Cloud 08.10.2010, 08:49 Uhr

Mainframe droht nächster Exodus

Totgesagte leben länger: Der Mainframe hätte schon in den Neunzigern abgeschaltet werden sollen, läuft aber noch immer. Rosig sieht seine Zukunft trotzdem nicht aus.
Für Dayton Semerjian von CA ist der Mainframe noch lange nicht tot
Aus Finanzunternehmen oder grossen Handelsfirmen ist der Mainframe heute nicht wegzudenken. Legacy-Applikationen laufen nur auf dem Grossrechner, Milliarden Kreditkartentransaktionen wickelt er auch ab. Im Zuge von Konsolidierungs- und Sparmassnahmen steht der Mainframe oft oben auf der Streichliste der Geschäftsführung. Die Kosten sind zu hoch, die Systeme zu unflexibel. Hier lockt die Cloud mit fantastischen Versprechungen: es wird nur bezahlt, was wirklich genutzt wird.
So schön, wie die Cloud-Versprechen tönen: Viele Mainframes verrichten trotzdem weiter ihren Dienst. Sei es schlicht, weil einige geschäftskritische Anwendungen auf den Maschinen laufen und sie damit allein aus regulatorischen Gründen am Netz bleiben müssen. Oder wenn zwar Applikationen portiert wurden, damit sie auf herkömmlichen Servern laufen, andere aber auf dem Mainframe zurückbleiben. In diesen Fällen zahlt das Unternehmen gar doppelt: einmal für die neuen Rechner, einmal für den Mainframe. Dort hätten die portierten Anwendungen allerdings ja auch weiter betrieben werden können.
Dayton Semerjian, Mainframe-Chef des Technologiekonzerns CA, kennt andere Fälle, in denen die Unternehmensleitung den Rotstift falsch ansetzt: Bei den Grossrechnern handelt es sich oftmals um Systeme, die Jahrzehnte in Betrieb sind. Ausgaben für beispielsweise Strom und Kühlung werden wie selbstverständlich auf die Kostenstelle der Mainframes gebucht - da die Maschinen seit jeher viel konsumieren. Kosten für Blades oder eine Serverfarm fallen kaum ins Gewicht. Wenn nun die IT nicht für Transparenz sorgt, wird der Mainframe zum riesigen Kostenblock - und nachvollziehbarerweise zum ersten Streichkandidaten.
Ausfallsicherheit und die etablierte Technologie sprechen für den Mainframe. Ein starkes Argument dagegen lesen Sie auf der nächsten Seite.
Die Abkehr vom Mainframe ist für Unternehmen heute offenbar kein Thema. Das legt zumindest eine Studie der Marktforschungsfirma Vanson Bourne nahe, die CA finanziert hat. Von 300 IT-Entscheidern in Europa, die jeweils einen Mainframe betreiben, wollen 82 Prozent die Maschinen weiter laufen lassen. Als Hauptgründe wurden genannt: Verlässlichkeit (55 Prozent), etablierte Technologie (52 Prozent), kosteneffiziente Plattform (48 Prozent) und Widerstände in der IT gegen einen Wechsel (40 Prozent).
Nachwuchsproblem
Die Widerstände könnten in naher Zukunft sinken, denn viele Mainframe-Administratoren nähern sich dem Rentenalter. Dies ist das grösste Problem des Mainframes, sagten 44 Prozent der IT-Entscheider. «Einerseits verrenten die langjährigen Mitarbeiter, andererseits gibt es ein grosses Nachwuchsproblem», weiss Marcel den Hartog, Marketingmanager für CAs Mainframeprodukte.
Die Betreiber steuern gemäss Umfrage dagegen. So wollen 58 Prozent in den nächsten zwölf Monaten Schulungsprogramme anbieten, 43 Prozent benutzerfreundliche Software kaufen und 38 Prozent neue Mitarbeiter rekrutieren.
Das Training der Angestellten und die Ausbildung an zum Beispiel Universitäten wollen Engagements von CA erleichtern. «Die Initiative ging von den Kunden aus. Sie wünschten sich Kurse, in denen Mitarbeitern die Grundkenntnisse vermittelt werden», berichtet Thomas Leitner, CAs EMEA-Chef für die Mainframe-Produkte. Im November starte die Mainframe Akademie in Stockholm, kündigt Leitner an. Dort und später weltweit werden Teilnehmern via eLearning, in Projekten und einer praktischen sowie theoretischen Ausbildung in CAs Mainframe-Zentrum in Prag auch herstellerneutrale Inhalte vermittelt. Die Ausbildung schliesst mit einem Zertifikat ab.



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