen deshalb auf fremde Hände. Denn nicht nur die Kosten und mitunter auch die Angst vor Sicherheitsproblemen bremsen den Aufbau der Einheitsnetze. Insbesondere bei der Implementierung neuer Dienste wie IP-basierter Videokonferenzsysteme ist externe Hilfe willkommen.
Kompliziert wird es aber dann, wenn globale Unternehmen bei der Entwicklung eines konvergenten Netzes mit verschiedenen lokalen Netzbetreibern zusammenarbeiten, deren Infrastrukturen nicht optimal aufeinander abgestimmt sind. Deshalb verlassen sich viele international agierende Firmen beim Outsourcing auf sogenannte Virtual Network Operator (VNO), die als alleiniger Serviceprovider weltweite Netzwerklösungen bieten können. Sie besitzen keine eigenen Infrastrukturen, sondern greifen auf die Infrastrukturen der lokal jeweils besten Anbieter zurück und verbinden diese zu einem virtuellen, konvergenzfähigen Gesamtnetz.
Konvergenz erst am Anfang
Unabhängig davon, ob selbst oder von einem Dienstleister gemanagt: Fest steht, dass die Investitionen in die Technologie weiter steigen. Derzeit beträgt der prozentuale Anteil von Sprach-Daten-Konvergenzprojekten am gesamten IT-Budget rund 14 Prozent. Dass dieser Wert bis 2010 den Erwartungen der Befragten CIOs zufolge um fast das dreifache auf 36 Prozent steigen wird, zeigt, dass konvergente Netze erst am Anfang stehen.
Joachim Trickl