28.09.2009, 11:08 Uhr
Zwangsheirat oder Verbindung fürs Leben?
Wer heute in ein Kommunikationsprojekt investiert, braucht eine langfristige Strategie. Die Kombination aus neuen technischen Möglichkeiten und einem veränderten Kommunikationsverhalten birgt erhebliche Optimierungspotenziale.
Konrad Broggi ist Mitinhaber und Mitglied der Geschäftsleitung der Grouptec AG
Nach wie vor enden viele moderne Kommunikationsdienste an der Unternehmensgrenze - selbst so einfache wie Sprach- und Video-Konferenzschaltungen. Speziell die Optimierung der Kommunikation mit dem Kunden ist eine der grossen Herausforderungen der nächsten Jahre. Wer hier investiert, braucht den Blick nach vorn - und sollte den Markt genau kennen.
Der Markt für Kommunikations- und Kollaborationslösungen ist derzeit von unterschiedlichen Entwicklungen geprägt. Zum einen stehen viele Unternehmen vor der Aufgabe, die bestehende TK-Installation abzulösen. Neuinstallationen müssen den Spagat zwischen einer sauberen Abdeckung von TK-Leistungsmerkmalen und dem Einstieg in die neue UC-Welt schaffen. Zwar sind die Vorteile der Technologie inzwischen klarer und die Kombination mit traditioneller TK-Technik einfacher geworden. Doch der Wettbewerb hat sich nach dem Ausscheiden Nortels und mit der zunehmenden Bedeutung Microsofts weiter intensiviert. Die Wahl der passenden UC-Lösung ist da nicht ganz einfach. Dabei können Motivation und Ausgangslage für ein Unternehmen sehr verschieden sein.
- Ein Anwender, der eine bestehende TK-Installation abzulösen hat, muss die Frage klären, welche Funktionen wirklich gefordert sind und welche Art von Technologie diese am besten zu bieten vermögen.
- Für Anwender, die im Wesentlichen die Vorteile von UC nutzen möchten, entsteht nicht nur das Problem der Produktwahl und Zukunftssicherheit. Vor allem muss das Problem gelöst werden, eine kleine Gruppe von Benutzern mit neuer Technologie mit einer grossen Gruppe von Benutzern mit alter Technologie zu integrieren.
Für alle Projekte und Investitionen besteht ein zunehmendes Problem der Investitionssicherheit. Der Insolvenzfall Nortel ist nur die Spitze des Eisbergs, der gesamte Markt kämpft mit der Neupositionierung von Technologie und Wettbewerb.
UC/TK im Parallelbetrieb?
Der Parallelbetrieb verschiedener Kommunikationsplattformen ist nicht optimal. Die Verbindung verschiedener Systeme erfordert in der Regel Gateways. Jedes Gateway ist pauschal ein Problem. Es ist immer verbunden mit Funktionalitätseinschränkungen, Skalierungsproblemen, Mehrkosten und erhöhtem Betriebsaufwand. Entsprechend sind auch die Strategien der grossen Anbieter auf Verdrängung und Migration ausgelegt. Das Idealszenario von Alcatel, Cisco, Siemens und allen anderen ist immer noch die Komplettlösung aus einer Hand. Doch die Idee einer homogenen Lösung bekommt immer mehr Kratzer. Zum einen dehnen zukünftige Kommunikations- und Kollaborationslösungen den Hardware-Funktionsumfang so aus, dass die Frage mehr als nahe liegt, ob ein einzelner Hersteller das Gesamtpaket glaubwürdig in hoher Qualität abdecken kann. Zum anderen hat gerade der Einstieg von Microsoft mit dem Office Communications Server (OCS) in den Markt gezeigt, dass es möglich ist, Ergänzungslösungen zu bestehenden Systemen im Markt zu verkaufen. Es ist daher deutlich realistischer, von einer Situation auszugehen, in der mehrere Plattformen koexistieren.
Ohne Frage ist ein solches Szenario aber mit vielen Folgeproblemen verbunden. Beim Telefonieteil der Microsoft-Lösung betreibt man zurzeit aufgrund der eigenen Mängel noch eine Kooperationsstrategie mit den bekannten PBX-Herstellern. Die mittelfristige Strategie ist jedoch klar: Alle Clients sollen sich im Sinne einer durchgängigen, präsenzbasierten Kommunikation am OCS registrieren. Die Vermittlung in die «alte» Welt mit all ihren speziellen Schnittstellen und Problemen bleibt bei dritten Hardware-Herstellern. Neben dem Funktionsverlust an den Gateways gibt es aber auch das Problem des Parallelbetriebs der Kerninfrastruktur. Dazu zählen mindestens: Voice-, Video- und Messaging-Routing, Rufnummernpläne, Teilnehmerverzeichnisse und Präsenz-Server.
Wie die vielgescholtenen klassischen TK-Hersteller benutzt auch Microsoft proprietäre Erweiterungen in den standardisierten Basisprotokollen SIP und RTP. Trotz modularer Software-Architektur kann man beispielsweise Konferenzserver nicht ohne weiteres durch die Videolösung eines anderen Herstellers ersetzen. Der UC-Markt ist noch weit davon entfernt, so offen und interoperabel zu sein, wie es die konsequente Nutzung offener Standards zuliesse. Davon sind alle Anbieter und alle Kunden betroffen. Jeder muss sich der Frage der Notwendigkeit eines Parallelbetriebs von Lösungen stellen.
Microsofts UC-Strategie
Der Microsoft OCS hat mit seinem Release 2 einen beeindruckenden Funktionsumfang erreicht. Zielmarkt des Produkts sind weiterhin bestehende TK-Installationen, die ohne grossen Aufwand um UC-Funktionen erweitert werden sollen. Damit wird die Integration des OCS in bestehende Kommunikationslösungen zu der zentralen Aufgabenstellung jedes OCS-Projekts. Das Ziel einer solchen Integration liegt auf der Hand: Die bestehende TK-Lösung mit ihren spezifischen Schwerpunkten auf der Sprachkommunikation und den klassischen Endgeräten wie Telefone, DECT, Fax, Handys etc. um UC-Komponenten des OCS zu ergänzen. Schon allein durch die Integration in die Office-Produkte kann der OCS in diesen Umgebungen nicht ignoriert werden. Darüber hinaus propagieren praktisch alle TK-Hersteller Schnittstellen und Integrationsmöglichkeiten zum OCS.
Fragezeichen EndgeräteTechnologie
Eines der grössten Fragezeichen der nächsten Jahre ist, welche Technologie sich am besten dafür eignet, die notwendige Endgerätetechnologie umzusetzen. Im Vordergrund steht dabei das Ziel eines geräteunabhängigen, einheitlichen Clients. Im Prinzip soll es egal sein, ob der Client auf einem Desktop-PC, einem Laptop, einem Mobiltelefon oder in einem Hardware-Telefon läuft. Wichtig ist eine einheitliche Funktionalität mit identischer Bediensystematik. Daran basteln alle Anbieter nach wie vor herum. Ein deutlicher Fortschritt könnte in den nächsten Jahren aus der Weiterentwicklung von Browser-Technologie kommen. Damit stellt sich die Frage, ob der optimale Kommunikations-Client der Zukunft nicht generell ein Webclient ist. Aus Microsoft-Sicht können Endgeräte von Dritten kommen, solange sie sich an die prinzipiellen Vorgaben Microsofts halten. Aus dem Endgerätemarkt will sich Microsoft nach eigenen Angaben weitgehend heraushalten, was angesichts der sonstigen Aktivitäten des Unternehmens durchaus glaubwürdig ist. Der Hersteller konzentriert sich auf die Kernstruktur einer unternehmensweiten UC-Lösung.
Fazit
Die Telekommunikationsbranche verändert sich in den nächsten Jahren. Schon heute setzen Firmen intern zunehmend VoIP-Telefone ein und sparen sich damit die parallele Verkabelung (Ethernet/Telefon). Aber viele Firmen haben auch noch klassische Telefonanlagen in Betrieb - oft mit einer langen Restlaufzeit.
Im Moment scheut Microsoft noch die direkte Konfrontation mit TK-Herstellern und positioniert den OCS vorsichtig als Ergänzungsprodukt zu bestehenden TK-Anlagen. Dass dies nicht von Dauer sein kann, ist offensichtlich. Welcher Kunde zahlt freiwillig Client-Lizenzen für vergleichbare Produkte an zwei Hersteller? Aus Microsofts Sicht ist Integration der erste Schritt zur Migration. Aber man könnte den OCS auch als Microsofts Angriff auf eben diese Töpfe sehen, die sich bislang die Grossen der Branche (Siemens, Nortel, Alcatel etc.) geteilt haben.
Im Moment scheut Microsoft noch die direkte Konfrontation mit TK-Herstellern und positioniert den OCS vorsichtig als Ergänzungsprodukt zu bestehenden TK-Anlagen. Dass dies nicht von Dauer sein kann, ist offensichtlich. Welcher Kunde zahlt freiwillig Client-Lizenzen für vergleichbare Produkte an zwei Hersteller? Aus Microsofts Sicht ist Integration der erste Schritt zur Migration. Aber man könnte den OCS auch als Microsofts Angriff auf eben diese Töpfe sehen, die sich bislang die Grossen der Branche (Siemens, Nortel, Alcatel etc.) geteilt haben.
Insgesamt ist der Erfolg der Microsoft-Strategie davon abhängig, wie stabil die Lösung im produktiven Einsatz ist und wie schnell die Benutzer bereit sind, auf Software-basierende Clients auch für Telefonie umzusteigen. Die Welt der Telefonie wird sich mit UC verändern. Fragt sich, wie schnell der Wechsel auch in den Köpfen passiert.
UC eXperience day
Weitere Informationen und Expertenpräsentationen zum Thema Microsoft UC bietet der bereits zum zweiten Mal durchgeführte Swiss UC eXperience day am
20. Oktober in Baden.
Die Veranstaltung liefert mittels Projekt- und Erfahrungsberichten Entscheidungshilfen für aktuelle UC-Projekte und zeigt auf, wo Microsoft Unified Communications heute steht. Computerworld ist Medienpartner. Die Veranstaltung startet um 9:00 Uhr und endet um 16:30 Uhr
mit anschliessendem Apéro im Trafo (www.trafobaden.ch) in Baden. Weitere Infos sowie Onlineanmeldung unter: www.grouptec.ch/ucday/index.htm
Weitere Informationen und Expertenpräsentationen zum Thema Microsoft UC bietet der bereits zum zweiten Mal durchgeführte Swiss UC eXperience day am
20. Oktober in Baden.
Die Veranstaltung liefert mittels Projekt- und Erfahrungsberichten Entscheidungshilfen für aktuelle UC-Projekte und zeigt auf, wo Microsoft Unified Communications heute steht. Computerworld ist Medienpartner. Die Veranstaltung startet um 9:00 Uhr und endet um 16:30 Uhr
mit anschliessendem Apéro im Trafo (www.trafobaden.ch) in Baden. Weitere Infos sowie Onlineanmeldung unter: www.grouptec.ch/ucday/index.htm
Konrad Broggi