Cloud-Experten von Accenture 24.03.2021, 10:00 Uhr

«Der Standort Schweiz hat bei den grossen Cloud-Providern einen sehr guten Ruf»

Die Nachfrage nach Cloud-Diensten und Data-Center-Fläche wächst in der Schweiz rasant – insbesondere in der Region Zürich. Zwei Cloud-Experten von Accenture erklären, welche Rolle die Hyperscaler dabei spielen und wie sich der Markt in Zukunft entwickeln wird.
(Quelle: Randy Graf / Unsplash)
Auf der ganzen Welt wächst die Nachfrage nach Cloud-Diensten, damit ist auch Data-Center-Fläche hoch im Kurs. Weil es für die grossen europäischen Cloud-Hotspots Frankfurt, London, Amsterdam und Paris unter anderem zunehmend schwieriger wird, die Nachfrage alleine zu decken, ist derzeit der Sekundärmarkt stark im Kommen. Dazu gehört gemäss Analysen auch Zürich. In der aktuellen Computerworld-Ausgabe haben wir deshalb den Aufstieg der Region zu den Cloud-Metropolen Europas im Rahmen der Titelstory ausführlich analysiert. Nachlesen können Sie diese hier. Zudem fragten wir bei Tobias Abt und Marcel Spillmann, Cloud-Experten bei Accenture, nach, weshalb die Region derart im Aufwind ist, welche Rolle dabei die Hyperscaler spielen und wie sich der Markt in Zukunft entwickeln wird.
Computerworld: Data-Center-Bauprojekte schiessen in und um Zürich aktuell wie Pilze aus dem Boden. Weshalb ist die Region derart beliebt?
Tobias Abt: Viele Schweizer Unternehmen investieren signifikant in die Digitalisierung. Der Standort Schweiz hat bei den grossen Cloud-Providern einen sehr guten Ruf durch die Stabilität, Rechtssicherheit und Nähe zu Top-Universitäten. Diese Kombination führt evolutionär dazu, dass auch der Wert von Cloud und Data Centern in der Schweiz nun immer relevanter wird.
Marcel Spillmann: Es gibt auch noch eine zweite Komponente, wenn es um Cloud-Lösungen geht. Man will der Lösung «vertrauen». Unternehmen, Behörden und die verantwortlichen Leute möchten wissen, was mit ihren Daten geschieht. Und dieser Anforderung können lokale Data Center aktuell klar besser dienen. Obwohl für die meisten Unternehmen rein theoretisch auch globale Rechenzentren mit den notwendigen Prozessen und Strukturen regulatorisch den Anforderungen entsprechen würden, werden lokale Lösungen öfter bevorzugt.
“Der Standort Schweiz hat bei den grossen Cloud-Providern einen sehr guten Ruf durch die Stabilität, Rechtssicherheit und Nähe zu Top-Universitäten„
Tobias Abt
CW: Auch fast alle Hyperscaler eröffneten inzwischen Schweizer Cloud-Regionen. Wie wirkte sich dies auf die Cloud-Nutzung von Schweizer Unternehmen aus?
Abt: Dies fördert klar den notwendigen Wettbewerb unter den Cloud-Anbietern, wovon Schweizer Unternehmen profitieren können – kommerziell und auch durch mehr Innovation. Es muss dabei jedoch auch beachtet werden, dass es unter den Hyperscalern in der Schweiz momentan nach wie vor Unterschiede bezüglich Single-/Multi-Region – was etwa bei Disaster-Recovery-Anforderungen relevant sein kann – oder Hochverfügbarkeits-Fähigkeiten gibt. Hier bietet Azure aktuell noch die beste Lösung, AWS sowie auch Google Cloud Platform werden aber nachziehen respektive haben dies bereits in Planung.
Spillmann: Eine grössere Vielfalt von Hyperscalern fördert auch die Innovationsmöglichkeiten auf Seite der Applikationsentwicklung für Unternehmen. Denn durch die lokalen Daten werden immer mehr Cloud-Native-Services verfügbar werden, was den Wert der Cloud vor allem für das Business massiv steigert.
CW: In welchen Branchen nimmt die Cloud-Nutzung aus Ihrer Sicht derzeit am stärksten zu?
Spillmann: Wir sehen am Schweizer Markt ein starkes Momentum in der Finanzdienstleistungsbranche. Besonders der Finanzsektor profitiert von lokalen Data Center insofern, als dass die Kundendaten in der Schweiz bleiben. Dies führt dazu, dass man das Thema Cloud nun holistischer und auf Unternehmensebene angeht. Und dabei empfiehlt es sich, nicht nur an «Lift & Shift» zu denken, sondern die Applikationen auch gewinnbringend zu modernisieren oder auch direkt cloudnativ zu entwickeln. Damit gewinnt man nicht nur Kunden, sondern steigert auch seine Attraktivität als Arbeitgeber.
Abt: Andere Industrien sind schon etwas früher gestartet mit ihrer Reise in die Cloud. Vor allem produzierende Firmen oder auch die Telekommunikationsanbieter, die sich bisher auf Infrastruktur-Cloud (IaaS) konzentrierten, werden nun auch verstärkt auf höherwertige Services verlagern (PaaS oder FaaS), um die vollen Vorteile der Cloud realisieren zu können. Dabei wird der Fokus auf die Daten- und Applikationsebene gelegt, da dort der grösste Mehrwert fürs Business generiert werden kann.
So weit sind AWS, Microsoft Azure und Google Cloud mit ihrem lokalen Schweizer Angeboten
Quelle: Accenture
CW: Welche Vorteile bietet – insbesondere auch mit Blick auf die lokalen Angebote der Hyperscaler – der Datenstandort Schweiz?
Abt: Die primären Vorteile sind Datenresidenz, regulatorische Anforderungen, Sicherheit und Stabilität am Standort Schweiz sowie für zeitkritische Systeme die niedrigeren Latenzzeiten. Dieses lokale und integrierte Angebot ermöglicht es den Unternehmen in der Schweiz, sich auf den Einsatz der Cloud zu fokussieren, um ihr Geschäft damit zu steigern und schneller auf sich laufend ändernde Kundenanforderungen zu reagieren.
Spillman: Ergänzend dazu lässt sich sagen, dass viele Unternehmen dadurch ihre internen und manchmal auch komplexen Prozesse nicht komplett umstellen müssen, da man aus Datensicht das Land nicht verlässt. Das schafft eine gewisse Erleichterung und Sicherheit bei den Entscheidungsträgern und führt am Ende auch zu geringeren Kosten in der Anpassung des Betriebsmodells mit der Cloud.
CW: Wie wird sich aus Ihrer Sicht die Nachfrage nach Cloud-Diensten entwickeln?
Abt: Es gibt zurzeit ein starkes Wachstum am Markt mit bis zu 30 Prozent pro Jahr. Dies zeigen auch diverse Studien und Marktbefragungen. Zurzeit haben unsere Kunden rund 10 Prozent ihrer Applikationen in der Public Cloud. Wir sehen in den nächsten 5 Jahren jedoch einen signifikanten Shift des Anteils bis auf 60 Prozent.
Spillmann: Die Nachfrage steigt auch, weil die Unternehmen durch den Zugang zur Public Cloud neue Ökosysteme aufbauen – insbesonders auch sogenannte Business-Plattformen. Durch eine bessere Integration von Daten und Services mit Geschäftspartnern und Kunden lassen sich einfacher neue Offerings für Endkunden entwickeln.
“Durch eine bessere Integration von Daten und Services mit Geschäftspartnern und Kunden lassen sich einfacher neue Offerings für Endkunden entwickeln„
Marcel Spillmann
CW: Welche Vorteile bringt der massive Data-Center-Ausbau Ihrer Meinung nach dem Wirtschaftsstandort Zürich?
Abt: Mit lokalen, kompetitiven Data Centern und Cloud Offerings in Zürich komplementiert man die Cloud-Fähigkeit um die holistischen Ziele und Strategien der Unternehmen. Die Vorteile beziehen sich vor allem auf Innovation, Digitalisierung, neue Businessmodelle oder auch die Attraktivität als Arbeitgeber.
Spillmann: Und am Ende macht es den Standort Zürich auch für internationale Firmen noch attraktiver, wenn es immer mehr Möglichkeiten gibt, eine lokale Datenresidenz mit innovativen Services aufzubauen – beispielsweise für die Kryptoindustrie.
Zu den Personen
Tobias Abt ist Accenture Senior Manager und Cloud Transformations Experte. Er begleitet diverse Schweizer und internationale Firmen in ihrer gesamten Cloud-Transformation unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte – von Architektur und Betriebsmodell über Governance bis hin zum agilen Service-Management. Seine Fokus-Themen sind komplexe, integrierte Cloud-Transformationprogramme mit Cloud-Migration, -Modernisierung und Cloud Native.
Marcel Spillmann ist Accenture Managing Director und Enterprise Transformations Experte. Er beschäftigt sich seit vielen Jahre bei Schweizer aber auch internationalen Firmen damit, wie man Betriebsmodelle hinsichtlich deren IT-Fähigkeiten agiler, innovativer und moderner macht, aber auch Kultur und Denke stärker in den Einklang mit dem Business bringt. Hierbei gehört die Cloud mit ihren Möglichkeiten zu den wichtigsten Enablern.
Hinweis: Das Interview wurde schriftlich geführt.



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