11.02.2008, 08:44 Uhr
Von ITIL zu ISO 20000
Die EBM Telematik holte sich als dritte Schweizer Firma das ISO-20000-Gütesiegel. Damit die ISO-Vorgaben nicht in der Schublade verschwinden, sondern auch gelebt werden, hat die IT-Dienstleisterin eine ITSM-Software implementiert.
Derzeit etabliert sich ISO 20000 als neuer internationaler Qualitätsstandard für IT-Services. Für Unternehmensanwender wird das entsprechende Zertifikat zunehmend zu einem wichtigen Entscheidungskriterium bei der Auswahl ihres IT-Dienstleisters. EBM Telematik, der IT-Dienstleistungsarm der Münchensteiner Energieversorgerin EBM, hat diesen Trend frühzeitig erkannt. Sie hat sich im letzten Jahr als drittes Schweizer Unternehmen nach ISO 20000 zertifizieren lassen.
Bereits vor rund anderthalb Jahren hat EBM Telematik ihre IT-Prozesse an der IT Infrastructure Library (ITIL) ausgerichtet. Weil ISO 20000 die ITIL-Prozesse messbar macht, war für Roger Ballmer, Abteilungsleiter Informatik bei EBM Telematik die ISO-Zertifizierung der nächste logische Schritt: «Wir sehen diese Initiative als eine Investition in die Zukunft. Neben der Umsetzung unseres strategischen Ziels - dem Wandel vom Technologieprovider zum Serviceanbieter - war die Tatsache, als eines der ersten Unternehmen in der Schweiz nach der ISO 20000 zertifiziert zu werden, ein grosser Ansporn für uns».
Auch Hans Ruf, Teamleiter Servicemanagement, ist überzeugt, dass die ISO-20000-Zertifizierung ein wichtiger Schritt war: «Ein weiterer positiver Effekt war, dass wir mit der Zertifizierung eine deutliche Innenwirkung erzielt haben, indem allen Mitarbeitern vor Augen geführt wurde, dass ein Kulturwandel unabdingbar ist. ISO 20000 ist ein gutes Gerüst für die konti-nuierliche Prozessverbesserung und er-gänzt ITIL optimal.»
Gelebte Prozesse als Ziel
Bei Zertifizierungen kommt es nicht selten vor, dass die definierten Prozesse schon bald in Ordnern und Aktenschränken verschwinden. Um sicherzustellen, dass die ISO-20000-Vorgaben auch tatsächlich gelebt werden, entschloss sich die EBM Telematik für die Einführung einer IT-Service-Management-Software. Bei der Evaluierung lag das Hauptaugenmerk auf zwei Punkten: Die Software sollte standardmässig einen hohen Prozessabdeckungsgrad bieten und gleichzeitig offen für spezifische Anpassungen sein. Das passende Produkt fand die EBM Telematik schliesslich in iET ITSM von iET Solutions. Ballmer begründet: «Wir haben in unserer Region mit einer Reihe zufriedener Referenzkunden wie der Axpo Informatik oder der badenIT gesprochen. Das gab den Ausschlag.»
Implementierung in zwei Schritten

Die EBM-spezifischen Anpassungen in iET ITSM wurden vom iET-Solutions-Partner experts4IT durchgeführt, dem ein anspruchsvolles Ziel vorgegeben wurde: Die IT-Service-Architektur sollte das Zusammenspiel aus Anforderungen der Geschäftsprozesse und der IT-Infrastruktur abbilden. Alle Anforderungen aus den Geschäftsprozessen an die Datenverarbeitung sollten als IT-Services festgehalten werden. Des Weiteren musste die IT-Infrastruktur abgebildet werden, mit der die Datenverarbeitung erbracht wird. Dafür entwickelte experts4IT eine flexible, auf die EBM zugeschnittene Configuration Management Database (CMDB). Die IT-Services sowie die IT-Infrastruktur liegen nun in der CMDB als Configuration Items (CI) in einer logischen, hierarchischen Struktur vor.
Projekt mit Herausforderungen
Als grösste Herausforderung bezeichnen Ballmer und Ruf die Verankerung der Serviceorientierung in den Köpfen der Mitarbeiter. Alle mussten den Wechsel von der system- und technikgetriebenen Arbeitsweise hin zu einem kunden- und dienstleistungsorientierten Unternehmen mitmachen. Nur dank eiserner Disziplin und einem intensiven Schulungsprogramm hat EBM Telematik die ISO-20000-Zertifizierung im eng gesteckten Zeitplan von nur vier Monaten Vorbereitung erreicht. In dieser Zeit wurde auch die Software zur Prozessmodellierung evaluiert, um in den darauffolgenden zwölf Monaten 16 Prozesse zu definieren und untereinander abzustimmen. Bei der Prozessentwicklung wurde darauf geachtet, die Interaktion zwischen den einzelnen Tätigkeiten und den generischen Systemen explizit zu beschreiben. Damit wurden die Anforderungen zur Parametrisierung der IT-Service-Management-Software eingebracht.
Fazit und Zukunftsausblick
«Die Transparenz und Anwendung unserer Prozesse wurde durch die Einführung von iET ITSM spürbar verbessert. Uns ist erst heute so richtig bewusst, was wir tagtäglich alles leisten», fasst Ruf zusammen. Sein Kollege Ballmer hält abschliessend fest: «Eine Initiative zur Optimierung des Leistungsangebots ist nie abgeschlossen. Uns ist bewusst, dass wir unsere Leistungen permanent überprüfen und gegebenenfalls anpassen müssen.» Für die Zukunft hat sich das Duo den Ausbau der Knowledge Database und des Self-Service-Portals vorgenommen.
Checkliste
Fünf Tipps für die ISO-20000-Zertifizierung
Nach ihren Erfahrungen befragt, geben Ballmer und Ruf die folgenden Tipps für Unternehmen, die eine Zertifizierung nach ISO 20000 anstreben:
- Geschäftsleitung muss die Initiative unterstützen! Wenn nicht alle Mitarbeiter bis hin zur Management-ebene hinter dem Projekt stehen, ist das Unterfangen zum Scheitern verurteilt. Eine ISO-20000-Zertifizierung ist ein aufwendiges Projekt, das neben dem Tagesgeschäft erledigt werden muss. Zudem muss die Initiative den eigenen Nutzen verfolgen. Das Zertifikat bildet eine schöne Zugabe.
- Mitarbeiter motivieren und richtig einsetzen! Alle involvierten Mitarbeiter müssen die Zertifizierung als ihr persönliches Ziel erkennen. Das verlangt auf Management-seite die Fähigkeit, Mitarbeiter entsprechend motivieren und entsprechend ihrer Fähigkeiten einsetzen zu können.
- Im Vorfeld eingehende Risikoanalysen durchführen! Ein so umfangreiches Projekt wie eine ISO-20000-Zertifizierung wird nie unbemerkt von Kunden und Partnern durchgeführt werden können. Deshalb gilt es im Vorfeld abzuschätzen, welche Schwierigkeiten auftreten könnten und geeignete Massnahmen zu erarbeiten, um im Ernstfall rasch handeln zu können.
- Prozesse operationalisieren! Die Projektleitung muss sich von Beginn an überlegen, wie die neu definierten oder verbesserten Prozesse gelebt werden können und welche Massnahmen dafür nötig sind. Auch die Auswahl der richtigen IT-Service-Management-Software spielt eine wichtige Rolle.
- Die Zertifizierung ist nur der erste Schritt! Eine Serviceinitiative endet nicht mit der Zertifizierung - sie beginnt damit. Eine Zertifizierung nach ISO 20000 ist eine Investition in die Zukunft des Unternehmens, die sich mittel- und langfristig in gesteigerter Qualität und Kundenzufriedenheit auswirkt. Um diese zu erreichen muss sichergestellt werden, dass die Ziele auch nach der Zertifizierung weiter vorangetrieben und kontinuierlich überprüft werden.
Zu den Unternehmen
EBM Telematik und experts4IT
Die EBM Telematik erbringt für die EBM-Gruppe und auch für externe Unternehmen sämtliche IT-Dienstleistungen, von der Hardware/Software-Betreuung über das Betreiben der Netzwerk-infrastruktur bis zum Hosting von Websites. Um den Kunden alle Dienstleistungen aus einer Hand anzubieten, verfügt die EBM Telematik über eine umfassende und qualitativ hochstehende Infrastruktur. Dazu gehören die virtuelle GGA-Kopfstation, die Plattform «ebmnet.ch» für das Internetproviding, Glasfasernetze sowie TV-Kabelnetze.
Die experts4IT berät und unterstützt Unternehmen bei der Einführung von ITIL-Prozessen, der Erstellung und Pflege einer CMDB sowie der Anpassung des unterstützenden Tools an die kundenspezifischen Gegebenheiten. Dabei pflegt experts4IT einen pragmatischen Ansatz, der insbesondere auch kleineren und mittleren Unternehmen die Einführung von Prozessen nach ITIL erleichtert.
Claudia Bardola