Sustainability 26.04.2022, 05:50 Uhr

Dream Team: Data-driven & nachhaltig

Die Frage, ob eine Firma in Nachhaltigkeit investiert, stellt sich nicht mehr. Vielmehr: wann und wie. Welches Potenzial haben ICT-Lösungen? Welche Rolle spielen Daten? Friederike Hoffmann von Swisscom ordnet die Resultate der Swiss-IT-Studie ein und gibt Tipps.
Friederike Hoffmann, Head of Connected Business Solutions bei Swisscom.
(Quelle: Swisscom)
Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung gehören zu den Top-Trends im Jahr 2022. Die Schweizer Unternehmen sind gefordert, konkrete Massnahmen einzuleiten und deren Umsetzung transparent offenzulegen. Dabei sind die Digitalisierung und das Datadriven Business Schlüsselelemente. So sehen denn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Swiss-IT-Studie 2022 auch grosses Potenzial, mit ICT-Lösungen den CO2-Fussabdruck zu reduzieren. Im Fokus stehen dabei die Dema­terialisierung sowie Work-Smart- und Cloud-Dienste. Hürden bestehen in der Messbarkeit der CO2-Reduktion. Gerade der datenbasierte Nachweis der CO2-Einsparungen wird aber in der Schweiz ab dem Jahr 2023 gesetzlich zur Pflicht und erfordert spätestens dann entsprechende Lösungen.
Sara Wyss: Forciert die Pandemie Nachhaltigkeit?
Friederike Hoffmann: Nachhaltigkeit hat in der Schweizer Unternehmerlandschaft bereits in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Die Pandemie hat das Bewusstsein für den Klimawandel zusätzlich geschärft. Und sie hat die Möglichkeiten der Digitalisierung greifbar gemacht: Home Office und virtuelle Konferenzen haben sich etabliert. Die Reisetätigkeit ist rückläufig, gerade auch international. Die Online-Zusammenarbeit funktioniert! Insofern erstaunt es mich nicht, dass die Work-Smart-Dienste in der Swiss-IT-Studie auf Platz 2 landen.
Zur Person
Friederike Hoffmann
ist seit Juni 2019 Head of Connected Business Solutions bei Swisscom. Sie und ihr 500-köpfiges Team sind für das Kern­geschäft B2B-Telekommunikation zuständig.
Zudem ist sie Mitglied der Bereichsleitung von Swisscom Business Customers. Bei Swisscom bekleidete Hoffmann seit 2013 verschiedene Führungspositionen. Zuvor studierte sie Betriebswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen mit Promotion im Bereich Geschäftsmodell-Innovationen.

Papierlose Nachhaltigkeit

Wyss: Am meisten Bereitschaft wird für Dematerialisierung gezeigt. Wie ordnen Sie das ein?
Hoffmann: Mit der Verminderung des Papierverbrauchs das Klima zu schützen, beispielsweise dank Online-Rechnungen, ist ein naheliegender Schritt. Mit Dematerialisierung gehen viele weitere Prozessautomatisie­rungen und Workflow-Vereinfachungen einher, wodurch sich oft auch Kosten sparen lassen, etwa beim Spesenmanagement.
Hohe Bereitschaft für Dematerialisierung
Quelle: Computerworld
Wyss: Ebenfalls in den Top-Rängen landen Cloud-Dienste und Rechenzentren …
Hoffmann: … dies zeigt sehr schön die Bedeutung einer energieeffizienten IT-Infrastruktur. Ein Drittel der Emissionen des ICT-Sektors werden durch den Betrieb von Telekommunikationsnetzen und Rechenzentren verursacht. Es ist also essenziell, dass diese energieeffizient betrieben werden. Hebel sind hier nebst dem Einsatz erneuerbarer Energien die natürliche Kühlung, die Abwärmenutzung sowie die CO2-Kompensation von Restemissionen.
Wyss: IoT-Lösungen zur automatisierten Steuerung von Bürohäusern und Stromnetzen stossen bei den Befragten ebenfalls auf Interesse. Sind denn solche Lösungen nicht zu komplex, insbesondere für KMU?
Hoffmann: KMU brauchen Lösungen, die einfach umzusetzen sind. Und die gibt es! Ich gebe hier gern ein Beispiel: Die Ecco2 Solutions AG hat mithilfe von IoT-Sensoren und künstlicher Intelligenz die Energieeffizienz von Heizsystemen verbessert. Dies geschieht auf Basis von Wetterdaten sowie mithilfe von Temperatur-, Feuchtigkeits- und CO₂-Messungen in Gebäuden. Oder nehmen wir Nexxiot: Das Unternehmen optimiert mit seiner IoT-Lösung die ­Logistik von Cargo-Transportzügen. Standorte und Routen der Waggons werden getrackt, sodass die Auslastung der Züge verbessert werden kann. Dadurch können pro Waggon mehr Güter klimafreundlich per Bahn transportiert werden.
Wyss: Zentral für ressourcenschonendes Wirtschaften ist auch die Kreislaufwirtschaft.
Hoffmann: Ja, gerade im ICT-Umfeld ist die Verlängerung der Lebens- und Nutzungsdauer von Hardware immanent wichtig. Eine durchdachte Kreislaufwirtschaft justiert die Prozessketten – vom Hersteller bis zum Konsumenten. Dies erfordert technisches Wissen und finanzielle Mittel.

Tipps für die CO₂-Reduktion mit Hilfe von ICT

Wyss: Ins Auge springen die Herausforderungen bezüglich Messbarkeit des CO₂-Fussabdrucks. Was ist hier die Schwierigkeit?
Hoffmann: Emissionen zu messen, ist in der Tat eine grosse Herausforderung. Oft fehlen die Daten als Grundlage oder die Modelle zur Auswertung. Als Basis für CO₂-Reduktionen benötigt ein Unternehmen in einem ersten Schritt eine CO₂-Bilanz. Entsprechend müssen Daten zu Strom, Geschäftsreisen, Papierverbrauch und so weiter vorliegen. Oft werden diese Daten gar nicht erhoben oder sie werden dezentral im Unternehmen abgelegt. Sie sind aber eine zentrale Basis, um Muster im Energieverbrauch zu erkennen, Einsparpotenzial zu identifizieren und nachhaltige Lösungen umzusetzen. Dies erfordert die Dokumentation auf einer zentralen Plattform. Digitalisierung und Datadriven Business sind also Schlüsselelemente auf dem Weg zur Klimaneutralität.
Wyss: Welche Daten sind denn relevant zur Erstellung der CO₂-Bilanz und der darauf basierenden Reduk­tionsziele?
Hoffmann: Man unterscheidet im Rahmen der Science Based Targets Initiative (SBTi) zwischen sogenannten «Scopes». Scope 1 beinhaltet Emissionen, die das Unternehmen direkt verursacht, zum Beispiel über Geschäftsfahrzeuge oder betriebliche Anlagen. Scope 2 deckt die indirekten Emissionen, etwa eingekauften Strom, Dampf oder Wärme. Scope 3 umfasst indirekte Emissionen entlang der Wertschöpfungskette wie Rohstoffe, Transport und Distribution, Geschäftsreisen, der Arbeitsweg der Mitarbeitenden und so weiter.
Wyss: Auch für den Nachweis der CO₂-Reduktion sind diese Daten relevant.
Hoffmann: Genau – und das wird immer wichtiger. Mit dem Gegenvorschlag der Konzerninitiative müssen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden in der Schweiz ab 2023 nachvollziehbar ausweisen, wie viel CO2 sie in einem Geschäftsjahr verursachen respektive einsparen. Mit dem gesellschaftlichen Bewusstseinswandel fordern auch Kunden vermehrt Transparenz. Und bei Investoren verschafft man sich Pluspunkte mit ESG-Kriterien, das heisst Kriterien aus den Bereichen Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung. ESG in den Mittelpunkt des Geschäfts zu stellen, gilt daher für Unternehmen heute als langfristiger Wettbewerbsvorteil.
Wyss: Welche Tipps geben Sie Firmen zur Reduktion des CO₂-Fussabdrucks mithilfe von ICT?
Hoffmann: Ich sehe hier hauptsächlich folgende Hebel:
  • Erstens: Reduzieren Sie dank Work Smart Ihre Mobilität aufs Nötigste.
  • Zweitens: Gestalten Sie mit IoT-Technologien die Gebäudetechnik nachhaltiger, zum Beispiel über automatisierte Heizsteuerung.
  • Drittens: Optimieren Sie die Logistik und vermeiden Sie Leerfahrten durch Fernüberwachung von Anlagen, auch hier unterstützen IoT-Technologien.
  • Viertens: Reduzieren Sie Energie in der Produktion, etwa über die Nutzung energieeffizienter IT-Infrastruktur wie Cloud-Lösungen aus klimaneutralen Rechenzentren.
Die Autorin
Sara Wyss ist Head of Communi­cations bei Swisscom ­Business Customers. www.swisscom.ch



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