«Unsere zwei Märkte sind Kunden und Experten»

Blick in die Zukunft

CW: Danke für das Stichwort. Wie sieht Ihr Blick in die Zukunft aus?
Kronenberg: Wir sind heute in zwei Märkten tätig: dem Kunden- und dem Expertenmarkt. Im Kundenmarkt fokussieren wir uns auf wachstumsträchtige Branchen, wie zum Beispiel Medizintechnik und das Gesundheitswesen. Dieses Wachstum bedingt aber, dass wir auch im Expertenmarkt erfolgreich sind. Bei der Suche nach Experten geht es nicht nur darum, Software-Ingenieure zu finden, die kulturell zu uns passen. Wir müssen auch als Arbeitgeber attraktiv bleiben, daher investieren wir viel in Weiter­bildung und in interne Communities. Hier kommen die Experten zusammen und tauschen sich über neue Entwicklungen auf ihren jeweiligen Gebieten aus. Bei Themen mit grosser Bedeutung konstituieren sich auch selbstständig neue Communities, beispielsweise für IoT oder Blockchain.
CW: Rekrutieren Sie auch die viel gesuchten Spezialisten in Schweizer Communities?
Kronenberg: Ja. Denn der Expertenmarkt ist mittlerweile viel herausfordernder als der Kundenmarkt. Wir haben in der Schweiz einen enormen Bedarf an Software-Ingenieuren. Durch die demografische Entwicklung wird sich die Situation in den nächsten Jahren noch verschärfen. Bei meinen Kindern sehe ich mittlerweile, dass das Interesse an den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) schon in der Primarschule gefördert wird. Das war natürlich nicht immer so. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen mussten noch ohne die MINT-Grundbildung auskommen. So entsteht eine grosse Lücke, weil der Informatiknachwuchs fehlt.
Die nächste Herausforderung entsteht durch die Attraktivität des Standorts Schweiz: Einerseits ist es super für den Standort sowie den Stellenwert von Software-Entwicklung in der Schweiz, wenn sich globale Tech-Firmen hier ansiedeln. Andererseits wird die Situation für uns Schweizer KMU schwieriger, wenn Grosskonzerne wie Google weitere 2000 Experten anstellt – auch wenn sie die Spezialisten teilweise aus dem Ausland rekrutieren müssen. Dadurch haben wir noch mehr Hausaufgaben zu machen, um die guten Leute für uns zu gewinnen.
CW: Welchen Wert haben Kununu und Auszeichnungen wie Best Places to Work in der Rekrutierung?
Kronenberg: Wir haben lange Jahre am «Swiss Arbeit­geber Award» von Cash teilgenommen und waren dort immer auf den Top-Plätzen. Irgendwann hat der Wettbewerb seinen IT-Fokus verloren – und damit für uns an Wert. Inzwischen setzen wir auf andere Möglichkeiten wie zum Beispiel Kununu. Wir haben uns sehr früh bei Kununu registriert und fortlaufend Bewerber und Mitarbeiter um eine Bewertung gebeten. Dieser über Jahre gewachsene Fundus an Beurteilungen ist ein extrem wertvolles Asset geworden. Denn in der ICT prüft mittlerweile jeder Kandidat, wie der potenzielle Arbeitgeber bewertet wird. bbv ist im Branchenvergleich überdurchschnittlich gut bewertet. Daneben schauen wir uns immer neue Angebote und Plattformen an. Die Prüfung durch das Best Places to Work Institute haben wir evaluiert, aber für zu teuer befunden. Kununu bietet ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis.
“Personalverleih ist schwierig, weil das Hauptgewicht auf dem Preis liegt„
Philipp Kronenberg, bbv
CW: Auf Kununu wird bbv fast ausschliesslich für das Personalverleihgeschäft kritisiert. Wie relevant ist dieses Geschäft für Ihr Unternehmen?
Kronenberg: Das variiert. Wir hatten in der über 20-jährigen Firmengeschichte Phasen, in denen 70 Prozent der Belegschaft bei Kunden gearbeitet hat. Mittlerweile fahren wir aber eine klare Strategie Richtung Gesamtprojektverantwortung. Trotzdem ist der Personalverleih in bestimmten Konstellationen sehr wichtig. Wir sind aktuell strategischer Partner der Stadt Zürich, vom Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT) und den SBB, bei Letzteren im Bereich Software-Testing.
Die Schwierigkeit bei diesen Ausschreibungen ist die Tatsache, dass das Hauptgewicht auf dem Preis liegt. In den letzten Jahren sind mehrere ausländische Firmen in den Schweizer Markt eingetreten, die ganz andere Preise anbieten können als ein Schweizer Unternehmen. Allerdings gibt es in meiner Wahrnehmung bei den ausländischen Firmen ein ums andere Mal ein Problem mit dem Bereitstellen der Services. Ein Grund dürfte sein, dass auch die Mitarbeiter aus dem Euroraum realisieren, dass sie in der Schweiz mit höheren Lebenshaltungskosten kalkulieren müssen. Dann können nicht immer alle Leistungen in der Menge und der Qualität geliefert werden, wie sie eingekauft wurden.
CW: Was fehlt aktuell im Portfolio von bbv?
Kronenberg: Wir sind tatsächlich gerade dabei, eine Lücke in unserem Portfolio zu schliessen: Uns fehlte bis anhin eine Nearshoring-Option.
CW: Was ist mit der Niederlassung in München?
Kronenberg: München ist unser Hub für den deutschen Markt. Wir haben dort hervorragend ausgebildete Kollegen. Die Schweizer Kunden akzeptieren München allerdings nicht als Shoring-Standort. Deshalb wollen wir in diesem Jahr unser Portfolio um eine Nearshoring-Option im europäischen Raum erweitern.
Zur Firma
bbv Software Services
wurde 1995 in Luzern gegründet. Seit 2014 leitet Philipp Kronenberg das auf Software-Entwicklung und Beratung spezialisierte Unternehmen. Es zählt heute 280 Angestellte am Hauptsitz in Luzern sowie in den Büros in Berlin, Bern, Ho-Chi-Minh-Stadt (Vietnam), München, Zürich und Zug.



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