Forschungprogramme 26.08.2019, 08:51 Uhr

EU-Geld auch für Schweizer KMU

Unter der Bezeichnung «Horizon Europe» will die EU ein weiteres Forschungs- und Innovationsprogramm starten, von dem auch Schweizer Unternehmen profitieren sollen.
(Quelle: shutterstock.com/pathdoc)
In Europa haben es innovative KMU schwer, an Kapital zu kommen - anders als in den USA. Mit dem künftigen EU-Forschungs- und Innovationsprogramm «Horizon Europe» soll sich das ändern. Zurzeit läuft ein Pilotprojekt, an dem sich auch die Schweiz beteiligt.
Ein Europäischer Innovationsrat (EIC) soll künftig KMU und Start-Ups besser mit Kapital versorgen, damit «sich aus Europas wissenschaftlichen Entdeckungen Unternehmen entwickeln, die rascher in grösserem Massstab tätig werden können», schrieb die EU-Kommission Anfang 2019 in einem Communiqué.
Konkret sollen mit dem EIC bestehende Förderinstrumente gebündelt und Unterstützungsgelder zur Kommerzialisierung von Forschungsergebnissen ausgebaut werden. Dafür sollen im Rahmen des neuen EU-Forschungsprogramms «Horizon Europe» 2021-27 zehn Milliarden Euro bereitgestellt werden.
Um damit keine Zeit zu verlieren, lancierte die EU-Kommission bereits 2018 ein Pilotprojekt mit 778 Millionen Euro. Für die Jahre 2019/20 sieht Brüssel rund 2,2 Milliarden Euro vor.
Von diesem Förderinstrument, von dem die grössten Summen an KMU fliessen, konnten bis jetzt 18 Schweizer Unternehmen profitieren. Sie erhielten laut Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) bis jetzt insgesamt rund 35 Millionen Euro.

Neuartiges Solarfaltdach

Das Unternehmen «dhp technology» ist eines von davon. «Diese finanzielle Unterstützung ist sehr wichtig für uns», sagt Gründer Gian Andri Diem zur Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Trotzdem brauche er aber noch viel zusätzliches Kapital von privaten Geldgebern.
Um die Fördergelder zu erhalten, musste er eine Machbarkeitsstudie vorweisen und sich Interviews mit Experten stellen. «Sie haben das Produkt auf Herz und Niere geprüft, ob es marktfähig ist». Dies habe ihm gezeigt, «dass wir auf dem richtigen Weg sind». Die EU-Gelder erhielt das KMU dafür, sich auf dem europäischen Markt zu etablieren.
Die dhp technology produziert ein faltbares Solardach, das Infrastrukturflächen wie Kläranlagen oder Parkplätze doppelt nutzen kann. Da das Solarfaltdach weite Stützenabstände realisiert, muss es sehr leicht sein. Als Folge davon, könnte es bei Unwetter leicht beschädigt werden. Das Einfahren verhindert dies.

Krankheitserreger entdecken

Auch die Firma «rqmicro» hat Gelder aus dem EU-Pilotprojekt erhalten - rund 2,2 Millionen Euro. Er sei froh darüber, denn es gebe in der Schweiz nicht genügend Fördermittel für Innovationen, sagt Gründer Hans-Anton Keserue. «Dank den EU-Geldern können wir unser Cellcount-Gerät optimieren und industrialisieren.»
Die rqmicro stellt Geräte her, die in weniger als zwei Stunden Krankheitserreger entdecken können - vor allem die Legionella pneumophila, die für die Legionärskrankheit verantwortlich ist. Laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat diese Krankheit 2018 erneut rasant zugenommen: 567 Fälle waren gemeldet worden.
In den meisten Fällen kommt es zu einer Lungenentzündung, die in fünf bis 15 Prozent zum Tod führt. Infektionsquellen sind wasserführende Anlagen wie Duschen oder Klimaanlagen. Der Cellcount ist damit vor allem für die Wasser- und Lebensmittelbranche interessant. Er funktioniere ähnlich wie eine Kaffeemaschine, sagt Keserue. «Sie haben die Maschine und ersetzen bei jeder Prüfung die Kapsel.» In der «Kapsel» befindet sich die zu untersuchende Probe.

USA sind risikobereiter

In Europa haben Jungunternehmer Schwierigkeiten, sich zu finanzieren. Im schlimmsten Fall führe das zu Abwanderungen europäischer Start-Ups in die USA, sagte ein Experte zu Keystone-SDA. Denn in den USA steht Start-Ups und KMU mehr privates Kapital zur Verfügung.
Zwar sank die Investitionslust von Privaten in der Finanzkrise 2008 weltweit. Doch mittlerweile haben sich laut OECD-Statistik «Venture Capital Investments» Investitionen in den USA seither mehr als verdoppelt: von rund 34 Milliarden (2007) auf knapp 78 Milliarden (2017) US-Dollar.
Jene in Europa inklusive der Schweiz haben hingegen das Niveau von vor 2008 noch immer nicht erreicht. 2007 gab es in der Schweiz Investitionen von rund 350 Mio., zehn Jahre später sind es «nur» 290 Millionen US-Dollar.
Die Gründe für die Unterschiede zwischen USA und Europa sind vielfältig: Anders als in den USA ist Europa etwa kein kulturell, sprachlich und rechtlich homogenes Gebiet, was private Investitionen in KMU erschwert.

EU-Gelder wichtig für Schweiz

Entsprechend wichtig sind damit die EU-Fördergelder auch für Schweizer Unternehmen. «Die EU-Forschungsprogramme stellen die wichtigste öffentliche Quelle zur Finanzierung von Forschung und Innovation von Schweizer Unternehmen dar», schreibt das SBFI. Und man wolle «sich auch weiterhin an der Stärkung des europäischen Forschungs- und Innovationsraums beteiligen».
Deshalb will die Schweiz auch am künftigen EU-Forschungsprogramm «Horizon Europe» teilnehmen. Erste Kontakte auf technischer Ebene haben bereits stattgefunden; ein Verhandlungsmandat des Bundesrates steht aber noch aus.
Doppelspurigkeiten mit Schweizer-Förderprogrammen sieht das SBFI keine. Die Massnahmen auf europäischer Ebene seien «komplementär zu den nationalen Massnahmen» zu verstehen.



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