Vincent Barro, Schneider Electric 24.10.2018, 15:20 Uhr

«Ich sehe im KMU-Business sehr grosses Potenzial»

Schneider Electric will weg vom Image des Komponentenlieferanten. Der Konzern drückt im Lösungsgeschäft aufs Gas – besonders bei Data Centern. Wie das in der Schweiz gelingen soll, erklärt Vincent Barro im Interview. Er leitet bei dem Elektrotechnikkonzern die Schweizer IT-Division und das End-User-Geschäft im DACH-Raum.
Vincent Barro will in der Schweiz das Data-Center-Geschäft von Schneider Electric vorantreiben
(Quelle: George Sarpong/NMGZ)
Computerworld: Schneider Electric tourt mit der Event-Serie «Innovation Summit» durch die ganze Welt und stellt dabei die EcoStruxure-Architektur vor. Was muss man sich darunter vorstellen?
Vincent Barro: EcoStruxure ist unsere offene, skalierbare und auf das Internet der Dinge (IoT) optimierte Plattform. Sie ist nach einer Drei-Layer-Architektur aufgebaut, die sich über vernetzte Produkte («Connected Products»), Module für die effiziente Steuerung und Kontrolle von Ereignissen in Echtzeit («Edge Control») sowie «Apps, Analytics & Services» für intelligente Geschäftsentscheidungen erstreckt. Entwickelt wurde die Architektur für alle vier Kernmärkte von Schneider Electric – Gebäude, Infrastruktur, Data Center und Industrie.
CW: Was macht die EcoStruxure-Architektur für Ihre Kunden interessant?
Barro: Einerseits verändern sich die Ansprüche der Kunden. Gefragt sind immer mehr Geschwindigkeit und Stabilität. Andererseits stehen wir nach der Internetrevolution gerade am Anfang der nächsten – und die heisst IoT. In Zukunft werden immer mehr vernetzte Geräte zum Einsatz kommen. Diese liefern grosse Datenmengen, die nicht über die Cloud, sondern lokal mit Edge Computing ver­arbeitet werden müssen. Damit steigt die Nachfrage nach Klein- und Kleinstrechenzentren. Die Herausforderung ist deshalb, auch diese auf ein vernünftiges Sicherheits- und Verfügbarkeitslevel zu bringen. Denn sie sind meist weder personell betreut noch verfügen sie etwa über eine USV oder eine ausreichende Kühlung. Das akzeptieren die Kunden nicht mehr. Um die Verfügbarkeit zu verbessern, liefern wir mit der EcoStruxure-Architektur eine Cloud- basierte Managementplattform, welche die IT-Landschaft rund um die Uhr überwacht und analysiert.
CW: Welche Auswirkungen wird aus Ihrer Sicht das IoT auf die Welt der Data Center haben?
Barro: Das IoT hat zur Folge, dass wir Data Center in Zukunft immer stärker nutzen. So werden gleichzeitig die Anforderungen an diese immer grösser. In den vergangenen zehn Jahren haben wir es geschafft, Rechenzentren um 80 Prozent effizienter zu gestalten. Die grosse Frage ist also nun, wie wir in Zukunft eine vergleichbare Leistungssteigerung hinbekommen. Damit beschäftigt sich Schneider Electric intensiv.
CW: Inwiefern?
Barro: Der Konzern tätigt einerseits viele Akquisitionen. Wir kauften etwa Uniflair, einen grossen europäischen Player im Cooling-Bereich. Mit den Produkten haben wir in der Schweiz nun viel Erfolg. Andererseits bringen wir regelmässig auch neue Innovationen auf den Markt – vor Kurzem etwa den Ecoflair, einen Luft-Economiser für die Kühlung von Gross- und Hyperscale-Rechenzentren.
CW: Bei den Data Centern scheint für Schneider Electric nebst der unterbrechungsfreien Stromversorgung auch das Cooling eine grosse Rolle zu spielen. Weshalb?
Barro: Wenn es um Effizienz im Rechenzentrum geht, gehört die Kühlung zu den wichtigsten Aspekten. Im Schnitt entfallen rund 30 bis 40 Prozent des gesamten Energie­verbrauchs im Data Center auf das Cooling. Gelingt es deshalb dort, die Effizienz zu verbessern, dann ist der Impact riesig. Hierzu liefert Schneider Electric den Kunden mit dem EcoStruxure Data Lake Zugang zu weltweiten Benchmarks und Analysedaten. Data-Center-Betreiber erhalten so zusätzliche Insights und können sich mit anderen Unternehmen aus der Industrie vergleichen. Hilfreich kann das insbesondere auch für die präventive Wartung sein, damit man intervenieren kann, bevor ein Problem auftritt.
CW: Neuerdings ist Schneider Electric auch im Bereich Augmented Reality aktiv. Wie genau?
Barro: Teil der EcoStruxure-Lösung ist eine App, die sich Augmented Operator Advisor nennt. Sie soll Technikern das Leben erleichtern und ihnen mehr Sicherheit bieten. Bei der Bühler Group ist diese etwa bereits im Einsatz. Den Maschinenbauern des Konzerns wird auf einem Tablet ein­geblendet, wie eine Installation auszusehen hat oder welche Arbeitsschritte als Nächstes zu befolgen sind. In Fabriken ist es so, dass die erfahrenen Arbeiter alle Maschinen auswendig kennen. Doch wenn jemand neu angestellt wird, nimmt die Einarbeitung viel Zeit in Anspruch. Der virtuelle Assistent kann diesen Vorgang verkürzen. Wenn auch sonst in einem Betrieb nur eine Person weiss, wie ein bestimmter Prozess funktioniert, kann die Lösung anderen Mit­arbeitenden dabei helfen, diesen selbstständig auszuführen.
CW: Augmented Reality ist aber als Ergänzung zum Portfolio zu verstehen?
Barro: Ja, genau. Augmented Reality ist kein separater Bereich, sondern Teil der EcoStruxure-Lösung. Für uns ist es eine innovative Lösung, die das Leben unserer Kunden einfacher machen soll. Besonders in der Schweiz, wo es für viele Branchen schwierig ist, Fachkräfte zu finden, kann ein virtueller Assistent durchaus hilfreich sein.
Zur Person
Vincent Barro
ist bei Schneider Electric als Vice-President IT Business Switzerland & End-Users DACH tätig. Die Leitung der Schweizer IT-Division übernahm der gebürtige Franzose im Mai des letzten Jahres. Beim Konzern arbeitet Barro seit beinahe sieben Jahren. Vor seinem Wechsel in den deutschsprachigen Raum verantwortete er von Dublin aus die irische IT-Division sowie die Data-Center-Sparte für Grossbritannien und Irland. Seit 2013 ist Barro zudem Foreign Trade Advisor für die franzö­sische Regierung.

Das KMU-Business im Fokus

CW: Welche Kundengruppen sind für Schneider Electric in der Schweiz am wichtigsten?
Barro: Im Data-Center-Markt ist für uns hier das Geschäft mit Colocation-Anbietern sowie Cloud- und Service-Pro­vidern tragend. Etwas mehr konzentrieren möchte ich mich in nächster Zeit allerdings auch auf das KMU-Business.
CW: Welches Potenzial sehen Sie dort?
Barro: Ich sehe im KMU-Business sehr grosses Potenzial. Besonders, weil die Schweiz generell ein KMU-Land ist. Grundsätzlich steigen bei kleinen und mittelgrossen Unternehmen die Ansprüche an die IT-Infrastruktur laufend. Sie müssen sich ebenfalls digitalisieren und stossen beim eigenen Betrieb je länger, je mehr an Grenzen. Dann baut man sich entweder selber ein professionelles Data Center oder geht zu einem Service-Provider und kauft sich diese Dienstleistung entsprechend ein.
CW: Was braucht es noch, damit Sie in diesem Markt neue Kunden gewinnen können?
Barro: Wir haben hierzulande mit ABB und Siemens gros­se und bekannte Mitstreiter. Deshalb braucht es am Markt sicherlich noch mehr Markenbekanntheit von Schneider Electric. Hierzu werden wir unsererseits noch mehr Kommunikationsarbeit betreiben. Mit vier Niederlassungen sind wir in der Deutschschweiz aber insgesamt schon sehr präsent. Investieren wollen wir künftig auch verstärkt in der Westschweiz. Für uns als französisches Unternehmen bietet sich das natürlich auch aus sprachlicher Sicht an.
CW: Was machen Sie besser als Ihre Mitbewerber?
Barro: Im Data-Center-Bereich können wir unseren Kunden eine Gesamtlösung von A bis Z anbieten – mit Mittel- und Niederspannung, USV, Software und Rack-Infrastruktur. Aktuell verfügt kein Mitbewerber über ein vergleichbares Angebot. Und dass man sich die einzelnen Produkte nicht von verschiedenen Anbietern zusammenkaufen muss, sondern alles aus einer Hand erhält, kommt gerade bei Grosskunden sehr gut an. Generell versuchen wir auch, uns stark auf die Kunden zu fokussieren. Wir gehen nicht zu ihnen, um ein schnelles Geschäft abzuschliessen. Vielmehr wollen wir die konkreten Ansprüche der Kunden verstehen und eine langfristige Geschäftsbeziehung aufbauen. Denn ein Data Center zu bauen, ist für jede Firma ein grosses Projekt, das mit vielen Herausforderungen verbunden ist.
CW: Bei welcher Kundengrösse sehen Sie für Schneider Electric am meisten Potenzial?
Barro: Die grossen Data Center sind für uns enorm wichtig. Mein Ziel ist es deshalb, alle grossen Data Center in der Schweiz als Kunden zu gewinnen. Ein Produkt von Schneider Electric sollte im Minimum vorhanden sein. Aber natürlich sind unsere Lösungen auch für KMU interessant – besonders auch Service-Leistungen. Es ist deshalb sicher ein Mix aus beiden Segmenten.
Der Franzose Vincent Barro arbeitet seit Mai 2017 in der Schweiz
Quelle: George Sarpong/NMGZ
CW: Apropos: Sie haben in diesem Jahr Ihre Service- Abteilung reorganisiert. Was hat sich damit geändert?
Barro: Kunden haben bei uns jetzt je einen Kontakt in der West- und in der Deutschschweiz. Zudem begleiten wir sie nun vom Anfang bis zum Ende ihres Projekts. Mit EcoStruxure liefern wir ihnen ein Werkzeug, um Daten aus ihrem Rechenzentrum zu analysieren und Probleme frühzeitig zu antizipieren, bevor teure Wartungsarbeiten nötig werden. Sie zahlen unter dem Strich also nur für das, was sie wirklich brauchen. Und dafür sind wir dann mit unserem Schweizer Service-Team da.
CW: Das Service-Geschäft ist für Schneider Electric aber dennoch ein wichtiger Aspekt?
Barro: Definitiv, wir vergrössern unser Service-Team auch laufend. Schliesslich muss im Data-Center-Business alles zu jeder Zeit reibungslos funktionieren. Bei den Kunden ist der Service-Teil deshalb meist entscheidend für die Wahl eines Geschäftspartners. Deswegen investiert Schneider Electric stark in diesem Bereich.
CW: Sie vergrössern Ihr Service-Team und wachsen in der Schweiz generell. Dafür brauchen Sie Fachkräfte. Wie kommen Sie an diese heran?
Barro: Wir wollen wachsen und suchen in der Tat sehr viele Leute. Wir möchten auch versuchen, den Frauenanteil im Unternehmen zu erhöhen. Aber es ist in der Schweiz effektiv nicht einfach, die guten Fachleute zu finden. Aus diesem Grund hat Schneider Electric in der DACH-Region nun eine neue Human-Resources-Policy namens Flexibility@Work eingeführt. Damit wollen wir unseren Mitarbeitenden zeitgemässe Arbeitsmodelle mit digitalen Mitteln ermöglichen – also wo möglich unter anderem Home Office, Jobsharing oder auch Teilzeitarbeit anbieten. Denn um für potenzielle Angestellte attraktiv zu sein, muss man sich heutzutage auch als Unternehmen gut verkaufen können.
CW: Wie sieht denn Ihr persönliches Ziel für die Zukunft von Schneider Electric aus?
Barro: Im Data-Center-Bereich will ich sicher den Kurs beibehalten, den der Konzern eingeschlagen hat. Allgemein möchte ich den Namen Schneider Electric in der Schweiz aber bekannter machen. Manchmal verwechselt man uns leider noch mit einem berühmten Schweizer Lifthersteller oder hält uns für ein deutsches Unternehmen [lacht]. Wir sind eine sehr grosse Firma und weltweit tätig. In Frankreich oder China sind wir sehr bekannt. Nun soll der Brand auch hier stärker wahrgenommen werden.
Zur Firma
Schneider Electric
ist weltweit im Energiemanagement und der Automatisierung tätig. Der französische Elektrotechnikkonzern bietet Lösungen für die Segmente Data Center, Gebäudetechnik, Industrie, Infrastruktur­anbieter und Privathaushalte an. In der Schweiz ist Schneider Electric mit vier Niederlassungen in der Deutsch- und einer in der Westschweiz vertreten. Zum Konzern gehören zudem die aargauische Gutor Electronic sowie der Lichtschalter- und Steckdosenhersteller Feller.
www.schneider-electric.ch



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