27.12.2011, 07:12 Uhr

Projektleitung, aber richtig!

Erfolgreiches Projektmanagement ist weniger eine Frage der richtigen Methodik als des «richtigen» Projektleiters. Was einen solchen ausmacht, zeigt dieser Beitrag.
Verdammt, das fühlt sich miserabel an. Ich habe die Unwahrheit berichtet und meinem Projekt bei der wöchentlichen Statusbesprechung den Zustand gelb verpasst – ehrlicherweise sollte es aber rot sein. Ich werde den Sonntag opfern müssen, um die ausstehenden Arbeiten nachzuholen...» Kennen Sie dieses Gefühl? Ich nenne es «Notlüge». Pinocchio, die berühmte Figur aus Carlo Collodis Kinderbuch, war ein Meister darin. Aus dem leicht beklemmenden Gefühl wird regelrechte Panik, wenn man glaubt, der Sache nicht mehr ganz Herr zu sein, von nicht Beeinflussbarem dominiert, beherrscht zu werden und sich mehr und mehr der eigenen Grenzen und Unzulänglichkeiten bewusst wird. Im Projektalltag – das kennen Sie wohl auch – bekommt man viele Lügen aufgetischt. Vor Kurzem hörte ich in einer Projektausschuss­sitzung, wie der Projektleiter die Anwesenden mit einer von Zweckoptimismus geprägten und mit Kampfparolen gespickten Rhetorik davon überzeugte, das bereits zu Tode gerittene Projektpferd zu reanimieren. Warum tut er sich das nur an, habe ich mich gefragt. Weil der einmal beschrittene Weg quasi eingeprägt ist, und keine andere Möglichkeit mehr zuzulassen scheint. Verhalten als Folge von Prägung Bleiben wir bei Pinocchio. Sein Leben ist geprägt von seiner hölzernen Beschaffenheit, die gewisse Verhaltensweisen, aber auch Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten bestimmt. Sie würden Pinocchio sicher nicht über glühende Kohlen schicken, aufgrund seines Holzkörpers aber als idealen Kandidaten für eine Atlantiküberquerung auswählen. Auf der nächsten Seite gehts weiter. Prägungen sind Teil unseres Lebens, unseres Seins und werden meist unbewusst, in spiele­rischer Form während der Kindheit oder Ausbildungszeit über Impulse von der Aussenwelt aufgenommen. Oft verankern sich diese Prägungen so dauerhaft, dass sie dem Beobachter wie angeboren erscheinen. Unbewusst und selbstverständlich wenden wir das Verinnerlichte an. Diese Prägungen steuern uns und lassen uns andere steuern. Allerdings funktioniert das nur, solange wir in unserem gewohnten Umfeld wirken und sich dieses nicht massgeblich verändert. Die Bedeutung der Prägungen ist bekannt. In der Gesellschaft wie auch in Unternehmen wird darauf geachtet, dass ein Zusammenleben möglich beziehungsweise der geschäftliche Erfolg gesichert ist. Firmen investieren dazu in Fortbildungen, in die Selektion und die Förderung der Mitarbeitenden; sie investieren in Methoden und Tools, damit Reibungsverluste minimiert und ein effizientes und effektives Wirken möglich wird. Auch in der Projektarbeit wird in Methodenschulungen investiert – mit der Erwartungshaltung, dass Projekte dadurch erfolgreicher abgewickelt werden. Doch das ist nicht so. Denn die Schulungen fokussieren meist auf die technischen Kompetenzen, nicht darauf, sich seiner eigenen Prägungen und der des Umfelds bewusster zu werden. Das zeigt sich unter anderem aus Umfragen über die Qualität des Projektmanagements und der Projekterfolge aus den letzten 100 Jahren: Zweidrittel der umgesetzten Projekte erfüllen die ursprünglichen Anforderungen oder festgelegten Ziele nicht. Auch die Ursachen sind stets dieselben: mangelnde, unklare Anforderungen und Ziele, Egoismen, Kompetenzstreitigkeiten, schlechte Kommunikation etc. Nächste Seite: Erkennen = Lösen Erkennen = Lösen Es sind die Prägungen, die den Abwicklungs­erfolg in Projekten steuern. Dürrenmatt hat diese Erkenntnis in einem prägnanten Satz zusammengefasst: «Das Rationale am Menschen sind seine Einsichten; das Irrationale, dass er nicht danach handelt.» Projektleiter nehmen ihre Prägungen aus ihrer Vergangenheit mit. Spätere Fortbildungen können daran oft kaum noch etwas ändern. Es erstaunt daher kaum, dass der Projekterfolg vom Projektleiter abhängig ist, der das Projekt prägt. Umgekehrt gilt ebenso, dass die Unternehmenskultur die Projektleiter und deren Abwicklung beeinflusst. Diese Prägungen wirken subtil und bekommen in der Ursachenanalyse von Projektabbrüchen oft zu wenig Gewicht, weil sie schwierig zu messen und nachzuvollziehen sind. Prägungen erkennen heisst primär Bewusstsein schaffen – und fordert zur Kommunikation auf. Es geht darum, die Wertvorstellungen, Verhaltensmuster und treibenden/limitierenden Ängste zu erkennen, die Angst nicht als Schwäche, sondern als eine Ressource anzuerkennen. Nur wie, ohne dabei wie Pinocchio zum Spielball von Machtbesessenen zu werden? Die Antwort liegt bei uns selbst: in der Selbstreflexion. Die Auseinandersetzung mit dem Fremden in und um sich aufzunehmen, braucht allerdings Mut. Die Erkenntnis befähigt uns dann jedoch, passende(re) Lösungen und Handlungen festzulegen und stärkt unser Verantwortungsgefühl. Pinocchios Geschichte verdeutlicht, worauf es ankommt: «Sei dir deiner bewusst, denn nur so wirst du ein erwachsener und verantwortungsvoller Mensch.» Pinocchio selbst hat diesen Prozess durchgemacht, die sprechende Grille (sein Gewissen) und die gute Fee (sein guter Freund und Coach) haben ihm dabei geholfen, zu einem richtigen Menschen aus Fleisch und Blut zu werden. So wie jeder erfolgreiche und prägungsbewusste Projektmanager, der in seinem Beruf aufgeht und mit Mut die Verantwortung für sein Projekt mit aller Konsequenz übernimmt. Zum Autor: Gennaro Quagliarelli ist Geschäftsführer von Agora Associates und Dozent für Projektmanagement bei der Digicomp Academy AGHarald Schodl



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